2008-08-06 13:23:32

Der Berg der Verklärung - Hoffnung für junge Menschen


RealAudioMP3 Am Mittwoch feiert die Kirche das Fest „Verklärung des Herrn“: Die Bibel berichtet, wie Jesus mit drei Jüngern „auf einen hohen Berg“ steigt. Beim Gebet sehen die Jünger ihn dort wie in himmlisches Licht getaucht. Wo genau dieser „hohe Berg“ liegt, steht in der Bibel nicht. Aber die alte christliche Tradition hat den auffälligen, kegelartigen Berg Tabor in der Nähe von Nazareth als Ort der Verklärung ausgemacht. Wer dort hinpilgert, trifft nicht nur auf ein paar Franziskaner, die die Kirche betreuen, sondern auch auf ein Gruppe junger Männer mit harter Vergangenheit. Gabi Fröhlich hat sie besucht.
Auf dem Tabor drängen sich die Besucher. In Scharen ziehen sie an blühenden Büschen vorbei zu der Kirche mit dem großen Verklärungsmosaik. Viele machen danach noch einen Abstecher zu der „Tenda di Elija“: Der kleine Andenkenladen ist nach der Hütte benannt, die Petrus laut biblischem Bericht für den Propheten hatte bauen wollen. Zwei junge Italiener verkaufen dort Eis an die erhitzten Besucher, dazu Rosenkränze, Holzfiguren, Postkarten usw. Niemand würde vermuten, dass die adretten, freundlichen Jungs ehemalige Drogenabhängige sind:
„Meine Geschichte ist die von tausenden Jugendlichen, die in der Gemeinschaft Mondo X gelandet sind: Ich kam an, als ich von Drogen zerstört war. Mein Leben war unerträglich geworden. Denn die Droge und der Alkohol töten den Menschen spirituell. Glaube und moralische Werte sind das erste, was verloren geht.
Der 33-jährige Michele ist einer von hunderten junger Süchtiger, die in der Gemeinschaft Mondo X – zu Deutsch Welt X – den Start in ein neues Leben versuchen. Zusammen mit neun weiteren Aussteigern hilft er den Franziskanern bei der Betreuung des Heiligtums auf dem Tabor. Gegründet wurde seine Gemeinschaft von dem Mailänder Franziskaner Eligio Gelmini:
„Das X steht für das Unbekannte im Menschen. Wir wollen den Menschen aus seiner Selbstbespiegelung herausreißen und ihn dazu bringen, in sein Herz zu schauen. Denn das wahre Antlitz des Menschen ist das Geheimnis seines Herzens.“
Zehntausende junger Menschen hat der 77-jährige Priester seit der Gründung der Gemeinschaft 1967 in ein drogenfreies Leben begleitet. Gerade ist er zu Besuch bei seinen Schützlingen auf dem Tabor, derzeit dem einzigen Mondo X- Haus außerhalb Italiens. Die Idee für die therapeutische Gemeinschaft beim Heiligtum stammt von Kustos Pierbattista Pizzaballa selbst, dem obersten Franziskaner im Heiligen Land:
„Ich kenne Mondo X schon seit meiner Studentenzeit in Italien. Hier im Heiligen Land habe ich dann festgestellt, dass viele unserer klassischen sozialen Aktivitäten wie Waisenhäuser überholt waren. Gleichzeitig gibt es neue Formen der Armut, wie etwa die Drogensucht, die auch in dieser Region grassiert. Da habe ich gedacht, dass wir uns irgendwie in diesem Bereich engagieren sollten.“
Hinzu kommt, dass den Franziskanern als Betreuern vieler Heiliger Stätten der Pilgeransturm über den Kopf zu wachsen beginnt. Die jungen Männer von Mondo X sind da auf dem Tabor eine tatkräftige Hilfe: Sie pflegen die malerischen Blumenbeete um die Kirche wie den Nutzgarten und halten das Gästehaus mit insgesamt 50 Betten in Schuss; und die Jungs in der Küche versorgen Gruppen von bis zu 170 Personen mit mehrgängigen Menüs „à la italiana“. Die treue Bewältigung des Alltags gilt bei Mondo X als Weg in die innere Freiheit. Die straffe Arbeit wird dabei unterbrochen von regelmäßigen Zeiten des Gebets.
„Als ich zu Mondo X kam, war mir egal, welche Art von Gemeinschaft das war. Ich brauchte einfach Hilfe - ich spürte, dass ich unterging.“
...sagt Adriano, der Leiter der Gruppe auf dem Tabor. Er kam vor Jahren als Alkoholiker zu Mondo X:
„Schon damals habe ich etwas wie eine Stimme in mir gehört. Aber wenn dein Kopf nicht klar ist, hörst du diese Stimme nur wie von weitem. In der Gemeinschaft habe ich nach und nach dieses Rufen als Stimme Gottes erkannt. Heute weiß ich, dass er die einzige Kraftquelle meines Lebens ist.“
Die Teilnahme am religiösen Angebot ist freiwillig. Niemand wird zum Gebet gezwungen. Aber die meisten greifen dankbar nach diesem inneren Anker. Wichtig sind aber auch der offene Austausch und der strenge Rhythmus:
„Mondo X hilft dem, der nie Regeln hatte, Regeln zu finden. Dem, der die Liebe mit etwas anderem verwechselt hat, zu lieben – auch wenn das ein großes Wort ist. Aber zumindest, einander zu respektieren. Und dann auch zu arbeiten: denn im Leben muss man arbeiten können.“
Trotz mancher Anfangsschwierigkeiten sieht Kustos Pizzaballa das Experiment auf dem Tabor als gelungen an. In einem zweiten Schritt soll nun ein Haus mit einheimischen Suchtaussteigern eröffnet werden: Eine Gruppe arabischer Drogenabhängiger ist bereits zum Kennenlernen von Mondo X nach Italien gereist. Sobald sie einigermaßen sicheren Tritt gefasst haben, sollen sie den Franziskanern beim Heiligtum von Emmaus Kubeibe unter die Arme greifen. Damit verbindet der Kustos auch eine spirituelle Botschaft:
„Die beiden Jünger, die entmutigt und verloren in Emmaus ankamen, haben dort in Christus beim Brotbrechen einen neuen Anhaltspunkt für ihr Leben gefunden. Genauso ist die Botschaft des Tabor für einen zerstörten Menschen voller Bedeutung: Am Ort der Verklärung können die jungen Leute ihr wahres Antlitz wiederfinden, das von den Drogen verunstaltet wurde - nämlich das Bild Gottes, das im Menschen aufleuchtet.“
(rv 06.08.2008 mc)








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