Papstansprache bei der Begegnung mit Jugendlichen im Priesterseminar
Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe junge Freunde, verkündet Christus
den Herrn, und „seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der
Hoffnung fragt, die euch erfüllt!“ (1 Petr 3,15). Mit diesen Worten aus dem ersten
Petrusbrief grüße ich jeden von euch mit herzlicher Zuneigung. Ich danke Kardinal
Egan für seine freundlichen Begrüßungsworte und danke auch euren Vertretern für den
freudigen Empfang, den sie mir bereitet haben. Besonders grüße ich Bischof Walsh,
den Rektor des „Saint Josephs“-Priester-Seminars, das Personal und die Seminaristen
und drücke allen meine Dankbarkeit aus.
Liebe jungen Freunde, ich bin sehr
glücklich, die Gelegenheit zu haben, mit euch zu reden. Übermittelt bitte meine herzlichen
Grüße euren Familienmitgliedern und euren Eltern, wie auch den Lehrern und dem Personal
der verschiedenen Schulen, Colleges und Universitäten, zu denen ihr gehört. Ich weiß,
dass viele intensiv daran gearbeitet haben, dieses Treffen zu ermöglichen. Ich bin
ihnen sehr dankbar. Ich möchte auch meinen Dank ausdrücken für das Geburtstagsständchen
„Happy Birthday“! Danke für diese bewegende Geste; ich gebe euch allen die Note „Eins
Plus“ für eure deutsche Aussprache! Heute Abend möchte ich mit euch einige Gedanken
teilen über das Jünger-Jesu-Christi-Sein – unterwegs auf den Spuren des Herrn wird
unser Leben zu einer Reise der Hoffnung.
Ihr habt vor euch die Bilder von sechs
Frauen und Männer, die aufgewachsen sind, um jeweils ein außergewöhnliches Leben zu
führen. Die Kirche verehrt sie als „Diener Gottes“, als Selige oder als Heilige: Jeder
von ihnen hat auf den Ruf Gottes zu einem Leben der Liebe geantwortet, und jeder hat
Ihm hier gedient in diesen Straßen, Gassen und Vierteln von New York. Ich bin beeindruckt,
wie unterschiedlich sie sind: Arme und Reiche, Männer und Frauen im Laienstand – eine
war Ehefrau und wohlhabende Mutter – Priester, Ordensschwestern, Immigranten von fernen
Ländern, die Tochter eines Mohawk-Kriegers und eine Mutter aus dem Stamm der Algonquin,
ein anderer war haitianischer Sklave und einer ein Intellektueller aus Kuba.
Die
heilige Elisabeth Anna Seton, die heilige Franziska Xaveria Cabrini, der heilige Johannes
Neumann, die selige Kateri Teakwitha, der ehrwürdige Pierre Toussaint und Pater Felix
Varela: jeder von uns könnte unter ihnen stehen, denn es gibt kein Stereotyp für diese
Gruppe, kein uniformes Modell. Aber wenn man genauer hinschaut, dann zeigen sich gemeinsame
Elemente. In Liebe zu Jesus entflammt ist ihr Leben jeweils zu einem außergewöhnlichen
Weg der Hoffnung geworden. Für einige bedeutete dies, ihre Heimat zu verlassen und
eine Pilgerfahrt von mehreren Tausend Kilometern zu beginnen. Für jeden von ihnen
bedeutete es, sich ganz Gott zu überlassen in dem Vertrauen, dass Er das letzte Ziel
jedes Pilgers ist. Alle haben sie denjenigen, denen sie auf ihrem Weg begegneten,
eine „ausgestreckte Hand“ der Hoffnung angeboten, und nicht selten erweckten sie in
ihnen den Glauben. Diese sechs Persönlichkeiten haben unzähligen Menschen – vielleicht
auch ihre eigenen Vorfahren – den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe eröffnet
durch Waisenhäuser, Schulen und Krankenhäuser; indem sie sich der Armen, Kranken und
Ausgestoßenen annahmen und durch das gewinnende Zeugnis, das entsteht, wenn man demütig
den Spuren Jesu folgt.
