Europäer und US-Amerikaner
halten die Bibellektüre keineswegs für passé. Das ist eines der Ergebnisse einer neuen
vergleichenden Studie aus verschiedenen Ländern, die im Auftrag der Katholischen Bibelföderation
erstellt und an diesem Montag im Vatikan präsentiert wurde. Demnach haben in den vergangenen
zwölf Monaten in Europa zwischen 20 und 38 Prozent der Befragten mindestens einmal
die Bibel zur Hand genommen, in den USA 75 Prozent. Der Koordinator der Studie, Luca
Diotallevi, schließt daraus:
„Aus den von uns erhobenen Daten geht hervor,
dass die Säkularisierung ein Prozess ist, der das religiöse Fühlen nicht aus den Herzen
und der Seele der Menschen verbannt. Die kritische Phase ist dann aber der Übergang
zwischen Bibellektüre und religiöser Praxis.“
Für Bischof Vincenzo Paglia,
Präsident der Katholischen Bibelföderation, sind es noch zu wenige Menschen, die in
der Bibel das Buch ihres spirituellen Lebens sehen. Als eine große Gefahr bei der
Bibellektüre sieht er eine fundamentalistische Leseweise. Fundamentalismus entstehe
dort, wo sich verunsicherte Menschen zur Bibel wendeten, ohne sie wirklich zu verstehen.
Allerdings gibt der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Erzbischof Gianfranco Ravasi,
teilweise Entwarnung:
„Es beruhigt, dass die Hälfte der Interviewten in
Italien und den USA eine Interpretation der Schrift für unerlässlich hält. Die hermeneutische
Komponente wird als Grunderfordernis wahrgenommen. Im Gegenzug dazu steht die fundamentalistische
Tendenz, doch war ich überrascht davon, dass sie weniger einschneidend ist, als ich
dachte, und auch die Gründe dafür von außen kommen. Dazwischen ist noch eine reduktionistische
Lesart der Bibel beobachtbar, die die Schrift auf eine Collage von Mythen oder historischen
Elementen reduziert. Heute gibt es ja eine Reihe von Interpretationsmethoden - rhethorische,
soziologische, anthropologische, semiotische Analysen – es gibt aber auch die der
Annäherung des Gläubigen an die Schrift. Auf diesem Weg müssen wir weitergehen und
die Notwendigkeit einer Schriftinterpretation lebendig halten.“
Die Studie
über Bibellektüre wurde im Hinblick auf die im Herbst tagende Weltbischofssynode erstellt.
Diese tritt vom 5. bis 26. Oktober im Vatikan zusammen und steht unter dem Motto „Das
Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“.