Botschafter Horstmann: "Multilaterale Diplomatie in der Globalisierung"
Sehr verehrte Hörerinnen,
sehr verehrte Hörer, die große Rede von Papst Benedikt XVI. vor der Generalversammlung
der Vereinten Nationen am 18. April war nicht nur ein Höhepunkt im Leben der Weltorganisation,
sondern für alle Staaten der Erde, für die Weltgesellschaft. Der Papst gab Leitlinien
für ein Leben in Frieden und Wohlstand bei Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Die
Vereinten Nationen haben eine Charta, auf die alle ihre Mitglieder verpflichtet sind,
und in der die Grundwerte und Prinzipien des Völkerrechts verankert sind. In diesem
Jahr begehen wir das 60ig-jährige Jubiläum der Verkündung der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte. Beide Dokumente enthalten Regeln für das Zusammenleben der
Staaten und ihre Pflichten gegenüber den Menschen, die auch in der Zukunft eingehalten
werden müssen, um der weiter wachsende Weltbevölkerung ein Leben in Frieden und Gesundheit
zu ermöglichen.
Was konnte der Papst dem noch hinzufügen?
Benedikt XVI.
ist das Haupt der Römisch-Katholischen Kirche. Er ist zugleich eine von der ganzen
Weltgesellschaft anerkannte, über den Interessen der Staaten oder gesellschaftlicher
Gruppen stehende, moralische Autorität.
Er verteidigte nicht nur von Staaten
oder internationalen Organisationen gesetztes, und das heißt eben auch veränderbares
Recht. Er begründete den Geltungsanspruch der universalen Normen des Völkerrechts.
Ihre Verankerung liegt in vorgegebenen Normen des Naturrechts, die für Menschen nicht
verfügbar sind.
Dies spiegelt sich auch im Aufbau des Grundgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland, das in Artikel 1 die Würde des Menschen schützt und danach die grundlegenden
Freiheiten und Werte garantiert, die den deutschen Staat tragen.
Die Kraft
solcher, wie die Katholische Kirche sagt, "nicht verhandelbarer" Werte, bewahrt Mensch
und Natur. Diese Werte prägen nicht nur die christliche, westliche Kultur, sie existieren
in der arabischen Welt, in den ostasiatischen Kulturen und Staaten. Diese Werte gelten
global. Keine Willkür staatlicher oder gesellschaftlicher Instanzen kann an ihrer
Geltung etwas ändern.
Multilaterale Diplomatie, also das Aushandeln von verbindlichen
Regeln unter einer Vielzahl von Staaten, nicht nur bilateral unter Zweien, hat in
den Zeiten beschleunigender Globalisierung fundamentale Bedeutung. Die deutsche
Diplomatie ist deshalb in diesen Verhandlungsprozess mit großem Nachdruck eingeschaltet.
Während in früheren Jahrhunderten solche multilateralen Verhandlungen nur selten,
meistens zum Abschluss grosser Friedensverträge geführt wurden, wie auf dem Wiener
Kongress, gibt es heute weltweite, ständige Organisationen, nicht nur ad hoc einberufene
Versammlungen für eine gewisse Zeit. Die Bundesrepublik Deutschland ist bei vielen
dieser Organisationen mit ständigen Vertretungen engagiert. Der sachliche Gegenstand
der Aufgabe multilateraler Diplomatie hat sich enorm ausgeweitet. Während es früher
vornehmlich um Frieden und Sicherheit ging, geht es heute, bei aller Bedeutung, die
Sicherheitsfragen natürlich nach wie vor besitzen, zum Beispiel um den internationalen
Handel in der Welthandelsorganisation, die Welternährung in der Welternährungsorganisation
und der Umweltschutz im Programm der vereinten Nationen für die Umwelt.
Die
Erkenntnis der ständig wachsenden Verflechtung der Staaten und ihrer Völker auf der
ganzen Welt hat das Bewusstsein geschärft, dass tragfähige Lösungen für die globalen
Herausforderungen die Beachtung der auf der menschlichen Würde aufbauenden Grundwerte
voraussetzen.
Papst und Kurie sind im Bemühen um die Regelung der Weltprobleme
eminent wichtige Akteure. Deutschland und der Heilige Stuhl werden sich auch künftig
für eine effektive multilaterale Diplomatie einsetzen und eng zusammenarbeiten.