Und heute? Wer trägt heute das Zeugnis der Frohen Botschaft
Jesu in die Straßen New Yorks, in die unruhigen Viertel am Rand der großen Stadt,
an die Orte, an denen Jugendliche sich zusammenfinden auf der Suche nach etwas, dem
sie vertrauen können? Gott ist unser Ursprung und unser Ziel, und Jesus ist der Weg.
Diese Reise folgt manchmal – wie bei unseren Heiligen – Schlangenlinien und geht durch
die Freuden und Prüfungen des normalen täglichen Lebens: Im Innern eurer Familien,
in der Schule oder in den Colleges, in eurer Freizeit und in euren Pfarrgemeinden.
Alle diese Orte sind geprägt von der Kultur, in der ihr aufwachst. Euch als jungen
Amerikanern bieten sich viele Möglichkeiten für die persönliche Entwicklung, und ihr
habt eine Erziehung genossen mit Sinn für Großzügigkeit, für Hilfsbereitschaft und
für Fairness. Aber ich brauche euch nicht zusagen, dass es auch Schwierigkeiten gibt:
Verhaltens- und Denkweisen, die die Hoffnung ersticken; Wege, die scheinbar zum Glück
und zur Erfüllung führen, die aber einfach nur in Durcheinander und Angst enden.
Meine
Jahre als „Teenager“ sind ruiniert worden von einem unglückseligen Regime, das glaubte,
für alles Antworten zu haben; sein Einfluss wuchs – und drang in Schulen und andere
gesellschaftlichen Einrichtungen ein, wie auch in die Politik und sogar in die Religion
– bevor man erkannte, was für ein Monstrum dieses Regime war. Dieses Regime ächtete
Gott, und so wurde es unempfänglich für alles, was es an Wahrem und Gutem gab. Viele
Eurer Eltern und Großeltern werden euch von dem Horror der Zerstörung erzählt haben,
der darauf folgte. Einige von ihnen kamen in der Tat nach Amerika, um diesem Terror
zu entkommen.
Danken wir Gott dafür, dass heute viele eurer Generation in der
Lage sind, die Freiheiten zu genießen, die hervorgegangen sind dank der Ausbreitung
der Demokratie und der Respektierung der Menschenrechte. Danken wir Gott für alle,
die dafür kämpfen, dass ihr in einem Umfeld aufwachsen könnt, dass das Schöne, Gute
und Wahre kultiviert: Für Eure Eltern und Großeltern, für eure Lehrer und Priester
und für jene zivilen Autoritäten, die das Richtige und Gerechte suchen.
Gleichwohl
bleibt die zerstörerische Macht erhalten. Anderes zu behaupten würde bedeuten, sich
selbst etwas vorzumachen. Aber diese Macht wird niemals triumphieren; Sie ist besiegt
worden. Das ist das Wesen der Hoffnung, die uns als Christen unterscheidet; die Kirche
erinnert daran in sehr dramatischer Weise während der drei österlichen Tage, und sie
feiert es mit großer Freude in der Osterzeit! Er, der uns den Weg jenseits des Todes
weist, ist es, der uns zeigt, wie wir Zerstörung und Angst überwinden können: Also
ist Jesus der wahre Meister des Lebens (Vgl. Spe salvi, 6). Sein Tod und seine Auferstehung
bedeuten, dass wir zum himmlischen Vater sagen können: „Du hast die Welt erneuert“
(Karfreitag, Gebet nach der Kommunion). Deswegen haben wir erst vor wenigen Wochen
bei der wunderschönen Liturgie der Osternacht nicht aus Verzweiflung oder Angst, sondern
mit hoffnungsvollem Vertrauen zu Gott gerufen in den Anliegen unserer Welt: „Vertreib
das Dunkel aus unserem Herzen! Vertreib das Dunkel aus unserm Geist!“ (Vgl. Gebet
zur Entzündung der Osterkerze).
