Predigt Benedikts XVI. bei der Abschlussmesse auf der Piazza della Vittoria in Genua
Nichtoffizielle Arbeitsübersetzung: Pater Eberhard v. Gemmingen SJ. Liebe Brüder
und Schwestern, nach einem intensiven langen Tag in Eurer Stadt, finden wir uns hier
am Altar zusammen, um am Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit die Eucharistie zu feiern.
Von diesem zentralen Platz der Victoria aus, der uns zum gemeinsamen Choral des Lobes
und der Danksagung an Gott zusammenführt, richte ich meinen sehr herzlichen Gruß an
die ganze bürgerliche und kirchliche Gemeinde von Genau. Herzlich begrüße ich an erster
Stelle den Erzbischof Kardinal Angelo Bagnasco, dem ich für die Höflichkeit danke,
mit der er mich begrüßt hat und für die Worte, die er am Anfang der Messe an mich
gerichtet hat. Wir aber nicht auch begrüßen Kardinal Tarcisio Bertone, meinen Kardinalstaatssekretär,
der früher in dieser alten und edlen Kirche der Hirte war. Ihm gilt mein aufrichtiger
Dank für seine geistliche Nähe und seine kostbare Zusammenarbeit. Ich grüße dann den
Weihbischof Monsignore Luigi Ernesto Palletti, die Bischöfe Liguriens und die anderen
Bischöfe. Ich richte dann meine Gedanken an die zivilen Autoritäten, denen ich für
den Empfang danke und ihren anstrengenden Einsatz, den sie für die Vorbereitung und
den Ablauf dieser meiner apostolischen Reise geleistet haben. Insbesondere grüße ich
den Minister Claudio Scaiola in Vertretung der neuen Regierung, der genau in diesen
Tagen das volle Amt im Dienst an der geliebten italienischen Nation übernommen hat.
Dann richte ich mich mit lebendigem Dank an die Priester, die Ordensmann und –frauen,
die Diakone, die engagierten Laien, die Seminaristen und die Jugend. Euch allen, liebe
Brüder und Schwestern gilt mein herzlicher Gruß. Ich denke dann auch an die, die nicht
hier sein konnten, in besonderer Weise an die Kranken, die Einsamen und alle Menschen
in irgendwelchen Schwierigkeiten. Ich empfehle dem Herrn bei dieser eucharistischen
Konzelebration die Stadt Genua und alle seine Bewohner dem Herrn. Sie lädt uns wie
jeden Sonntag ein, gemeinsam am Tisch des Wortes der Wahrheit und des Brotes des Lebens
teilzunehmen. Wir haben in der ersten Lesung einen biblischen Text gehört, der
uns die Offenbarung des Namens Gottes vorstellt. Gott selbst, der Ewige und Unsichtbare,
verkündet ihn indem er auf dem Sinai vor Mose in der Wolke vorbeigeht. Sein Name ist
„Der Herr, der barmherzige und gnädige Gott, langsam im Zorn und reich an Gnade und
Treue.“ Der Heilige Johannes fasst im Neuen Testament diesen Ausdruck in einem einzigen
Wort zusammen „Liebe“. (vgl. 1 Joh, 4,8.16)Das bezeugt auch das heutige Evangelium
„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab.“ (Joh.
