D/Nahost: Aachener Friedenspreis an Pfarrer von Bethlehem
Der internationale
Aachener Friedenspreis geht in diesem Jahr an die israelische Frauenorganisation MachsomWatch
und den evangelischen Pfarrer der Weihnachtskirche in Bethlehem, Mitri Raheb. Die
Preisträger engagierten sich auf vorbildliche Weise „von unten“ für den Frieden im
Nahen Osten heißt es zur Begründung. „Ich stamme aus der Stadt, wo vor über 2.000
Jahren die Hoffnung geboren wurde“, sagt Mitri Raheb über seinen Geburts- und Arbeitsort:
Raheb ist Pfarrer der 220 Seelen kleinen lutherischen Gemeinde Bethlehems. Sie ist
nur eine winzige Minderheit unter den Christen, die selbst wiederum eine schrumpfende
Minderheit in ihrer muslimisch geprägten Gesellschaft sind. Komplexe hat der Palästinenser
deswegen nicht: Die Projekte, die der 46-Jährige aufzieht, tragen immer visionäre
Züge. „Die Idee war, dass ein Dialog zwischen Israelis und Palästinensern nicht
funktioniert, wenn der Dialog innerhalb Palästinas und innerhalb Israels nicht funktioniert.
Man sieht jetzt auch zum Beispiel anhand der Probleme zwischen Hamas und Fatah, wie
wichtig es ist, dass die politische Kultur in Palästina verstärkt wird. Hier sehen
wir unseren Beitrag.“ Kunst und Kultur sieht der Pfarrer als einen Weg, sich
inmitten von Schwierigkeiten und Gewalt die eigene Identität, freies Denken und Kreativität
zu bewahren. Er halte nicht viel davon, „den Christen hier alles auf einem goldenen
Teller zu servieren“, sagt er mit Seitenblick auf westliche Hilfsprojekte, die seiner
Ansicht nach eine bequeme Bettelkultur fördern. Vielmehr müsse man den Menschen Arbeit
und eine Vision für die Zukunft zu geben. Christen seien keine Zuschauer: „Wir
sollten, dürfen und müssten einen gesellschaftsbezogenen Beitrag leisten. Wir müssen
über den Tellerrand hinausblicken.“ Das Heilige Land stehe jetzt an einem Scheidepunkt.
Was den Friedensprozess angeht, ist der neue Träger des Friedenspreises nicht optimistisch.
Er befürchtet den Zusammenbruch des derzeitigen Systems: „Ich denke, wir steuern
voller Kraft in Richtung eines Apartheitheitssystems. Das Projekt Israel ist an der
Besatzung gescheitert, und das Projekt Palästina ist ebenso gescheitert. Nur keiner
von beiden, will das wahr haben. Ich vermute, dass wir noch zwei weitere Generationen
unter einer ganz unmöglichen Situation leiden, bis das dann zusammenkracht. Das bedeutet
aber nicht, dass wir aufgrund dieser pessimistischen Lage abhauen, zu Fundamentalisten
werden oder in Konsumismus verharren. Mir gibt das im Gegenteil mehr Kraft: Die einzige
Alternative die wir haben – auch wenn wir wüssten, dass die Welt morgen untergeht
– ist, dass wir heute in den Garten gehen, in die Gesellschaft, und dort Olivenbäume
pflanzen.“