Was können diese Dunkelheiten sein? Was passiert,
wenn Menschen, vor allem die verletzlichsten, der geschlossenen Faust der Unterdrückung
begegnen oder der Manipulation anstatt der hingehaltenen Hand der Hoffnung? Die ersten
Beispiele gehören in den Bereich des Herzens. Die Träume und Sehnsüchte der Jugendlichen
können so leicht zertrümmert und zerstört werden. Ich denke an die Opfer des Missbrauchs
von Drogen und anderer Rauschmittel, an diejenigen, die von Obdachlosigkeit und Armut
betroffen sind, von Rassismus und Gewalt und der Verrohung – besonders Mädchen und
Frauen. Zwar haben diese problematischen Situationen vielfältige Gründe, dahinter
steht aber immer eine geistige Haltung, die sich darin zeigt, Personen einfach nur
als Objekte zu behandeln – so zeigt sich eine Insensibilität des Herzens, die die
Würde, die jedem Menschen von Gott gegeben ist, zunächst ignoriert und dann schließlich
lächerlich macht. Solche Tragödien zeigen, was hätte geschehen können und was jetzt
noch geschehen könnte, wenn andere Hände – eure Hände – sich ihnen entgegengestreckt
hätten oder sich jetzt ihnen entgegenstrecken würden. Ich ermutige euch, andere dazu
einzuladen, vor allem die Verletzlichen und Unschuldigen, sich euch anzuschließen
auf dem Weg der Güte und der Hoffnung.
Der zweite Bereich der Dunkelheiten
– die den Geist treffen – bleibt oft unerkannt, und ist deswegen besonders verhängnisvoll.
Die Manipulation der Wahrheit verdreht unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und trübt
unsere Phantasie und unsere Strebungen. Ich habe bereits die zahlreichen Freiheiten
erwähnt, die ihr zum Glück genießen könnt. Die fundamentale Bedeutung der Freiheit
muss strengstens geschützt werden. Es ist daher nicht überraschend, dass viele Individuen
und Gruppen laut und öffentlich ihre Freiheit einfordern. Aber die Freiheit ist ein
delikater Wert. Sie kann missverstanden oder schlecht gebraucht werden, so dass sie
nicht in das Glück führt, das wir uns alle von der Freiheit erwarten, sondern in ein
dunkles Szenario der Manipulation, in dem unsere Selbstwahrnehmung und die Wahrnehmung
der Welt durcheinander gerät oder gar verzerrt wird von Leuten, die im Geheimen ihre
eigenen Ziele verfolgen.
Habt ihr gesehen, wie oft Freiheit eingefordert wird,
ohne jemals Bezug zu nehmen auf die Wahrheit der menschlichen Person? Manche behaupten,
die Respektierung der Freiheit des Einzelnen mache die Wahrheitssuche zu etwas Ungerechtem,
einschließlich die Frage nach der Wahrheit, was gut ist und was nicht. In manchen
Kreisen wird das Reden über die Wahrheit als Quelle von Streitigkeiten und Zerwürfnissen
angesehen, und daher müsse dieses Thema eher der Privatsphäre vorbehalten bleiben.
Und anstelle der Wahrheit – oder besser ihrer Abwesenheit – hat sich die Vorstellung
breit gemacht, dass man die Freiheit dadurch sichert und dadurch das Gewissen befreit,
indem man unterschiedslos allem denselben Wert beimisst. Und das genau nennen wir
Relativismus. Aber welches Ziel hat eine „Freiheit“, die im Leugnen der Wahrheit das
Falsche und Ungerechte verfolgt? Wie vielen Jugendlichen hat sich eine Hand angeboten,
die sie im Namen der Freiheit in die Drogensucht geführt hat, zur moralischen oder
intellektuellen Verwirrung, zur Gewalt, zum Verlust der Selbstachtung, ja zur Verzweiflung
und auf diese Weise tragischerweise bis hin zum Selbstmord? Liebe Freunde, die Wahrheit
ist nichts Aufoktroyiertes. Noch ist sie einfach eine Ansammlung von Regeln. Wahrheit
bedeutet, jemanden entdecken, der uns nie verrät; Sie bedeutet, jemand entdecken,
auf den wir immer vertrauen können. Durch die Wahrheitssuche gelangen wir dahin, auf
der Grundlage des Glaubens zu leben, weil die Wahrheit definitiv eine Person ist:
Jesus Christus. Das ist der Grund dafür, dass authentische Freiheit nicht bedeutet,
sich zu „entledigen von“. Es ist die Entscheidung, sich „einzusetzen für“; Freiheit
ist nichts weniger, als aus sich heraus zu kommen und zuzulassen, in das Dasein Christi
„für andere“ hineingenommen zu werden (Vgl. Spe salvi, 28).
