"Armut ist Gewalt": Von Vatikan-Botschafter Horstmann
Einmal im Monat bitten
wir den Botschafter Deutschlands beim Vatikan, Dr. Hans-Henning Horstmann, um einen
Kommentar zum Weltgeschehen - mit Blick auf den Vatikan. Lesen oder hören Sie hier
die aktuelle Kolumne des deutschen Diplomaten.
"Sehr verehrte Hörerinnen, sehr
verehrte Hörer,
in diesen Tagen sehen wir die Bilder der Verwüstungen in Myanmar
und in China, die kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan, Somalia und
weltweite Armut und Hunger. Die Flüchtlinge aus Afrika, die in Italien und Spanien
Zuflucht suchen, aber auch die sich öffnende Schere zwischen sehr Reichen und
zunehmender Armut in den Industrienationen des Nordens zeigen: die uns anvertraute
Erde und die Schöpfung ist nicht in der Balance.
Wir alle sind aufgefordert,
die modernen Technologien, unsere Intelligenz und unsere Hilfsbereitschaft effizient
einzusetzen und Katastrophen, Krisen und kriegerischen Konflikten entgegenzuwirken.
Papst
Benedikt XVI. hat in seiner Friedensbotschaft vom 1. Januar 2007 eindringlich
gezeigt, dass es an uns selbst liegt, den gegenwärtigen inhumanen Entwicklungen
entgegenzuwirken. Ich zitiere: "Wenn der Mensch sich der vom Schöpfer anvertrauten
Aufgabe entsprechend verhält, kann er gemeinsam mit seinen Mitmenschen eine Welt
des Friedens erstehen lassen. Neben der Ökologie der Natur gibt es also auch eine
Humanökologie, die ihrerseits eine Sozialökologie erfordert" und, ich zitiere:
"die Erfahrung zeigt, dass jede Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt dem menschlichen
Zusammenleben Schaden zufügt und umgekehrt".
Der Heilige Stuhl und Deutschland
handeln im Bewusstsein, dass es unveräußerliche Menschenrechte gibt, die das Gesetz
unseres Handelns sein müssen: die Würde des Menschen, jedes Menschen, ist das
gemeinsame Grundgesetz, so wie es die Staatengemeinschaft vor 60 Jahren festgeschrieben
hat. Benedikt XVI. hat am 1. Januar 2007 festgestellt: "Das Schicksal der gesamten
Menschheitsfamilie steht auf dem Spiel!". Mit Recht unterstreicht der Papst die
ethische Dimension der Herausforderungen, Papst und Bundesregierung sind einmal
mehr der gleichen Meinung. Unser weltweiter Einsatz für Klimaschutz, gegen Verwüstung
und kriegerische Auseinandersetzungen ist eine Frage, in der Politik, Ökonomie,
Ökologie und Ethik nicht zu trennen sind.
Gemeinsam mit anderen Nationen stellt
sich die Bundesregierung dieser Aufforderung zu Dialog und konkreter Zusammenarbeit,
vor allem aber auch zu Prävention, Krisenmanagement und humanitäre Hilfe in und
nach Katastrophen und Kriegen .
Zur Prävention: Die Wissenschaft hat Satellitensysteme
und terrestrische Messinstrumente entwickelt, die es erlauben, zeitig auf die
Gefahren und Möglichkeiten von Wirbelstürmen und Erdbeben hinzuweisen. Sicherlich:
die Wissenschaft zur Erforschung von Naturkatastrophen und ihrer möglichen
Prävention muss vorangetrieben werden. Entscheidend ist für mich aber, dass rechtzeitig
auf Warnungen reagiert wird. Und dies ist weniger eine technologische als eine
politische Herausforderung. Die internationale Staatengemeinschaft, die Kirche,
die geistlichen Bewegungen haben großartige Friedenspersönlichkeiten. Kurzfristiges,
machtpolitisches Kalkül steht ihren guten Wirkungsmöglichkeiten im Wege.
Unsere
Politik stellt sich diesen Aufgaben: der jüngste EU-Lateinamerika-Gipfel ist nur
ein Beispiel, wir kennen auch die EU-Afrika-Zusammenarbeit, die Zusammenarbeit
der Europäischen Union mit Asien und Ozeanien. Nationale Interessen wird es aufgrund
von Geschichte und Geographie stets geben, dennoch: wenn die EU, die G 8, die
Vereinten Nationen, Weltbank, die Welthandelsorganisation und die kirchlichen
Hilfswerke Caritas International, Johanniter und Malteser, das Internationale
Komitee vom Roten Kreuz, in enger Abstimmung handeln, müssen wir in der Lage sein,
bei unterschiedlichen Auffassungen gemeinsam Prävention, Krisenmanagement und
die "Hilfe danach" effizienter zu organisieren, als wir es jetzt tun.
Gandhi
hat gesagt: "Die Armut ist die schlimmste Gewalt, die man den Armen antut". Der
Welternährungsgipfel am 3. und 4. Juni in Rom rückt die Dimension dieser Herausforderungen
ins Licht der internationalen Öffentlichkeit. Sie sollte die Staatengemeinschaft
zu weiteren konkreten Taten ermutigen."