3,16) Dieser Name drückt also klar aus, dass der Gott der Bibel nicht eine Art von
in sich geschlossener Monade ist, die zufrieden in Selbstgenügsamkeit ruht, sondern
dass er Leben, das sich mitteilen will, und Öffnung und Beziehung ist. Worte wie Barmherzigkeit,
Güte und reich an Gnade sprechen alle von einer Beziehung, besonders von einem lebendigen
Sein, das sich anbietet, das jede Lücke und jeden Mangel schließen will, das geben
und vergeben will, das ein festes und dauerhaftes Band knüpfen will. Die heilige Schrift
kennt keinen anderen Gott als den Gott des Bundes, der die Welt erschaffen hat, um
seine Liebe auf alle Kreaturen auszugießen und der sich ein Volk erwählt hat, mit
dem er einen Ehebund eingehen will, damit es ein Segen für alle Völker wird und so
aus der ganzen Menschheit eine große Familie zu machen (Gen, 12, 1-3; Ex. 19,3-6)
Diese Offenbarung Gottes hat sich im Neuen Testamen dank des Wortes Christi in Fülle
gezeigt. Jesus hat uns das Antlitz Gottes offenbart, der einer ist im Wesen und dreifaltig
in den Personen: Gott ist die Liebe, Liebe – Vater, Liebe – Sohn, Liebe – Heiliger
Geist. Genau im Namen dieses Gottes grüßt der Apostel Paulus die Gemeinde von Korinth
„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters und die Gemeinschaft
des Heiligen Geistes sei mit Euch.“ (2 Kor 13,13) Es ist ein Gruß, der – wie ihr wisst
– zu einer liturgischen Formen geworden ist. In dieser Lesung ist also ein Hauptinhalt,
der Gott betrifft, und tatsächlich lädt uns das heutige Fest ein, Ihn – den Herrn
- zu betrachten, es lädt uns ein, in gewissem Sinne „auf den Berg“ zu steigen wie
es Mose tat. Das scheint uns auf den ersten Blick von der Welt und ihren Problemen
zu entfernen, aber in Wirklichkeit entdeckt man, dass man im näheren Erkennen Gottes
kostbare und praktische Hinweise für das Leben erhält: ein bisschen wie es Moses geschah,
der auf den Berg stieg und in der Gegenwart Gottes das Gesetz auf steinernen Tafeln
erhielt, von denen das Volk die Führung erhielt um weiterzuwandern, um nicht als Sklaven
zurückzukehren, sondern in der Freiheit zu wachsen. Vom Namen Gottes hängt unsere
Geschichte ab. Vom Licht seines Antlitzes unser Weg. Von dieser Wirklichkeit Gottes,
die er selbst uns erkennen ließ, indem er uns seinen Namen geoffenbart hat, kommt
ein bestimmtes Menschenbild, nämlich der genaue Begriff der Person. Wie bekannt ist
dieser Begriff in unserer Kultur des Westens während einer heißen Debatte um die Wahrheit
Gottes, in besonders Jesu Christi entstanden. Wenn Gott eine dialogische Einheit ist,
Substanz in Beziehung, dann spiegelt das menschliche Geschöpf, das nach seinem Bild
und Gleichnis geschaffen ist, diese Verfassung: Sie ist daher berufen, sich im Dialog
zu verwirklichen, im Gespräch, in der Begegnung. Besonders Jesus hat uns geoffenbart,
dass der Mensch wesentlich „Kind“ ist, Geschöpf, das in Beziehung zu Gott-Vater lebt.
Der Mensch verwirklicht sich nicht in einer absoluter Autonomie, indem er sich vorspiegelt,
Gott zu sein, sondern im Gegenteil indem er sich als „Kind“ wieder erkennt, eine offene
Kreatur, ausgestreckt nach Gott und den Geschwistern, in deren Antlitz er das Bild
des gemeinsamen Vaters wieder findet. Man sieht gut, dass dieses Verständnis von Gott
und vom Menschen einem entsprechenden Modell menschlicher Gemeinschaft und daher auch
Gesellschaft zugrunde liegt. Es ist ein Modell, das jeder normierenden, rechtlichen
und institutionellen Regelung vorausgeht – ja – ich möchte sagen – sogar jeder kulturellen
Spezifizierung. Es ist ein Modell der menschlichen Familie durch alle Zivilisationen,
das wir Christen gewöhnlich seit unserer Kindheit ausdrücken, in dem wir sagen, dass
alle Menschen Kinder Gottes sind und daher alle Geschwister. Es handelt sich um eine
Wahrheit, die seit dem Anfang hinter uns steht und gleichzeitig auch vor uns wie ein
Projekt, nach dem wir uns bei jedem sozialen Aufbau ausrichten. Es ist eineKonzeption,
die sich auf die Idee des Dreifaltigen Gottes gründet, des Menschen als Person – nicht
nur als Individuum - und der Gesellschaft als Gemeinschaft - nicht reines Kollektiv Die
Lehre der Kirche, die sich aus dieser Sicht Gottes und des Menschen entwickelt hat,
ist sehr reich. Es reicht, die wichtigsten Kapitel der Soziallehre der Kirche durchzugehen,
zu der meine verehrten Vorgänger besonders in den letzten 120 substantielle Beiträge
geleistet haben, indem sie sich zu echten Interpreten und Führer der Sozialbewegungen
christlicher Inspiration gemacht haben. Die Konzilskonstitution Gaudium et spes und
die Enzykliken von Johannes XXIII, Paul VI und Johannes Paul II zeichnen ein vollständiges
und scharfes Bild und sind so in der Lage, den Einsatz zur Förderung des Menschen
und zum sozialen und politischen Dienst der Katholiken zu motivieren und zu fördern.