Wie können wir
als Gläubige anderen helfen, auf dem Weg der Freiheit zu gehen, der zu einer vollen
Erfüllung führt und zu einem dauerhaften Glück? Kommen wir noch einmal zu den Heiligen
zurück. Auf welche Weise hat ihr Zeugnis andere wirklich aus den Dunkelheiten des
Herzens und des Geistes befreit? Die Antwort liegt in der Kernmitte ihres Glaubens
– unseres Glaubens. Die Menschwerdung, die Geburt Jesu, sagt uns, dass Gott in der
Tat einen Platz mitten unter uns sucht. Die Herberge ist voll, und dennoch tritt er
ein durch einen Stall, und es gibt Personen, die sein Licht sehen. Sie sehen die dunkle
und verschlossene Welt des Herodes und folgen stattdessen dem Strahlen des Sterns,
der sie am Nachthimmel führt. Und was strahlt der Stern aus? Hier könnt ihr euch an
das Gebet erinnern, das in der allerheiligsten Osternacht gebetet wird: „Vater,
du hast durch deinen Sohn, das Licht der Welt, das Licht deiner Herrlichkeit gezeigt,
entzünde in uns die lebendige Flamme deiner Hoffnung“ (Vgl. Segnung des Feuers).
Uns so haben wir in einer feierlichen Prozession mit unseren brennenden Kerzen einander
das Licht Christi weitergegeben. Es ist das Licht, „das den Frevel hinwegnimmt,
von Schuld reinigt, den Sündern die Unschuld gibt, den Trauernden Freude. Weit vertreibt
es den Hass, einigt die Herzen und beugt die Gewalten.“ (Exsultet). Es ist das
Licht Christi, das am Werk ist. Und das ist der Weg der Heiligen. Es ist die glänzende
Vision der Hoffnung – das Licht Christi lädt uns ein, Leitstern zu sein für andere
auf dem Weg Christi, der der Weg der Vergebung, der Versöhnung, der Demut, der Freude
und des Friedens ist.
Manchmal stehen wir in der Versuchung, uns in uns selber
zu verschließen, an der Kraft des Glanzes Christi zu zweifeln und den Horizont einzuschränken.
Habt Mut! Schaut fest auf unsere Heiligen! Die Verschiedenheit ihrer Erfahrungen mit
der Gegenwart Gottes macht uns Mut, erneut die Breite und Tiefe des Christentums zu
entdecken. Lasst zu, dass eure Phantasie frei schweifen kann in den unendlichen Möglichkeiten
der Horizonte christlicher Jüngerschaft. Manchmal werden wir für Leute gehalten, die
nur von Verboten sprechen. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein! Eine
authentische Jüngerschaft ist vom Sinn für das Staunen gekennzeichnet. Wir stehen
vor jenem Gott, den wir kennen und den wir lieben wie einen Freund, gegenüber der
Weite seiner Schöpfung und der Schönheit unseres christlichen Glaubens.
Liebe
Freunde, das Beispiel der Heiligen lädt uns außerdem ein, vier wesentliche Aspekte
vom Schatz unseres Glaubens zu bedenken: Das persönliche Gebet und die Stille, das
liturgische Gebet, die praktizierte Nächstenliebe und die Berufungen.
Das wichtigste
ist, dass ihr ein persönliches Verhältnis mit Gott aufbaut. Diese Beziehung drückt
sich im Gebet aus. Gott spricht, hört und antwortet, wie es seinem Wesen entspricht.
Der Heilige Paulus erinnert nämlich daran, dass wir „unerlässlich beten“ können und
müssen (Vgl. 1 Thess 5,17). Weit davon entfernt, uns nur in selber zu verkrümmen und
uns den Höhen und Tiefen des Lebens zu entziehen, wenden wir uns im Gebet an Gott,
und durch Ihn wenden wir uns einander zu und schließen dabei die Marginalisierten
ein und alle, die auf Wegen gehen, die nicht die Wege Gottes sind (Vgl. Spe salvi,
33). Die Heiligen lehren uns das in sehr lebendiger Weise: Das Gebet wird zur Hoffnung,
die sich vollzieht. Christus war ihr beständiger Begleiter, und mit ihm tauschten
sie sich aus bei jedem Schritt auf dem Weg des Dienstes an den Anderen.
