Nicht im Abseits stehen
will die katholische Kirche während der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich
und der Schweiz. Sie startet eine Offensive und bietet vor wie während der Euro 08
ein breites kirchliches Rahmenprogramm. Diese Woche gab es dafür sogar den päpstlichen
Segen. Das Motto: „Kirche 08 – am Ball seit 2008 Jahren“. Ein Beitrag zum
Lesen und Hören von Birgit Pottler.
Nicht ins Abseits drängen lassen
will sich die katholische Kirche während der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich
und der Schweiz. Sie startet eine Offensive und bietet vor wie während der Euro 08
ein breites kirchliches Rahmenprogramm. Diese Woche gab es sogar den päpstlichen Segen.
Das Motto: „Kirche 08 – am Ball seit 2008 Jahren“.
Warum das Engagement?
Die Frage geht an Michael Scharf, Pastoralamtsleiter der Erzdiözese Wien, einer von
zwei Vertretern der Österreichischen Kirche in der binationalen Arbeitsgruppe. „Ganz
einfach, die Europameisterschaft ist ein gesamtgesellschaftliches Ereignis, als Kirche
sind wir Teil der Gesellschaft, deshalb müssen wir bei der Europameisterschaft auch
dabei sein. Ich glaube, dass es eine Verantwortung der Kirche ist, bei Großereignissen,
zu denen die Menschen aus der ganzen Welt kommen werden, einfach Christus präsent
zu halten und den Menschen Christus zu zeigen, Menschen willkommen zu heißen, für
sie da zu sein.“ Gerade in Österreich sei es für viele ungewöhnlich,
dass Kirche sich bei einem so säkularen Ereignis wie der Europameisterschaft engagiere,
„aber ich denke, Christus muss überall hingebracht werden, auch bei der Europameisterschaft,
das ist unsere Botschaft. Und wir wollten einen Anpfiff zum Glauben geben. In
Wien haben wir ein Friedenszelt, das wir am Platz am Hofbetreuen werden,
wo wir Menschen einladen, sich hinzusetzen, etwas zu trinken, etwas zu essen, wo wir
täglich bis zu 200 Freiwillige haben werden, die zu Gesprächen und zum Austausch bereit
sind. Dort werden wir kleine Karton-Fußballspiele verteilen, mit unserem Programm
und einer Schiedsrichter-Pfeife und mit unserem Motto ,Wir wollen einen Anpfiff zum
Glauben geben’. Fragen auf den Karten laden zur Besinnung und zum Nachdenken ein.“
Stadionatmosphäre
gibt es auch. Was sich bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland bewährte, soll
auch in Österreich zum Anziehungspunkt werden: Public-Viewing auf Plätzen und in Pfarrgemeinden.
Österreich – einig Fußballland? „In den Pfarren ist es durchaus gemischt. Es
gibt Pfarren, die ganz, ganz engagiert sind, die jetzt schon Missionen planen, die
Evangelisationen planen. Bis hin zu Pfarren, die sich in direkter Konkurrenz mit dem
Sportverein sehen, wie die ihre Spiele oft am Sonntagvormittag zeitgleich zum Gottesdienst
haben. Und deshalb sagen sie, sie werden die Europameisterschaft nicht nutzen, um
Werbung für den Fußball zu machen… Ich glaube aber, immer wenn wir als Kirche
in einer Konkurrenzsituation sind - und das sind wir nicht nur dem Fußball oder dem
Sport gegenüber, sondern in vielerlei Hinsicht - , dann ist das für mich ein Ansporn,
unser Programm noch einmal besser zu machen, so dass die Menschen nicht auf die Idee
kommen, irgendwo anders hinzugehen am Sonntagvormittag. Dass sie sagen, ich muss in
den Gottesdienst gehen, weil ich, wenn ich nicht dort bin, für die kommende Woche
so viel versäume, dass ich unbedingt dabei sein muss.“ Die Heiligung des Sonntags
spielt auch bei der Debatte über die Ladenöffnungszeiten eine Rolle. Die österreichische
