2008-05-29 15:11:33

"Armut ist Gewalt": Von Vatikan-Botschafter Horstmann


RealAudioMP3 Einmal im Monat bitten wir den Botschafter Deutschlands beim Vatikan, Dr. Hans-Henning Horstmann, um einen Kommentar zum Weltgeschehen - mit Blick auf den Vatikan. Lesen oder hören Sie hier die aktuelle Kolumne des deutschen Diplomaten.

"Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer,

in diesen Tagen sehen wir die Bilder der Verwüstungen in Myanmar und in
China, die kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan, Somalia
und weltweite Armut und Hunger. Die Flüchtlinge aus Afrika, die in
Italien und Spanien Zuflucht suchen, aber auch die sich öffnende Schere
zwischen sehr Reichen und zunehmender Armut in den Industrienationen des
Nordens zeigen: die uns anvertraute Erde und die Schöpfung ist nicht in
der Balance.

Wir alle sind aufgefordert, die modernen Technologien, unsere
Intelligenz und unsere Hilfsbereitschaft effizient einzusetzen und
Katastrophen, Krisen und kriegerischen Konflikten entgegenzuwirken.

Papst Benedikt XVI. hat in seiner Friedensbotschaft vom 1. Januar 2007
eindringlich gezeigt, dass es an uns selbst liegt, den gegenwärtigen
inhumanen Entwicklungen entgegenzuwirken. Ich zitiere: "Wenn der Mensch
sich der vom Schöpfer anvertrauten Aufgabe entsprechend verhält, kann er
gemeinsam mit seinen Mitmenschen eine Welt des Friedens erstehen lassen.
Neben der Ökologie der Natur gibt es also auch eine Humanökologie, die
ihrerseits eine Sozialökologie erfordert" und, ich zitiere: "die
Erfahrung zeigt, dass jede Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt dem
menschlichen Zusammenleben Schaden zufügt und umgekehrt".

Der Heilige Stuhl und Deutschland handeln im Bewusstsein, dass es
unveräußerliche Menschenrechte gibt, die das Gesetz unseres Handelns
sein müssen: die Würde des Menschen, jedes Menschen, ist das gemeinsame
Grundgesetz, so wie es die Staatengemeinschaft vor 60 Jahren
festgeschrieben hat. Benedikt XVI. hat am 1. Januar 2007 festgestellt:
"Das Schicksal der gesamten Menschheitsfamilie steht auf dem Spiel!".
Mit Recht unterstreicht der Papst die ethische Dimension der
Herausforderungen, Papst und Bundesregierung sind einmal mehr der
gleichen Meinung. Unser weltweiter Einsatz für Klimaschutz, gegen
Verwüstung und kriegerische Auseinandersetzungen ist eine Frage, in der
Politik, Ökonomie, Ökologie und Ethik nicht zu trennen sind.

Gemeinsam mit anderen Nationen stellt sich die Bundesregierung dieser
Aufforderung zu Dialog und konkreter Zusammenarbeit, vor allem aber auch
zu Prävention, Krisenmanagement und humanitäre Hilfe in und nach
Katastrophen und Kriegen .

Zur Prävention: Die Wissenschaft hat Satellitensysteme und terrestrische
Messinstrumente entwickelt, die es erlauben, zeitig auf die Gefahren und
Möglichkeiten von Wirbelstürmen und Erdbeben hinzuweisen. Sicherlich:
die Wissenschaft zur Erforschung von Naturkatastrophen und ihrer
möglichen Prävention muss vorangetrieben werden. Entscheidend ist für
mich aber, dass rechtzeitig auf Warnungen reagiert wird. Und dies ist
weniger eine technologische als eine politische Herausforderung. Die
internationale Staatengemeinschaft, die Kirche, die geistlichen
Bewegungen haben großartige Friedenspersönlichkeiten. Kurzfristiges,
machtpolitisches Kalkül steht ihren guten Wirkungsmöglichkeiten im Wege.

Unsere Politik stellt sich diesen Aufgaben: der jüngste
EU-Lateinamerika-Gipfel ist nur ein Beispiel, wir kennen auch die
EU-Afrika-Zusammenarbeit, die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit
Asien und Ozeanien. Nationale Interessen wird es aufgrund von Geschichte
und Geographie stets geben, dennoch: wenn die EU, die G 8, die Vereinten
Nationen, Weltbank, die Welthandelsorganisation und die kirchlichen
Hilfswerke Caritas International, Johanniter und Malteser, das
Internationale Komitee vom Roten Kreuz, in enger Abstimmung handeln,
müssen wir in der Lage sein, bei unterschiedlichen Auffassungen
gemeinsam Prävention, Krisenmanagement und die "Hilfe danach"
effizienter zu organisieren, als wir es jetzt tun.

Gandhi hat gesagt: "Die Armut ist die schlimmste Gewalt, die man den
Armen antut". Der Welternährungsgipfel am 3. und 4. Juni in Rom rückt
die Dimension dieser Herausforderungen ins Licht der internationalen
Öffentlichkeit. Sie sollte die Staatengemeinschaft zu weiteren konkreten
Taten ermutigen."

(rv 29.05.2008 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.