Es
gibt einen anderen Aspekt des Gebets, an den wir erinnern müssen: Die Kontemplation
in der Stille. Der heilige Johannes beispielsweise sagt uns, dass wir erst hinhören
und dann antworten müssen und verkündigen, was wir gehört und gesehen haben (Vgl.
1 Joh 1,2-3; Dei Verbum, 1), wenn wir die Offenbarung Gottes begreifen wollen. Haben
wir vielleicht die Kunst des Zuhörens verloren? Lasst ihr noch einen Raum offen, um
das Flüstern Gottes zu hören, der euch dazu aufruft, zur Güte voranzuschreiten? Freunde,
habt keine Angst vor der Stille und der Ruhe, hört auf Gott, betet ihn an in der Eucharistie!
Lasst zu, dass sein Wort euren Weg formt und die Heiligkeit entfaltet.
In der
Liturgie entdecken wir die gesamte Kirche im Gebet. Das Wort „Liturgie“ bedeutet die
Teilnahme des Volke Gottes am „Werk Christi als des Priesters und seines Leibes,
der die Kirche ist“ (Sacrosanctum Concilium, 7). Worin besteht dieses Werk? Zuallererst
bezieht es sich auf die Passion Christi, seinen Tod und Auferstehung und Himmelfahrt
– das nennen wir „Österliches Geheimnis“. Es bezieht sich aber auch auf die Feier
der Liturgie selbst. Diese beiden Bedeutungen sind in der Tat untrennbar verbunden,
weil dieses „Werk Jesu“ der wahre Inhalt der Liturgie ist. Durch die Liturgie wird
das „Werk Jesu“ bleibend mit der Geschichte in Berührung gebracht; und mit unserem
Leben, um es zu formen. Hier erfassen wir einen weitere Idee von der Größe unseres
christlichen Glaubens. Jedesmal wenn ihr euch zur Heiligen Messe versammelt, wenn
ihr beichten geht, jedesmal wenn ihr eines der Sakramente feiert, ist Jesus am Werk.
Durch den Heiligen Geist zieht er euch zu sich, in seine Opferliebe zum Vater, der
zur Liebe für alle wird. So sehen wir, dass die Liturgie der Kirche ein Dienst der
Hoffnung für die Menschheit ist. Eure gläubige Teilnahme ist eine tätige Hoffnung,
die dazu beiträgt, die Welt – Heilige wie Sünder – offen zu halten für Gott; und das
ist die wahre menschliche Hoffnung, die wir einem jeden anbieten (Vgl. Spe salvi,
34).
Euer persönliches Gebet, die Zeit eurer stillen Kontemplation und der
Teilnahme an der Liturgie der Kirche bringt euch näher zu Gott und bereitet euch vor,
auch anderen zu dienen. Die Heiligen, die uns an diesem Abend begleiten, zeigen uns,
dass das Leben des Glaubens und der Hoffnung auch ein Weg der Nächstenliebe ist. Wenn
wir Jesus am Kreuz betrachten, sehen wir die Liebe in ihrer radikalsten Form. Wir
beginnen eine Vorstellung davon zu gewinnen von dem Weg der Liebe, auf dem wir gehen
sollen (Vgl. Deus caritas est, 12). Die Gelegenheiten für diesen Weg sind vielfältig.
Schaut euch mit den Augen Christi um, erspürt und denkt mit seinem Herzen und mit
seinem Geist. Seid ihr bereit, alles für die Wahrheit und die Gerechtigkeit zu geben,
wie er es getan hat? Viele der Beispiele für Nöte, auf die unsere Heiligen mit Mitleid
geantwortet haben, finden sich immer noch in dieser Stadt und in der Umgebung. Und
es sind neue Ungerechtigkeiten entstanden: Einige sind komplex und gehen hervor aus
der Ausbeutung des Herzens und der Manipulierung des Geistes; auch unsere gemeinsame
Lebensumwelt, die Erde selber, stöhnt unter der Last einer konsumistischen Geisteshaltung
und einer unverantwortlichen Ausbeutung. Wir müssen in die Tiefe gehen und hinhören.
