„Nicht nur die roten Schuhe...“ – Ein Gespräch mit unserem Korrespondenten
Für uns ist Stefan
Kempis in New York – der Papst war am Freitag bei den Vereinten Nationen. Was waren
Ihre Eindrücke?
Offen gesagt: Es war ein seltsamer Moment. Da trafen sich mit
UNO-Chef Ban Ki-Moon und Papst Benedikt zwei Menschen, die vor kurzem noch südkoreanischer
Außenminister respektive vatikanischer Glaubensexperte waren. Sie wirkten beide etwas
eingeschüchtert oder unbeholfen in ihrer jeweiligen Rolle. Ban ging vor dem Papst
her, nicht neben ihm – es sah fast so aus, als habe er dem Papst gar nicht viel zu
sagen, als ginge es ihm vor allem um das gemeinsame Foto mit Benedikt XVI. vor der
UNO-Fahne. Und darum, dass vom Papst etwas Glanz auf ihn, Ban, abfällt… Bewegend wirkte
aber der Moment, als der Papst in den Saal der UNO-Generalversammlung einzog; da gab
es sehr freundlichen Beifall und sichtbares Interesse bei den Delegierten. Die Rede
des Papstes vor der UNO war dann sicher weltpolitisch ein wichtiger Moment und brachte
wichtige Aussagen, zum Beispiel, dass die Staatengemeinschaft intervenieren muss,
um schwere Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden – dass sich da ein verbrecherisches
Regime nicht hinter seiner Souveränität verschanzen darf. Aber der Diplomatenstil
der Rede wird zumindest den Amerikanern, den „Gastgebern“ der Vereinten Nationen,
den Zugang erschweren. In den Fernsehnachrichten wurde dann besonders betont, dass
Benedikt in der Rede den Irak nicht erwähnt habe. Für die Amerikaner war der Papst
im UNO-Palast am East River für drei Stunden im Ausland, und als er die UNO verließ
– da war er wieder in Amerika, da konnte der Jubel weitergehen.
Jubel – bezieht
sich das auf die Fernseh-Berichterstattung zur Papstreise?
Ja, ganz eindeutig.
Das Fernsehen berichtet wirklich ununterbrochen über die Visite, und dabei wird das
Thema entschlossen von seiner buntesten Seite angepackt. Die Moderatoren informieren
ausgiebig über die roten Prada-Schuhe Benedikts und fragen Priester im Studio, ob
der Papst in seiner Freizeit auch mal Jeans und T-Shirt trägt (was die leicht verschämt
verneinen). Ein kleiner New Yorker Junge, der dem Papst Blumen überreichen darf, wird
sofort interviewt und per Live-Schaltung mit seiner Klasse – an einer katholischen
Grundschule – verbunden. Dort läuft eine Reporterin zwischen den Bänken herum und
fragt die Kinder Dinge wie: Ist das nicht aufregend, in der gleichen Stadt zu sein
wie der Mann, der Gott am nächsten steht (the man closest to God)? Ich muss aber sagen:
Die Kinder antworten jeweils mit einer anrührenden Würde. Ein kleiner Junge erklärt,
er wolle später Priester werden, denn es wäre doch fantastisch, Gott so nahe zu sein.
– Im Fernsehen ist auch viel von scharfen Sicherheitsvorkehrungen und zusammenbrechendem
Verkehr die Rede – aber ganz so schlimm ist es dann gar nicht, wenn man durch die
Straßen von New York läuft.
Vor der Reise war kritisiert worden, dass der Papst
nicht auch andere Städte besucht, zum Beispiel das urkatholische Boston…
Ja,
und ich muss zugeben, so habe ich vorher auch gedacht. Aber gerade Boston ist ja sozusagen
die Höhle des Löwen, was die Missbrauchs-Skandale betrifft, und wahrscheinlich wären
die übrigen Botschaften, die der Papst in die USA bringen wollte, bei einem Besuch
in Boston vom Thema Pädophilie geradezu erstickt worden. Mir scheint es deshalb ein
guter „Schachzug“, wenn man das so sagen darf, dass der Papst dann Missbrauchs-Opfer
aus Boston – aber in Washington empfangen hat. – Im übrigen, wenn ich das einmal überspitzt
formulieren darf: Ganz gleich, welche Städte der Papst besucht, die Menschen bekommen
ihn sowieso nicht zu sehen. Es gibt nur wenige öffentliche Auftritte, Benedikt wird
sehr abgeschirmt – und dadurch findet der Besuch vor allem im Fernsehen statt. Was
aber dazu führt, dass Benedikt tatsächlich alle Amerikaner erreicht, auch, wenn er
„nur“ Washington und New York aufsucht.
Was werden denn die Amerikaner von
diesem Besuch in Erinnerung behalten?
Ich vermute, sie werden sagen: Ach ja,
Papst Benedikt – dieser Deutsche. Ein wirklich frommer Mann. Der war doch bei uns
und hat offen über die Missbrauchs-Skandale gesprochen. Und ab Sonntag werden sie
wohl auch sagen: Der hat doch an Ground Zero gebetet. Ich hoffe, dass sie nicht nur
behalten werden, wie gerne Benedikt rote Schuhe trägt!
Noch einmal zu diesem
Freitag: Da war Benedikt ja auch in einer Synagoge und bei einem ökumenischen Gottesdienst.
Ja
– zwei interessante Auftritte. Der Moment in der Synagoge war fast intim, der Raum
war ja nicht groß, und Benedikt sagte auf eine sehr nette Weise: „Meine lieben Freunde
– Shalom!“ Und beim ökumenischen Gottesdienst hat er viel Beifall für eine Rede bekommen,
obwohl diese doch sehr deutlich war und für viele sicher unbequem. Zum Beispiel mit
der Aussage, dass man nicht von der Verkündigung der leiblichen Auferstehung Jesu
abgehen darf und dass in die Lehre der Christen keine Beliebigkeit einziehen darf.
Wie
geht es weiter für Benedikt?
Samstag ist der vorletzte Besuchstag – er feiert
eine Messe in der St.-Patricks-Cathedral mit Priestern und Ordensleuten, und am Abend
trifft er sich mit Jugendlichen.