Das kleine lateinamerikanische
Land Bolivien erlebt derzeit eine schwere Krise: Mehrere Provinzen, die von der Opposition
beherrscht werden, versuchen den Präsidenten zu entmachten. Der Sozialist Evo Morales,
erster Indio im Amt des Staatschefs, muss sich bis zum Sommer einem Referendum stellen.
Dabei wird er abgewählt, wenn er nicht wieder die 53 Prozent erreicht, mit denen er
ins Amt kam. Das Referendum kann allerdings auch zu einer Absetzung der Provinzpräfekten
führen.
Schon lange ist in Bolivien ein heftiger Streit zwischen Regierung
und Opposition im Gang. Dabei geht es um ein ganzes Bündel von Themen, u.a. um eine
von Morales gegen die Opposition durchgesetzte neue Verfassung. Dem Land droht eine
Spaltung zwischen reichen und armen Provinzen, zwischen Anden-Hochland und fruchtbarer
Tiefebene. Seit drei Monaten versucht nun Kardinal Julio Terrazas zwischen beiden
Seiten zu vermitteln. Seine offizielle Aufgabe ist es, den „Dialog zu erleichtern“.
Terrazas ist Präsident der Bischofskonferenz und Erzbischof der Stadt Santa Cruz,
deren Gouverneur wiederum Wortführer der Anti-Morales-Bewegung ist. Dass der Kardinal
Anfang des Monats beim Autonomie-Referendum für Santa Cruz ebenfalls zu den Urnen
gegangen ist, hat nun den Zorn der Opposition erregt: Damit disqualifiziere sich der
Kardinal doch als neutraler Vermittler zwischen den Streitenden. Der Kardinal wendet
ein, als Bürger von Santa Cruz sei es doch sein Recht, an der Wahl teilzunehmen. Und
Vizeminister Hector Arce, enger Vertrauter von Präsident Morales, bekräftigt, Terrazas
dialog-erleichternde Arbeit sei „weiter hochwillkommen“, und überhaupt dürfe sich
in dem Streit vermittelnd engagieren, wer wolle – etwa die Organisation Amerikanischer
Staaten (OAS) oder auch die EU. Die Kirche warnt eindringlich vor der Gefahr einer
Spaltung Boliviens; einem neu ernannten Nuntius hat der vatikanische Kardinalstaatssekretär
Tarcisio Bertone Ende April die Worte mit auf den Weg gegeben: „Dich erwartet ein
Land voller Hoffnungen, aber auch voller wirtschaftlicher und sozialer Spannungen.“ (rv
15.05.2008 sk)