Auch meine erste Enzyklika „Deus Caritas est“ bezieht sich auf diesen Horizont: Sie
schlägt tatsächlich die Ausübung der konkreten Caritas durch die Kirche vor, wobei
sie ausgeht vom Glauben an Gott, die Liebe, die in Jesus Christus Fleisch geworden
ist. Ich erinnere hier spontan an den kirchlichen Nationalkonvent von Verona, an dem
ich teilgenommen habe und eine umfassende Reflexion vorgeschlagen habe, die vollständig
aufgenommen wurde in der darauf folgenden Pastoralnote der Bischöfe „Wiedergeboren
zu einer lebendigen Hoffnung“: Zeugen eines großen Ja Gottes zum Menschen. (29.6.
2007) Ich möchte zwei grundlegende Entscheidungen unterstreichen, , die die Bischöfe
in diesem Dokument anführen (Nr.4) Sie stimmen überein mit dem, was eben das Wort
Gottes vorgeschlagen hat. Vor allem die Entscheidung für den „Primat Gottes“. Das
ganze Leben der Kirche und das Werk der Kirche hängen davon ab, dass sie Gott an den
ersten Platz stellen, aber nicht einen allgemeinen Gott, sondern den Herrn mit seinem
Namen und seinem Antlitz, den Gott des Bundes, der sein Volk herausgeführt hat aus
der Sklaverei Ägyptens, der Christus von den Toten auferweckt hat und die Menschheit
in Frieden und Gerechtigkeit zu Freiheit führen will. Die andere Entscheidung
ist die, den Menschen und die Einheit seiner Existenz in den verschiedenen Bereichen,
in denen er sich entfaltet, ins Zentrum zu stellen, sein affektives Leben, die Arbeit
und das Fest, seine eigenen Brüchigkeit, die Tradition und sein bürgerliches Dasein.
Der eine und dreifaltige Gott und die Person in Beziehung. Das sind die zwei Bezugspunkte,
die die Kirche jeder menschlichen Generation als Dienst am Bau einer freien und solidarischen
Gesellschaft vorstellen muss. Die Kirche tut das sicher mit ihrer Lehre, aber vor
allem durch ihr Zeugnis, das nicht umsonst die dritte Fundamentalentscheidung des
italienischen Episkopats gewesen ist: eine persönliche und gemeinschaftliches Zeugnis,
in dem das geistliche Leben, die pastorale Mission und die kulturelle Dimension zusammenfließen.
