D: Die Individualismusfalle - Warum die Lebensfreude schwindet und wie wir das ändern
können
Lebenshilfe liegt
im Trend – und so sind die Regale in den Buchhandlungen prall gefüllt mit vielen mehr
oder weniger hilfreichen Druckerzeugnissen zu allerlei menschlichen Problemen. Jetzt
hat sich auch ein Ordensmann gemeinsam mit einem Investment-Banker an dieses Genre
gewagt und ein Buch über die „Individualismusfalle“ geschrieben. Was es damit auf
sich hat, weiß Gudrun Sailer:
Individualismus – das ist eigentlich ein positiv
besetzter Begriff. Wer sich „individuell“ kleidet, sticht aus der Masse hervor und
ist „etwas Besonderes“. Aber – übertriebener Individualismus tötet die Lebensfreude,
davon ist der Dominikaner Johannes Weise (32) überzeugt und führt in seinem Buch dafür
zahlreiche Beispiele an. „Statt in den Sportverein zu gehen, geht man in die
Muckibude und dann läuft man halt so auf ein einem Band so vor sich hin, anstatt miteinander
joggen zu gehen im Wald. Jeder macht dann sein Trainingsprogramm, anstatt miteinander
zu trainieren…“ Es liege an jedem Einzelnen, wie er sein Leben gestaltet und
mit wem er es verbringt, ob es zu einer Entwicklung von Lebensfreude kommt oder nicht: „Wir
tendieren dazu, dass jeder sein „eigenes Ding“ macht. Und darüber geht die Lebensfreude
verloren, weil sie einfach im Miteinander liegt. Ganz viel Lebensfreude liegt darin,
dass wir Dinge miteinander machen.“ Der tiefere Grund für diese lebensverneinende
Tendenz, die die Menschen letztlich einsam macht, sei ein falscher Freiheitsbegriff,
so der in Freiburg lebende Dominikaner. „Freiheit hat mittlerweile eine Bedeutung
bekommen von „Jederzeit alle Möglichkeiten haben und sich entscheiden können.“. Ich
glaube aber, dass Freiheit ist eigentlich, „sich selbst entfalten können“. Das ist
eine Akzentverschiebung! In diesem Begriff von Freiheit liegt auch dieses „Sich Binden“,
um sich selbst finden zu können. Das ist auch ein religiöses Thema; aber ich glaube,
das ist die Grundwahrheit über den Menschen. Nur indem mich an etwas fest mache, werde
ich frei, ich selbst zu sein.“ Das Buch hat Johannes Weise zusammen mit dem
Investment-Banker Wolfgang Kiener geschrieben, der außerhalb des kirchlichen Rahmens
Erfahrungen von exzessivem Individualismus gemacht hat. Ihr gemeinsames Werk erscheint
in der Reihe „dtv-Premium“ – und bewusst nicht in einem traditionell „katholischen“
Verlag. „Es ist für Leute geschrieben, die sagen: Ich interessiere mich für
die Frage nach Lebensfreude; und ich möchte das nicht religiös verbrämt haben, und
ich will nicht hören, was die katholische Kirche schon immer gesagt hat. Sondern ich
will einen neutralen Zugang zur Frage haben; deswegen ist es sozusagen möglichst „religionsfrei“
geschrieben. Natürlich auf dem Hintergrund eines Menschenbildes.“ Für den Ordensmann
steckt letztlich eine religiöse Dimension dahinter: „Also ich bin fest davon
überzeugt, dass Gott möchte, dass wir Leben in Fülle haben und dass alle unsere tiefsten
Sehnsüchte zur Entfaltung kommen sollen und das wir dem nachgehen können: Das kann
man religiös beschreiben, das tun wir ja von früh bis spät als Ordensbrüder. Aber
das kann man auch nicht-religiös beschreiben, denn es geht um die tiefsten Sehnsüchte
des Menschen und die hat jeder. Die kann man in solche oder solche Sprache packen.“ Wer
„billige“ Lebenshilfe erwartet, der wird von dem Buch allerdings enttäuscht werden: „Die
Vorschläge in dem Buch bleiben irgendwie unbestimmt. Viele Leute nehmen das Buch und
wollen wissen „Was soll ich denn jetzt machen?“ Aber es ist eher eine Anleitung zum
Nachdenken und aus sich heraus selber etwas entwickeln und seinen Sehnsüchten auf
die Spur kommen, und auch dem auf die Spur kommen, was kann ich denn machen, um mehr
Lebensfreude zu entfalten. Das kann man niemandem vorschreiben. Jeder hat andere Entfaltungsmöglichkeiten
in sich und muss dem auf die Spur kommen, wie er es machen kann.“
Frater
Johannes Weise OP / Wolfgang Kiener Die Individualismusfalle. Warum die Lebensfreude
schwindet und wie wir das ändern können. DTV-Premium 2008. Preis: Ca. 15 €.