Eine Gruppe junger
Leute singt für Jesus, auf einem Platz mitten in New York. Sie tragen T-Shirts, bewegen
sich im Takt. Katholiken? Wohl kaum. Die sind von der Konkurrenz. Hier, in „God`s
own country“, stehen die Katholiken immer schon einer großen und lebendigen protestantischen
Gemeinschaft gegenüber. Doch auf den Papst sind sie alle neugierig – Katholiken wie
Christen anderer Konfessionen. Über Benedikt XVI. wissen die Amerikaner laut Umfragen
fast nichts.
Seit Tagen wird in den Medien erstaunlich viel über den bevorstehenden
Besuch berichtet. Das „Time“-Magazin hat Benedikt flugs zum „Amerikanischen Papst“
erklärt – so der Titel einer langen und interessanten Analyse. Darin finden die Autoren
überraschende Gründe, warum sich der deutsche Papst für das US-Modell interessiert:
Die USA seien ja gleichzeitig eine völlig moderne – und doch eine tief religiöse Gesellschaft.
Der beste Beweis mithin, dass das von Benedikt immer wieder beschworene Zusammengehen
von Vernunft und Glauben auch in der Praxis funktioniert. Der Papst finde diese Verbindung
von modernem Life-style und tiefen religiösen Überzeugungen faszinierend: ein Modell
auch für das kriselnde Europa.
In vielen Zeitungen, die an den Straßenecken
der US-Städte verkauft werden, spielt der bevorstehende Papstbesuch eine Rolle. Nicht
selten ist der Tenor aber nachdenklich-kritisch. Ausführlich wird von den Schwierigkeiten
der US-Kirche berichtet, vor allem von der Vertrauens- und Berufungskrise in der drittgrößten
Ortskirche des Katholizismus. Denn die Zahl der US-Katholiken wächst zwar zahlenmäßig,
vor allem durch das Hinzukommen der „Hispanics“ – doch sie haben seit den 60er Jahren
17.000 Priester verloren. Pfarreien schließen oder werden zusammengelegt, so die „New
York Times“, und das bedrohe die katholische Kirche der USA an ihrem eigentlich vitalsten
Punkt, nämlich den Pfarreien. Das Titelbild der „New York Times“ zeigt eine einsame
Beterin in einer demnächst abzureißenden Kirche. „Kann er seiner Herde neuen Mut geben?“
fragt das Magazin „Americans“ – das offenbar einzige, das den Papst in diesen Tagen
vor der Visite ganzseitig auf den Titel hebt.
Die „New York Post“ rollt das
Thema von seiner menschlichsten Seite her auf: Krebskranke Amerikaner warten auf ein
Wunder durch den Papst, und zwei Angehörige eines beim Attentat vom 11. September
2001 Getöteten wollen mit Benedikt am „heiligen“ Ground Zero beten. Über dieses Gebet
Benedikts am Ort der Anschläge ist auch im Fernsehen eine heftige Debatte ausgebrochen:
Wird er für die Terroristen beten? Darf man das? Ansonsten eine sehr bunte Berichterstattung:
über einen Skateboard-Gestaltungs-Wettbewerb zur Papstreise. Über zu erwartende Proteste
von Homosexuellen-Gruppen. Über Deutsche in den USA.
An einigen Plätzen in
Washington und New York hängen schon Vatikan-Fahnen. Das stärkste Gefühl im Vorfeld
dieser Papstreise – es ist Neugier. Das stärkste Bild wird wohl der am Ground Zero
betende Benedikt sein. Doch ob wenige Tage in zwei nahegelegenen Städten an der Ostküste
ausreichen werden, um auf die Katholiken der ganzen USA einzuwirken, daran darf man
doch seine Zweifel haben. (rv 15.04.2008 sk)