In einer Gesellschaft zwischen Globalisierung und Individualismus ist die Kirche
berufen, das Zeugnis der koinonia, der Gemeinschaft anzubieten. Diese Wirklichkeit
kommt nicht „von unten“, sondern ist ein Geheimnis, das – so zu sagen – seine „Wurzeln
im Himmel“ hat: im einen und dreifaltigen Gott. Er ist in sich der der ewige Dialog
der Liebe, der sich uns in Jesus Christus mitgeteilt hat und in das Gewebe der Menschheit
und der Geschichte eingetreten ist, um sie zur Fülle zu führen. Und so lautet
die große Synthese des zweiten Vatikanischen Konzils: Die Kirche – Geheimnis der Gemeinschaft
- ist „in Christus ein Sakrament, ein Zeichen und Instrument der innigen Vereinigung
mit Gott und der Einheit des ganzen menschlichen Geschlechtes. (Lumen gentium) Auch
hier in dieser großen Stadt wie auch in ihrem Umland mit der Fülle der entsprechenden
menschlichen und gesellschaftlichen Probleme ist die kirchliche Gemeinschaft heute
wie auch gestern vor allem ein armes, aber wahres Zeichen des Gottes der Liebe, dessen
Namen eingeprägt ist in das tiefe Wesen jeder Person und in jede Erfahrung echter
Gemeinsamkeit und Solidarität. Nach diesen Überlegungen – liebe Brüder – möchte
ich euch ein paar spezielle Ermahnungen geben. Sorgt für die spirituelle und katechetische
Ausbildung, eine substanzielle Ausbildung, die heute mehr denn je nötig ist, um die
christliche Berufung in der Welt von heute zu leben. Das sage ich den Erwachsenen
und den Jugendlichen. Pflegt einen überlegten Glauben, der fähig ist einen Dialog
mit allen zu führen, mit den nichtkatholischen Brüdern, mit den Nichtchristen und
den Nicht-Glaubenden. Treibt euer großzügiges Teilen mit den Armen und Schwachen nach
der originellen Praxis der Kirche voran, indem ihr immer aus der Eucharistie Inspiration
und Kraft zieht. Sie ist eine ewige Quelle der Liebe. Ich ermutige mit besonderer
Zuneigung die Seminaristen und die Jugendlichen, die sich auf einem Berufungsweg befinden.
Habt keine Angst, sondern im Gegenteil, sondern fühlt das Anziehende von definitiven
Entscheidungen, eines ernsthaften und anspruchsvollen Bildungsweges. Nur das hohe
Maß der Jüngerschaft fasziniert und gibt Freude. Ich ermahne alle, in der missionarischen
Dimension zu wachsen, die ebenso wesentlich wie die Gemeinschaft ist. Die Dreifaltigkeit
ist de facto gleichzeitig Einheit und Sendung. Je intensiver die Liebe ist, umso größer
ist der Drang sie auszugießen, sie auszuweiten und sie mitzuteilen. Kirche von Genua,
sei einig und missionarisch, um allen die Freude des Glaubens mitzuteilen, sowie die
Schönheit, Familie Gottes zu sein. Meine Gedanken weiten sich aus auf die ganze Stadt,
auf alle Genuesen und auf alle, die auf diesem Territorium leben und arbeiten. Liebe
Freunde, schaut mit Vertrauen auf die Zukunft und versucht, sie gemeinsam zu bauen,
vermeidet Parteiungen und Partikularismen. Setzt das Gemeinwohl vor berechtigte Einzelinteressen.
Ich möchte mit einem Wunsch schließen, den ich dem wundervollen Gebet des Mose
entnehme, das wir in der ersten Lesung gehört haben. Der Herr gehe immer mitten unter
euch und mache aus euch sein Erbe (vg. Ex.34,9). Das erbitte euch Maria Santissima,
die die Genuesen in der Heimat und in der ganzen Welt als die Madonna della Guardia
anrufen. Mit ihrer Hilfe und der Hilfe der heiligen Patrone dieser geliebten Stadt
und Region sei euer Glaube und seien eure Werke zum Lob und zur Verherrlichung der
allerheiligsten Dreifaltigkeit. Folgt dem Beispiel der Heiligen dieser Erde und seid
eine missionarische Gemeinde: im Hören auf das Wort Gottes und im Dienst an den Menschen.
Amen. (rv 18.05.2008 mc) Dies ist eine Arbeitsübersetzung nach dem vorab der
deutschen Redaktion von Radio Vatikan zur Verfügung gestellten Manuskript. Es gilt
das gesprochene Wort! Die offizielle Fassung finden Sie in der deutschsprachigen Ausgabe
des Osservatore Romano.