Zum Abschluss des Weltjugendtages hat Papst Benedikt XVI. mit rund 500.000 Teilnehmern
den größten Gottesdienst in der Geschichte Australiens gefeiert. Dabei rief er am
Sonntagmorgen in Sydney zu einer Erneuerung von Gesellschaft und Kirche auf. Er warnte
er vor neuen „geistigen Wüsten“, die sich überall ausbreiteten. Stattdessen forderte
er eine „neue Ära“, in der Egoismus, Habgier und Oberflächlichkeit durch Solidarität,
Respekt und Hoffnung ersetzt werden sollten. Dazu brauche es eine innere Erneuerung
der Christen durch die Kraft des Heiligen Geistes. (kna/rv 20.07.2008 bp)
Wir
dokumentieren hier Auszüge der Predigt in offizieller deutscher Übersetzung:
Liebe
Freunde! „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen
wird“ (Apg 1,8). Wir haben die Erfüllung dieser Verheißung gesehen! Am Pfingsttag
hat, wie wir in der ersten Lesung gehört haben, der auferstandene Herr, der zur Rechten
des Vater sitzt, den Geist auf die im Obergemach, im Abendmahlssaal versammelten Jünger
herabgesandt. In der Kraft dieses Geistes zogen Petrus und die Apostel aus, das Evangelium
bis an die Grenzen der Erde zu predigen. In allen Zeiten und in allen Sprachen fährt
die Kirche fort, in der ganzen Welt die Wundertaten Gottes zu verkünden und alle Nationen
und Völker zum Glauben, zur Hoffnung und zu einem neuen Leben in Christus zu rufen. (…)
Ich bete, daß diese große Versammlung, die junge Menschen „aus allen Völkern unter
dem Himmel“ (vgl. Apg 2,5) vereint, ein neuer Abendmahlssaal sei. Das Feuer der Liebe
Gottes komme herab, um Eure Herzen zu erfüllen, es verbinde Euch immer vollkommener
mit dem Herrn und seiner Kirche und sende Euch aus als eine neue Generation von Aposteln,
um die Welt zu Christus zu bringen! (…) In jeder Meßfeier kommt nämlich der Heilige
Geist erneut herab, wenn er durch das feierliche Gebet der Kirche angerufen wird,
nicht nur um unsere Gaben von Brot und Wein in den Leib und das Blut des Herrn zu
verwandeln, sondern auch um unser Leben zu verwandeln, um uns in seiner Kraft „ein
Leib und ein Geist in Christus“ werden zu lassen. Aber was ist diese „Kraft“
des Heiligen Geistes? Es ist die Kraft des göttlichen Lebens! Es ist die Kraft desselben
Geistes, der am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte und der, als die Zeit
erfüllt war, Jesus von den Toten auferweckt hat. Es ist die Kraft, die uns und unsere
Welt auf das Kommen des Gottesreiches ausrichtet. Im heutigen Evangelium verkündet
Jesus, daß eine neue Zeit angebrochen ist, in der der Heilige Geist über die ganze
Menschheit ausgegossen wird (vgl. Lk 4,21). Er selbst, der durch den Heiligen Geist
empfangen und von der Jungfrau Maria geboren wurde, ist zu uns gekommen, um uns diesen
Geist zu bringen. Als Quelle unseres neuen Lebens in Christus ist der Heilige Geist
auch auf sehr reale Weise die Seele der Kirche, die Liebe, die uns mit dem Herrn und
untereinander verbindet, und das Licht, das unsere Augen öffnet, damit wir die Wunder
der Gnade Gottes sehen, die uns umgeben. Hier in Australien, diesem „großen Südland
des Heiligen Geistes“, haben wir alle eine unvergeßliche Erfahrung von der Gegenwart
und der Kraft des Geistes in der Schönheit der Natur gemacht. (…) Auch hier in dieser
großartigen Versammlung junger Christen aus der ganzen Welt haben wir eine lebendige
Erfahrung von der Gegenwart des Geistes und von seiner Kraft im Leben der Kirche gemacht.
