2008-04-19 01:59:01

„Nicht nur die roten Schuhe...“ – Ein Gespräch mit unserem Korrespondenten


RealAudioMP3 Für uns ist Stefan Kempis in New York – der Papst war am Freitag bei den Vereinten Nationen. Was waren Ihre Eindrücke?

Offen gesagt: Es war ein seltsamer Moment. Da trafen sich mit UNO-Chef Ban Ki-Moon und Papst Benedikt zwei Menschen, die vor kurzem noch südkoreanischer Außenminister respektive vatikanischer Glaubensexperte waren. Sie wirkten beide etwas eingeschüchtert oder unbeholfen in ihrer jeweiligen Rolle. Ban ging vor dem Papst her, nicht neben ihm – es sah fast so aus, als habe er dem Papst gar nicht viel zu sagen, als ginge es ihm vor allem um das gemeinsame Foto mit Benedikt XVI. vor der UNO-Fahne. Und darum, dass vom Papst etwas Glanz auf ihn, Ban, abfällt… Bewegend wirkte aber der Moment, als der Papst in den Saal der UNO-Generalversammlung einzog; da gab es sehr freundlichen Beifall und sichtbares Interesse bei den Delegierten. Die Rede des Papstes vor der UNO war dann sicher weltpolitisch ein wichtiger Moment und brachte wichtige Aussagen, zum Beispiel, dass die Staatengemeinschaft intervenieren muss, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden – dass sich da ein verbrecherisches Regime nicht hinter seiner Souveränität verschanzen darf. Aber der Diplomatenstil der Rede wird zumindest den Amerikanern, den „Gastgebern“ der Vereinten Nationen, den Zugang erschweren. In den Fernsehnachrichten wurde dann besonders betont, dass Benedikt in der Rede den Irak nicht erwähnt habe. Für die Amerikaner war der Papst im UNO-Palast am East River für drei Stunden im Ausland, und als er die UNO verließ – da war er wieder in Amerika, da konnte der Jubel weitergehen.

Jubel – bezieht sich das auf die Fernseh-Berichterstattung zur Papstreise?

Ja, ganz eindeutig. Das Fernsehen berichtet wirklich ununterbrochen über die Visite, und dabei wird das Thema entschlossen von seiner buntesten Seite angepackt. Die Moderatoren informieren ausgiebig über die roten Prada-Schuhe Benedikts und fragen Priester im Studio, ob der Papst in seiner Freizeit auch mal Jeans und T-Shirt trägt (was die leicht verschämt verneinen). Ein kleiner New Yorker Junge, der dem Papst Blumen überreichen darf, wird sofort interviewt und per Live-Schaltung mit seiner Klasse – an einer katholischen Grundschule – verbunden. Dort läuft eine Reporterin zwischen den Bänken herum und fragt die Kinder Dinge wie: Ist das nicht aufregend, in der gleichen Stadt zu sein wie der Mann, der Gott am nächsten steht (the man closest to God)? Ich muss aber sagen: Die Kinder antworten jeweils mit einer anrührenden Würde. Ein kleiner Junge erklärt, er wolle später Priester werden, denn es wäre doch fantastisch, Gott so nahe zu sein. – Im Fernsehen ist auch viel von scharfen Sicherheitsvorkehrungen und zusammenbrechendem Verkehr die Rede – aber ganz so schlimm ist es dann gar nicht, wenn man durch die Straßen von New York läuft.

Vor der Reise war kritisiert worden, dass der Papst nicht auch andere Städte besucht, zum Beispiel das urkatholische Boston…

Ja, und ich muss zugeben, so habe ich vorher auch gedacht. Aber gerade Boston ist ja sozusagen die Höhle des Löwen, was die Missbrauchs-Skandale betrifft, und wahrscheinlich wären die übrigen Botschaften, die der Papst in die USA bringen wollte, bei einem Besuch in Boston vom Thema Pädophilie geradezu erstickt worden. Mir scheint es deshalb ein guter „Schachzug“, wenn man das so sagen darf, dass der Papst dann Missbrauchs-Opfer aus Boston – aber in Washington empfangen hat. – Im übrigen, wenn ich das einmal überspitzt formulieren darf: Ganz gleich, welche Städte der Papst besucht, die Menschen bekommen ihn sowieso nicht zu sehen. Es gibt nur wenige öffentliche Auftritte, Benedikt wird sehr abgeschirmt – und dadurch findet der Besuch vor allem im Fernsehen statt. Was aber dazu führt, dass Benedikt tatsächlich alle Amerikaner erreicht, auch, wenn er „nur“ Washington und New York aufsucht.

Was werden denn die Amerikaner von diesem Besuch in Erinnerung behalten?

Ich vermute, sie werden sagen: Ach ja, Papst Benedikt – dieser Deutsche. Ein wirklich frommer Mann. Der war doch bei uns und hat offen über die Missbrauchs-Skandale gesprochen. Und ab Sonntag werden sie wohl auch sagen: Der hat doch an Ground Zero gebetet. Ich hoffe, dass sie nicht nur behalten werden, wie gerne Benedikt rote Schuhe trägt!

Noch einmal zu diesem Freitag: Da war Benedikt ja auch in einer Synagoge und bei einem ökumenischen Gottesdienst.

Ja – zwei interessante Auftritte. Der Moment in der Synagoge war fast intim, der Raum war ja nicht groß, und Benedikt sagte auf eine sehr nette Weise: „Meine lieben Freunde – Shalom!“ Und beim ökumenischen Gottesdienst hat er viel Beifall für eine Rede bekommen, obwohl diese doch sehr deutlich war und für viele sicher unbequem. Zum Beispiel mit der Aussage, dass man nicht von der Verkündigung der leiblichen Auferstehung Jesu abgehen darf und dass in die Lehre der Christen keine Beliebigkeit einziehen darf.

Wie geht es weiter für Benedikt?

Samstag ist der vorletzte Besuchstag – er feiert eine Messe in der St.-Patricks-Cathedral mit Priestern und Ordensleuten, und am Abend trifft er sich mit Jugendlichen.








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