„Allianz für den Sonntag“ wird sich dafür einsetzen, dass es bei einmaligen Sondererlaubnissen
für die Geschäfte bleiben wird. Doch diese gesellschaftlichen Fragen überwiegen nicht
beim kirchlichen Rahmenprogramm zur Fußball-Europameisterschaft. Zwar gibt es ein
Integrationsfußballturnier und ein Interreligiöses, „aber bei uns in der Diözese
ist der Hauptfokus, den Menschen Christus zu zeigen, weil wir, angefangen von der
Stadtmission und anderen Veranstaltungen, einfach die Erfahrung gemacht haben, die
Menschen warten darauf, dass wir ihnen Christus zeigen. Und gerade die Menschen, die
nicht in die Kirche gehen, nicht kirchlich sozialisiert sind, heißen Kirche total
willkommen, sind sehr offen für eine wirklich christliche Botschaft.“
Kirche
08 ist ökumenisch. Reformierte, Katholiken und Alt- bzw. Christkatholiken arbeiten
in der Schweiz zusammen, in Österreich erstmals überhaupt der Ökumenische Rat der
Kirchen und die Evangelische Allianz. Scharf erklärt: „Die evangelische Allianz
ist in Österreich ein Zusammenschluss von Einzelpersonen, die aus Freikirchen, evangelikalen
Kirchen, Pfingstkirchen aber auch aus der evangelischen und katholischen Kirche kommen,
so dass in unserem Land Ökumene erstmals über den Rat der Kirchen hinausgeht.
Kirche
08 holte sich rund einen Monat vor Beginn des Fußballsommers den päpstlichen Segen.
Eigens dafür reisten eine Delegation des Österreichischen Fußballbundes mit dem Präsidenten
an der Spitze, der Sportstaatssekretär, der Grazer Weihbischof und rund 30 Journalisten
zur Generalaudienz nach Rom. Michael Scharf meint: „Es hat ja schon beim Papstbesuch
eine Begegnung gegeben zwischen dem Österreichischen Fußballbund und dem Heiligen
Vater. Das ist sozusagen ein Gegenbesuch, eine Art Wallfahrt, um den Heiligen Vater
um seinen Segen für die ganze Veranstaltung zu bitten.“
Die Kirche selbst
sei ja außerdem nicht nur Europameister… „Auf jeden Fall Weltmeister! Weil es
die Kirche seit 2000 Jahren gibt und die Kirche das älteste, größte und erfolgreichste
Unternehmen ist, das seit der Schaffung der Welt existiert.“
Das erfolgreichste
Unternehmen der Welt und deren schönste Nebensache – gibt es Gemeinsamkeiten? „So
wie ich im Fußball nicht egoistisch auf das Tor laufen kann, sondern immer schauen
muss, wer spielt rechts, wer spielt links von mir, ist jemand hinter mir in einer
besseren Position, um den Angriff leiten zu können, so ähnlich ist es auch in der
Kirche. Ich kann nicht alleine Christ sein, ich brauche den Leib Christi. Beim Fußball
geht es um Begeisterung und Hingabe, ich muss ganz auf ein Ziel fokussiert sein, ich
muss auf dieses Ziel hintrainieren. Ich muss meine Energie in diesem Moment abrufen
können, ich muss diese Energie herauslassen können. Das gilt auch für die Kirche.
Sie ist neben dem Fußballplatz wahrscheinlich der einzige Ort, wo so viel gelacht
und geweint wird. Es ist wie in der Kirche, wo es um Hingabe an Christus geht, wo
es um ein eindeutiges Ziel geht.“
Einen Tipp für das Duell der Nachbarn
Deutschland-Österreich will der Wiener Pastoralamtsleiter nicht geben. Wie aber ist
dann die 3:2 auf Schirmmützen, Taschen und Jacken der kirchlichen Mitarbeiter und
ehrenamtlichen Helfer zu verstehen? „Numbers of hope: 3:2. Es ist einerseits
eine Botschaft der Hoffnung für das österreichische Nationalteam, andererseits ein
Zitat aus dem Matthäusevangelium, wo es heißt: Kehr um und glaube an das Evangelium.
Das ist die eigentliche Botschaft. Kehr um und glaube an das Evangelium, weil Christus
die Hoffnung der Welt ist.“
Der Terminhinweis: Die Euro 08 dauert vom
6. bis 29. Juni.