Wir haben die Kirche als das gesehen, was sie wirklich ist: der Leib Christi, eine
lebendige Gemeinschaft der Liebe, die in der aus unserm Glauben an den auferstandenen
Herrn kommenden Einheit Menschen aller Rassen, Nationen und Sprachen, aller Zeiten
und Orte umfaßt. Die Kraft des Heiligen Geistes hört nie auf, die Kirche mit
Leben zu erfüllen! (…) Doch diese Kraft, die Gnade des Geistes, ist nicht etwas, das
wir uns verdienen oder erarbeiten, sondern nur als reines Geschenk empfangen können.
Gottes Liebe kann ihre Kraft nur entfalten, wenn wir zulassen, daß sie uns von innen
her verändert. Wir müssen sie die harte Kruste unserer Gleichgültigkeit, unserer geistlichen
Trägheit und unserer blinden Anpassung an den Geist dieser Zeit durchbrechen lassen.
Nur dann können wir sie unsere Vorstellungskraft entflammen und unsere tiefsten Sehnsüchte
formen lassen. Aus diesem Grund ist das Gebet so wichtig: das tägliche Gebet, das
persönliche Gebet in der Stille unseres Herzens und vor dem Allerheiligsten und das
liturgische Gebet im Herzen der Kirche. Gebet ist reine Aufnahmebereitschaft für Gottes
Gnade, Liebe in Aktion, Gemeinschaft mit dem Geist, der in uns wohnt und uns durch
Jesus in der Kirche zu unserem himmlischen Vater führt. In der Kraft seines Geistes
ist Jesus immer in unseren Herzen gegenwärtig und wartet ruhig darauf, daß wir bei
ihm still werden, um seine Stimme zu hören, in seiner Liebe zu weilen und die „Kraft
aus der Höhe“ zu empfangen, eine Kraft, die uns befähigt, Salz und Licht der Welt
zu sein. (…) Liebe junge Freunde, erlaubt mir, Euch jetzt eine Frage zu stellen.
Was werdet Ihr der nächsten Generation hinterlassen? Baut Ihr Euer Leben auf festen
Fundamenten und errichtet Ihr etwas, das Bestand haben wird? Lebt Ihr Euer Leben auf
eine Weise, die inmitten einer Welt, die Gott vergessen will oder ihn im Namen einer
falsch verstandenen Freiheit sogar ablehnt, Raum schafft für den Geist? Wie setzt
Ihr die Gaben ein, die ihr empfangen habt, die „Kraft“, die der Heilige Geist auch
jetzt in Euch freisetzen möchte? Welches Erbe werdet Ihr jenen jungen Menschen hinterlassen,
die nach Euch kommen? Welchen Unterschied werdet Ihr machen? Die Kraft des Heiligen
Geistes beschränkt sich nicht darauf, uns zu erleuchten und zu trösten. Sie richtet
uns auch auf die Zukunft aus, auf das Kommen des Gottesreiches. Was für eine wunderbare
Vision einer erlösten und erneuerten Menschheit sehen wir in der neuen Zeit, die uns
vom heutigen Evangelium verheißen wird! (…) Die Ausgießung des Geistes Christi auf
die Menschheit ist ein Unterpfand der Hoffnung und der Erlösung von allem, was uns
verarmen läßt. Sie schenkt den blinden neues Augenlicht, sie befreit die Zerschlagenen
und schafft Einheit in und durch Verschiedenheit (vgl. Lk 4,18-19; Jes 61,1-2). Diese
Kraft kann eine neue Welt schaffen: Sie kann „das Antlitz der Erde erneuern“ (vgl.
Ps 104,30)! Gestärkt durch den Geist und gestützt auf die Weitsicht des Glaubens,
ist eine neue Generation von Christen dazu berufen, zum Aufbau einer Welt beizutragen,
in der das Leben angenommen, geachtet und geliebt und nicht abgelehnt, wie eine Bedrohung
gefürchtet und zerstört wird. Eine neue Zeit, in der die Liebe nicht gierig und selbstsüchtig,
sondern rein, treu und wahrhaft frei, offen für andere und voll Achtung für ihre Würde
ist, ihr Wohl sucht und Freude und Schönheit ausstrahlt. Eine neue Zeit, in der die
Hoffnung uns von der Oberflächlichkeit, der Lustlosigkeit und der Ichbezogenheit befreit,
die unsere Seele absterben lassen und das Netz der menschlichen Beziehungen vergiften.
