Auf den ersten Blick: ein prachtvoller Bildband – und doch sehr viel mehr als das.
Denn hier werden nicht einfach nur die lauschigsten Kreuzgänge und die romanischsten
Kloester hübsch bebildert; dieses Unternehmen ist ungleich ambitionierter. Die Spuren
des hl. Benedikt und seines Ordens sollen quer durch die Kunstgeschichte verfolgt
werden.
Doch das ist, von nahem besehen, eigentlich ein riskantes Unterfangen,
und auch das Vorwort betont das recht offensiv. Auf der einen Seite das Leben eines
Heiligen, der alles mögliche war, aber kein Künstler. Und auf der anderen Seite das
Zentralmassiv der Kunstgeschichte, aufgebrochen auf benediktinische Schichten hin.
Gewisse Zweifel mögen sich noch verstärken, wenn man sich dann in die konkreten Artikel
vertieft – alle verfasst von Benediktinern und Experten, häufig beides in Personalunion.
Da lehrt uns der erste Aufsatz in erfrischender Offenheit, dass wir eigentlich von
Benedikt überhaupt nichts wissen (können); das Buch der “Dialoge”, die einzige Lebensbeschreibung
des Heiligen, sei wahrscheinlich fiktiv, und Gregor der Grosse sei wohl auch nicht
sein Verfasser. Andere Aufsätze des gleichen Bandes gehen dann aber unmittelbar darauf
doch von der Biographie in den “Dialogen” und vom Verfasser Gregor aus – als wäre
vorher nichts gewesen. Dafür zersetzt dann der zweite Aufsatz den Eindruck, vor den
Benediktinern habe es sowas wie westliches Mönchtum eigentlich noch nicht gegeben,
indem er Gegenbeispiele präsentiert. Und die Langobarden, die großen Zerstörer des
Montecassino, werden im gleichen Atemzug als mögliche Förderer des Mönchtums rehabilitiert.
Diese
Aufsätze sind also nicht nur schmückende Beigabe zu prachtvollen Bildern, sondern
stehen auf eigenen Füssen und erlauben einen völlig neuen und überraschenden Blick
auf das benediktinische Mönchtum. Und die Bilder – das merkt man beim genaueren Lesen
– sind wirklich behutsam ausgewählt, um die Aufsätze zu illustrieren.
Das
ist kein schneller, einfacher Fotobildband geworden, sondern eine manchmal sperrige,
manchmal atemberaubende, aber immer interessante Einführung in das Wesen der benediktinischen
Lebensweise. Ideal nicht nur zum Verschenken, sondern vor allem zum Selberlesen.
Roberto
Cassanelli: Benediktinische Kunst Verlag: Schnell und Steiner Preis:
ca. 89 Euro Besprochen von: Stefan von Kempis