D: Nuntius würdigt neue Epoche im Staat-Kirche-Verhältnis
Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Perisset, hat am Freitag
in München die Konkordatspolitik des Heiligen Stuhls erläutert. Seit dem Zweiten Vatikanischen
Konzil (1962 bis 1965) seien weltweit so viele Verträge zwischen Staaten und dem Heiligen
Stuhl geschlossen worden wie in den 150 Jahren zuvor, sagte Perisset bei einer kirchenrechtlichen
Fachtagung. Dabei hätten manche Spezialisten vor 40 Jahren noch gemeint, der Abschluss
von Konkordaten werde künftig überflüssig sein, weil in den meisten Staaten die Menschenrechte
einschließlich der Religionsfreiheit anerkannt seien. Das Konzil habe eine neue
Epoche der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat eröffnet, betonte der Erzbischof.
Klerikale und antiklerikale Vorurteile seien überwunden worden. Die Kirche setze ihre
Hoffnungen heute nicht mehr auf Privilegien, die ihr der Staat anbiete, sondern auf
Kooperation. Es gelte das Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheiten des
Partners. Zugleich deutete Perisset an, dass aus seiner Sicht Verträge zu Einzelfragen
dem Abschluss von Konkordaten vorzuziehen sind. Einzelverträge könnten leichter aktualisiert
werden, ohne das in einem Konkordat umfassend geregelte Verhältnis zwischen Kirche
und Staat neu formulieren zu müssen. „Das Recht ist lebendig“, unterstrich der Erzbischof.
Allein mit dem Freistaat Bayern habe es seit 1966 zehn ergänzende Vereinbarungen zum
Konkordat von 1924 gegeben. Als „paradox“ bezeichnete Perisset, dass ältere Verträge
heute noch Anpassungen in Bereichen verhinderten, „die den Staat nichts angehen“.
So legten bis heute in Deutschland gültige Konkordate eine Mitwirkung der jeweiligen
Landesregierung an Bischofsernennungen fest. Theoretisch können die Regierungen in
Rom politische Einwände gegen einen vom Papst bereits auserkorenen Bischofskandidaten
geltend machen. Das geschieht in der Praxis jedoch äußerst selten. Der Nuntius
sagte, allen von einer Bischofsernennung betroffenen Staatsregierungen würden die
Namen vorab vertraulich mitgeteilt. Dies geschehe auch dort, wo es keinen Vertrag
mit dem Heiligen Stuhl gebe, und sei ein „Ausdruck des Vertrauens und der freundschaftlichen
Zusammenarbeit“. (kna 18.07.2008 mc)