Wir müssen mit einem erneuerten sozialen Handeln antworten, das hervorgeht aus der
universalen Liebe, die keine Grenzen kennt. Auf diese Weise können wir sicher sein,
dass unsere Werke der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit zu einer tätigen Hoffnung
für andere wird.
Liebe Jugendlichen, am Ende möchte ich ein Wort sagen über
die Berufungen. Zuallererst gehen meine Gedanken zu euren Eltern, Großeltern und Paten.
Sie sind eure ersten Erzieher im Glauben gewesen. Indem sie euch zur Taufe gebracht
haben, haben sie euch die Möglichkeit gegeben, das größte Geschenk eures Lebens zu
empfangen. An jenem Tag seid ihr in die Heiligkeit Gottes selbst eingetreten. Ihr
seid Söhne und Töchter des Vaters an Kindes statt geworden. Ihr seid hineingenommen
worden in den Leib Christi. Ihr seid eine Heimstatt seines Geistes geworden. Beten
wir für die Mütter und Väter der ganzen Welt, besonders für die, die sozial, materiell
oder spirituell zu kämpfen haben. Geben wir der Berufung zur Ehe und der Würde des
Familienlebens die Ehre. Wir wollen immer anerkennen, dass die Familien der Ort sind,
an dem Berufungen entstehen.
Ich grüße hier bei dieser Versammlung im „Saint
Josephs“-Seminar alle anwesenden Seminaristen und in der Tat: Ich will alle Seminaristen
überall in Amerika ermutigen. Ich freue mich wirklich zu erfahren, dass eure Anzahl
steigt. Das Volk Gottes erwartet von euch, dass ihr heilige Priester seid, täglich
auf dem Weg der Bekehrung, und dass ihr in den anderen die Sehnsucht weckt, tiefer
in das kirchliche Leben der Gläubigen einzutreten. Ich ermahne euch, eure Freundschaft
mit Jesus, dem Guten Hirten, zu vertiefen. Sprecht mit ihm von Herz zu Herz, vermeidet
jede Zurschaustellung, jeden Karrierismus und Eitelkeit. Strebt einen Lebensstil an,
der wirklich gekennzeichnet ist von Nächstenliebe, Keuschheit und Demut in der Nachahmung
Christi, dem ewigen Hohenpriester, dessen lebendiges Abbild ihr werden müsst (Vgl.
Pastores dabo vobis, 33). Liebe Seminaristen, ich bete für euch jeden Tag. Denkt daran,
das einzige, was beim Herrn zählt, ist, in seiner Liebe zu bleiben und seine Liebe
den anderen weiterzugeben.
Schwestern, Brüder und Priester der Ordensgemeinschaften
tragen in vielfältiger Weise zur Mission der Kirche bei. Ihr prophetisches Zeugnis
ist gekennzeichnet von der tiefen Überzeugung, dass der Primat des Evangeliums das
christliche Leben formt und die Gesellschaft verwandelt. Heute möchte ich eure Aufmerksamkeit
auf die geistliche Erneuerung lenken, die die Kongregationen derzeit mit Blick auf
ihr Charisma begonnen haben. „Charisma“ ist eine Gabe, die frei und umsonst geschenkt
wird. Die Charismen werden vom Heiligen Geist verliehen, der die Gründer und Gründerinnen
inspiriert und die Kongregationen mit einem entsprechenden geistlichen Erbe formt.
