2008-07-18 03:57:53

Papst sieht Ökumene an kritischem Punkt - Auszüge aus der Ansprache


Papst Benedikt XVI. ist an seinem zweiten offiziellen Besuchstag in Australien mit Vertretern anderer christlicher Kirchen und Religionen zusammengetroffen. Mit Nachdruck rief er die getrennten Christen zu aufrichtigem und differenziertem Bemühen um die christliche Einheit auf. Der ökumenische Dialog sei derzeit an einem kritischen Punkt; der Dialog bleibe schwierig, sagte das Kirchenoberhaupt bei einem Treffen am Freitagnachmittag (Ortszeit) in der Krypta der St. Mary's Cathedral von Sydney. Aber man dürfe sicher sein, eines Tages gemeinsam Eucharistie feiern zu können. (kna 18.07.2008 mc)

Wir dokumentieren hier Auszüge der Ansprache in offiziellen deutschen Übersetzung

Liebe Brüder und Schwestern in Christus,

von Herzen danke ich Gott für diese Gelegenheit, Sie zu treffen und mit Ihnen allen zu beten, die Sie in Vertretung der verschiedenen christlichen Gemeinschaften in Australien hierher gekommen sind. (…)
Australien ist ein von großer ethnischer und religiöser Verschiedenheit gekennzeichnetes Land. Einwanderer erreichen die Küsten dieses herrlichen Landes in der Hoffnung, Glück und Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Ihr Land ist auch eine Nation, die die Bedeutung der Religionsfreiheit anerkennt. Diese ist ein Grundrecht, das, wenn es geachtet wird, allen Bürgern erlaubt, auf der Grundlage von Werten zu handeln, die in ihren innersten Überzeugungen wurzeln, und so zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Auf diese Weise arbeiten Christen zusammen mit den Mitgliedern anderer Religionen an der Förderung der menschlichen Würde und an der Gemeinschaft unter allen Nationen mit.
Die Australier schätzen herzliche und offene Diskussionen. Das hat der ökumenischen Bewegung gute Dienste geleistet. Ein Beispiel könnte das 2004 von den Mitgliedern des Nationalen Rates der Kirchen in Australien unterzeichnete Abkommen sein. Dieses Dokument anerkennt den gemeinsamen Einsatz, legt Ziele dar und führt Punkte der Übereinstimmung an, ohne dabei die Unterschiede zu vertuschen. Ein solcher Ansatz zeigt nicht nur die Möglichkeit, konkrete Beschlüsse für eine fruchtbare Zusammenarbeit in der Gegenwart zu fassen, sondern auch die Notwenigkeit, die geduldige Diskussion über unterschiedliche theologische Standpunkte weiterzuführen. Ihre fortlaufenden Beratungen im Rat der Kirchen und in anderen lokalen Foren mögen auf dem schon Erreichten aufbauen.
(…) Der Weg der Ökumene weist letztlich in die Richtung einer gemeinsamen Feier der Eucharistie (vgl. Ut unum sint, 23-24; 45), die Christus seinen Aposteln als das Sakrament der Einheit der Kirche par excellence anvertraut hat. Obwohl es noch Hindernisse gibt, die überwunden werden müssen, können wir sicher sein, daß eine gemeinsame Eucharistie eines Tages nur unser Bemühen stärken wird, einander zu lieben und zu dienen in Nachahmung unseres Herrn: Denn Jesu Gebot „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19) ist in sich hingeordnet auf seine Ermahnung „einander die Füße zu waschen“ (Joh 13,14). Aus diesem Grund wird ein ehrlicher Dialog hinsichtlich des Ranges der Eucharistie – angeregt von einem erneuerten und sorgfältigen Studium der Heiligen Schrift, der patristischen Schriften und der Dokumente aus den zwei Jahrtausenden der christlichen Geschichte (vgl. Ut unum sint, 69-70) – zweifelsohne helfen, die ökumenische Bewegung voranzubringen und unser Zeugnis vor der Welt zu vereinigen.
(…) Wir müssen uns vor jeder Versuchung in acht nehmen, die Lehre als trennend zu sehen und daher als Hindernis für die scheinbar dringlichere und unmittelbarere Aufgabe, die Welt, in der wir leben, zu verbessern. (…) Je stärker wir uns um ein tieferes Verständnis der göttlichen Geheimnisse bemühen, um so beredter werden unsere Werke der Nächstenliebe von Gottes unendlicher Güte und Liebe zu allen sprechen. Der heilige Augustinus brachte die Verbindung zwischen der Gabe der Erkenntnis und der Tugend der Nächstenliebe zum Ausdruck, als er schrieb, daß der Geist durch die Liebe zu Gott zurückkehrt (vgl. De moribus Ecclesiae catholicae, XII, 21) und daß, wo immer man Nächstenliebe sieht, man die Dreifaltigkeit sieht (vgl. De Trinitate, VIII, 8,12).
Aus diesem Grund schreitet der ökumenische Dialog nicht nur durch einen Austausch von Ideen voran, sondern im Teilen von Gaben, die uns gegenseitig bereichern (vgl. Ut unum sint, 28; 57). Eine „Idee“ zielt auf Wahrheit, eine „Gabe“ drückt Liebe aus. Beide sind wesentlich für den Dialog. Uns selbst zu öffnen, um von anderen Christen geistliche Gaben zu empfangen, regt unsere Fähigkeit an, das Licht der Wahrheit, die vom Heiligen Geist kommt, zu erkennen. (…)
Jedes Element der Struktur der Kirche ist wichtig, doch alle würden ins Wanken geraten und einstürzen ohne den Eckstein, der Christus ist. Als „Mitbürger“ und „Hausgenossen Gottes“ müssen die Christen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, daß der Bau fest steht, so daß andere angezogen werden, einzutreten und die reichen Schätze der Gnade in seinem Inneren zu entdecken. Wenn wir christliche Werte fördern, dürfen wir es nicht unterlassen, ihre Quelle zu verkünden, indem wir ein gemeinsames Zeugnis von Jesus Christus, dem Herrn, geben. Er ist es, der die Apostel beauftragte, er ist es, den die Propheten verkündigten, und er ist es, den wir der Welt anbieten.
(…) Ich vertraue darauf, daß der Geist unsere Augen öffnen wird, um die Gaben der anderen zu sehen, unsere Herzen, um seine Kraft zu empfangen, und unseren Verstand, um das Licht der Wahrheit Christi wahrzunehmen. (…)

Die Papst-Ansprachen in voller Länge sind nachzulesen auf der Homepage des Vatikans www.vatican.va und in den jeweiligen Ausgaben des Osservatore Romano.







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