Liebe junge Freunde, der Herr bittet Euch, Propheten dieser neuen Zeit zu sein, Boten
seiner Liebe, die die Menschen zum Vater hinziehen und eine Zukunft der Hoffnung für
die ganze Menschheit aufbauen. Die Welt braucht diese Erneuerung! In so vielen
unserer Gesellschaften breitet sich neben dem materiellen Wohlstand eine geistliche
Wüste aus: eine innere Leere, eine namenlose Furcht und ein heimliches Gefühl der
Hoffnungslosigkeit. Wie viele unserer Zeitgenossen haben in ihrer verzweifelten Suche
nach Sinn – nach dem letzten Sinn, den nur die Liebe schenken kann – rissige und leere
Zisternen gegraben (vgl. Jer 2,13). Darin liegt die große und befreiende Gabe des
Evangeliums: Es offenbart unsere Würde als Männer und Frauen, die als Abbild Gottes
und ihm ähnlich geschaffen wurden. Es offenbart die erhabene Berufung der Menschheit,
die darin besteht, die Erfüllung in der Liebe zu finden. Es erschließt uns die Wahrheit
über den Menschen und die Wahrheit über das Leben. Auch die Kirche braucht diese
Erneuerung! Sie braucht Euren Glauben, Eure Idealismus und Eure Großzügigkeit, damit
sie im Geist immer jung sein kann (vgl. Lumen gentium, 4)! (…) Die Kirche braucht
besonders die Gaben der jungen Menschen, aller jungen Menschen. Sie muß in der Kraft
des Geistes wachsen, der Eurer Jugend auch jetzt Freude schenkt und Euch anregt, dem
Herrn mit Frohsinn zu dienen. Öffnet Eure Herzen für diese Kraft! Diese Bitte richte
ich in besonderer Weise an all jene, die der Herr zum Priestertum und zum gottgeweihten
Leben beruft. Fürchtet Euch nicht, Jesus „ja“ zu sagen. (…) Was bedeutet es, das
„Siegel“ des Heiligen Geistes zu empfangen? Es bedeutet, ein unauslöschliches Zeichen
zu tragen, dauerhaft verwandelt und eine neue Schöpfung zu sein. Für jene, die diese
Gabe empfangen haben, darf nichts beim Alten bleiben! Im Geist „getauft“ zu werden
bedeutet, von der Liebe Gottes entflammt zu werden. „Vom Geist getränkt“ zu werden
(vgl. 1 Kor 12,13) bedeutet, von der Schönheit des Planes des Herrn für uns und für
die Welt erquickt zu werden und dadurch selber eine Quelle geistlicher Erquickung
für andere zu werden. „Mit dem Geist besiegelt“ zu werden bedeutet, bei unserem Einsatz
für den Sieg der Zivilisation der Liebe keine Angst zu haben, für Christus einzustehen
und unser Sehen, Denken und Handeln von der Wahrheit des Evangeliums durchdringen
zu lassen. (…)
Auch euch, liebe junge Freunde deutscher Sprache, gilt mein
herzlicher Gruß. Der Heilige Geist ist ein Geist der Gemeinschaft und wirkt Verständigung
und Kommunikation. Sprecht mit anderen über eure Hoffnungen und Ideale, und sprecht
von Gott und mit Gott! Glücklich ist der Mensch, der in der Liebe Gottes und in der
Liebe zum Nächsten lebt. Gottes Geist führe euch auf Wegen des Friedens!
Die
Papst-Ansprachen in voller Länge sind nachzulesen auf der Homepage des Vatikans www.vatican.va
und in den jeweiligen Ausgaben des Osservatore Romano.