Die wundervolle Anzahl an Charismen, die jeder Ordensgemeinschaft eigen sind, ist
ein außerordentliches spirituelles Erbe. Die Geschichte der Kirche kann in der Tat
vielleicht am schönsten durch die Geschichte ihrer spirituellen Schulen beschrieben
werden, von denen die meisten auf das heilige Leben ihrer Gründerinnen und Gründer
zurückgehen. Ich bin sicher, dass im Entdecken der Charismen, die so eine Breite an
spiritueller Weisheit hervorgebracht haben, einige von euch jungen Leuten angezogen
werdet zu einem Leben des apostolischen oder kontemplativen Dienstes. Scheut euch
nicht, mit Brüdern, Schwestern und Ordenspriestern über das Charisma und die Spiritualität
ihrer Kongregation zu sprechen. Es gibt keine vollkommene Gemeinschaft; der Herr verlangt
von euch, die Treue zum Gründungscharisma, nicht zu einer Einzelpersönlichkeit, zu
unterscheiden. Habt Mut! Auch ihr könnt euer Leben zu einer Selbsthingabe durch die
Liebe Jesu Christi machen, und in Ihm von jedem Mitglied der Menschheitsfamilie (Vgl.Vita
consecrata, 3).
Freunde, ich frage euch erneut, was sollen wir jetzt sagen?
Was sucht ihr? Was will Gott von euch? Die Hoffnung, die niemals trügt, ist Jesus
Christus. Die Heiligen zeigen uns die absichtslose Liebe seines Weges. Als Jünger
Christi haben sich ihre außergewöhnlichen Schicksale im Innern jener Hoffnungsgemeinschaft
entwickelt, die die Kirche ist. Es ist im Innern der Kirche, wo auch ihr den Mut und
die Unterstützung finden werdet, um auf dem Weg des Herrn zu gehen. Genährt vom persönlichen
Gebet, vorbereitet in der Stille, geformt durch die Liturgie der Kirche, werdet ihr
die besondere Berufung entdecken, die der Herr für euch bereitet. Nehmt sie mit Freuden
an. Die Jünger Christi von heute seid ihr! Lasst sein Licht leuchten in dieser Stadt
und darüber hinaus. Zeigt der Welt den Grund der Hoffnung, der in euch ist. Spricht
mit den anderen von der Wahrheit, die euch frei macht. Mit diesem Gefühl großer Hoffnung,
die ich in euch setze, grüße ich euch mit einem „Auf Wiedersehen“ in der Erwartung,
euch im Juli erneut in Sydney beim Weltjugendtag zu treffen. Und als Unterpfand meiner
Zuneigung zu euch und euren Familien, spende ich euch mit Freude den Apostolischen
Segen.
Spanischer Teil der Ansprache
Liebe Seminaristen, liebe Jugendlichen,
es ist für mich eine große Freude, heute in den Tagen meines Geburtstags mit
euch zusammenzutreffen. Danke für eure Aufnahme und die Freundlichkeit, die ihr heute
gezeigt habt. Ich ermahne euch, euer Herz dem Herrn zu öffnen, damit er es erfülle
und ihr so mit dem Feuer seiner Liebe sein Evangelium in alle Viertel New Yorks tragt.
Das Licht des Glaubens wird euch dazu drängen, auf Böses mit Gutem und mit der
Heiligkeit des Lebens zu antworten, wie es die großen Zeugen des Evangeliums über
Jahrhunderte hinweg getan haben. Ihr seid dazu berufen, diese Kette der Freunde Jesu
weiterzuführen, die in seiner Liebe den großen Schatz ihres Lebens entdeckt haben.
Kultiviert diese Freundschaft durch das Gebet, sowohl das persönliche wie auch das
liturgische, und durch Werke der Nächstenliebe und im Einsatz für diejenigen, die
besonders in Schwierigkeiten sind. Wenn ihr es noch nicht getan habt, dann denkt ernsthaft
darüber nach, ob der Herr euch nicht darum bittet, ihm radikal nachzufolgen im Priesteramt
oder in einem gottgeweihten Leben. Ein sporadischer Kontakt mit Christus reicht nicht.
Eine solche Freundschaft ist keine echte Freundschaft. Christus sehnt sich nach euch
als seine innigen Freunde, treu und ausdauernd. Ich erneure meine Einladung, am
Weltjugendtag in Sydney teilzunehmen, und ich versichere euch, dass ich eurer im Gebet
gedenken werde. Darin werde ich Gott bitten, dass er euch zu authentischen Jüngern
des auferstandenen Christus macht. Von Herzen danke ich euch! (rv 19.04.2008 mc)
Übersetzung:
P. Max. I. Cappabianca OP, Radio Vatikan