Einer der wichtigsten
„Posten“ im Vatikan ist derzeit vakant: der des Familien-„Ministers“. Nach dem Tod
des bisherigen Amtsinhabers, Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, vor genau einem Monat
hat Papst Benedikt noch keinen neuen Präsidenten des Päpstlichen Familienrates ernannt.
Dabei eilt die Sache: Im Januar 2009 steht in Mexiko-Stadt das nächste Welttreffen
der Familien auf dem Programm, das vom Familienrat ausgerichtet wird. Der aus der
Schweiz stammende Bischof Karl-Josef Romer war bis zu seiner Pensionierung vor kurzem
zweiter Mann im Familienrat – er hofft, dass Benedikt einen profilierten Kandidaten
für den Rat findet:
„Ein so großes Ideal wie die Liebe, das Leben, die Familie
– das braucht den großen und ganzen Einsatz der Besten.“
Das italienische
Nachrichtenmagazin „Panorama“ sieht einen spanischen Kardinal als möglichen Kandidaten
für die Leitung des Familienrates. Der Primas von Spanien, Erzbischof Antonio Canizares
von Toledo, ist von Benedikt zum Kardinal gemacht worden und war Anfang der Woche
zusammen mit anderen spanischen Bischöfen zu einem vertraulichen Gespräch beim Papst;
die spanische Zeitung „El Pais“ nennt ihn wegen seiner freundlichen, aber unbeugsamen
Art den „spanischen Ratzinger“. Seit der Enzyklika „Evangelium vitae“ von Johannes
Paul II. in den neunziger Jahren ist der Einsatz für Ehe und Familie sowie für das
Leben eine der wichtigsten und intensivsten Kampagnen, die vom Vatikan ausgehen. Romer:
„Rein
menschlich gesehen, ohne jetzt einmal das christliche Ideal zu nennen: Wenn die Familie
nicht geschützt wird, dann geht ein Land kaputt. Nur die Familie ist das ideale Milieu,
wo die menschliche Gesellschaft (nicht bloß die Kirche) lebendige Zelle für ihre Zukunft
hat. Wenn man die Familie schädigt oder nicht genug schützt, zerstört ein Land seine
eigene Zukunft.“
Der verstorbene Kardinal Lopez Trujillo hatte sich den
Einsatz für Leben und Familie zum Herzensanliegen gemacht. Damit wollte der Kolumbianer,
wie Romer bemerkt, nebenbei auch der Kirche in Europa und den USA die Vitalität der
lateinamerikanischen Kirche vorführen. Viele im Vatikan halten auch für möglich, dass
Benedikt wieder einen Lateinamerikaner an die Kurie beruft. Vor genau einem Jahr war
der Papst zu Besuch in Brasilien; Romer hat mehr als dreißig Jahre in Brasilien gelebt
und gearbeitet und weiß, wie wichtig es ist, dass die Kirche eine Antwort auf die
Fragen und Probleme der Lateinamerikaner findet.
„Der große Johannes Paul
musste zwar mehrmals intervenieren, um gewisse Abwege einer Spielart der Befreiungstheologie
zu korrigieren. Aber Kardinal Lopez hat doch sehr wohl gewusst: Befreiung ist ein
großes Ideal des Christentums – es muss ein Evangelium der Befreiung sein! Die Befreiungstheologie
muss sich ausrichten nach den tiefsten Grundsätzen des Evangeliums, also nicht gegen
die Armen, sondern für die Armen. Dass sie nicht im Namen eines sozialistischen oder
gar marxistischen Klassenkampfes, sondern wirklich im Namen der Kraft und der Liebe
des Evangeliums eine neue Zukunft bekommen.“