Gebet und Stille brauchen
nach den Worten von Papst Benedikt XVI. einen festen Platz im Leben. "Wer Gott auslässt,
der tut nicht mehr das Richtige", sagte der Papst am Mittwoch bei der Generalaudienz
auf dem Petersplatz. Wer sich allerdings nur dem Ewigen widmen wolle, der vernachlässige
auch die Verantwortung für seine Mitmenschen. Man müsse sich Zeit für Gott nehmen,
der die Maßstäbe für das Leben gebe. An diesen solle sich das Handeln ausrichten.
Durch regelmäßiges Beten könnten die täglichen Aufgaben ihren wahren Sinn erhalten
und zu einem Ausdruck der Hingabe an Gott und die Mitmenschen werden, so Benedikt
XVI. Im Mittelpunkt seiner Katchese stand der Heilige Isidor. Er gilt als der letzte
Kirchenvater der christlichen Antike. Hier Benedikts Worte in deutscher Sprache. Heute
möchte ich über den heiligen Isidor von Sevilla sprechen, der als der letzte Kirchenvater
des christlichen Altertums gilt. Isidor war der jüngere Bruder von Leander, dem Erzbischof
von Sevilla, dem er im Jahr 599 als Bischof von Sevilla nachfolgte. Wie wir es neulich
von Papst Gregor dem Großen gehört haben, mußte sich auch Isidor trotz seiner Neigung
zum wissenschaftlichen und beschaulichen Leben mit vielen politischen und administrativen
Fragen auseinandersetzen in einer unruhigen Zeit, in der die Westgoten Spanien besetzt
hatten, das lateinische Erbe – die Bevölkerung aus der römischen Zeit – und die neue,
wie man sagte, „barbarische“ Welt aufeinandertrafen und zur Einheit finden mußten,
die schließlich gefunden wurde, als der westgotische Thronfolger Hermengild sich zum
Katholizismus bekehrte. In all diesen Wirren mußte er Stifter der Einheit sein und
sich um das Zusammenwachsen dieser neuen Gesellschaft sorgen. Trotzdem blieb er ein
betender Mensch und auch ein Mensch, der sich viel um Kultur und Wissenschaft gemüht
hat. Er hat ein reichhaltiges Werk hinterlassen: Seine Werke bilden eine umfängliche,
wenn auch nicht systematische Sammlung des heidnischen, christlichen und jüdischen
Wissens seiner Zeit, das er angesichts der politischen Umwälzungen für seine Gläubigen
und für die Nachwelt erhalten wollte. Daraus möchte ich eine wichtige Lehre über den
inneren Zusammenklang zwischen Beschauung und Aktivität herausgreifen, in der er seine
eigene Erfahrung zusammenfaßt. Er warnt die Menschen davor, „eindimensional“ zu leben
und empfiehlt statt dessen einen Mittelweg: nicht nur Betrachtung, Beschauung, Studium,
Wissenschaft betreiben, aber auch nicht nur Aktion und Aktivismus, sondern beides
in der rechten Weise miteinander verbinden. Wer Gott in seinem Leben ausläßt, weil
er so viel zu tun hat, der tut am Schluß auch nicht mehr das richtige. Und wer sich
nur dem Ewigen widmen will, der vernachlässigt, daß er ein Mensch ist mit Verantwortung
für die Menschen seiner Zeit. Isidor sieht das Vorbild für diese Synthese in Jesus
Christus selbst, der sich dem Wirken für die Menschen in der Predigt, im Helfen und
Heilen hingegeben hat, der aber nächtens im Gebet beim Vater war. So, in dieser Weise
– sagt er uns – sollen wir Christus nachahmen: daß wir Zeit für Gott haben und von
ihm uns die Maßstäbe des Lebens geben lassen, aber von diesen Maßstäben her dann auch
wirklich Verantwortung für das Leben in dieser Welt übernehmen. Mit Freude
begrüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher hier auf dem Petersplatz. Einen
besonderen Gruß richte ich an die Wallfahrer der Suchthilfeeinrichtungen des Deutschen
Ordens und natürlich auch an die Marianische Kongregation aus Köln. Achten auch wir
darauf, dem Gebet und der Stille einen festen Platz in unserem Tagesablauf einzuräumen,
damit unsere zahlreichen Aufgaben einen tiefen Sinn, eine Mitte erhalten und zu einem
Ausdruck der Hingabe an Gott und unsere Mitmenschen werden. Der Herr segne euch und
eure Familien. Als Schutz gegen die römische Sonne setzte
Benedikt XVI. einen breitkrempigen roten Hut auf, als er zum Abschluss der Audienz
einige Pilger begrüßte. Mit einem solchen "Saturno" hatte er bereits im vergangenen
Sommer die Aufmerksamkeit von Fotografen erregt.