2008-04-15 10:34:57

Die USA warten auf den Papst


RealAudioMP3 Eine Gruppe junger Leute singt für Jesus, auf einem Platz mitten in New York. Sie tragen T-Shirts, bewegen sich im Takt. Katholiken? Wohl kaum. Die sind von der Konkurrenz. Hier, in „God`s own country“, stehen die Katholiken immer schon einer großen und lebendigen protestantischen Gemeinschaft gegenüber. Doch auf den Papst sind sie alle neugierig – Katholiken wie Christen anderer Konfessionen. Über Benedikt XVI. wissen die Amerikaner laut Umfragen fast nichts.

Seit Tagen wird in den Medien erstaunlich viel über den bevorstehenden Besuch berichtet. Das „Time“-Magazin hat Benedikt flugs zum „Amerikanischen Papst“ erklärt – so der Titel einer langen und interessanten Analyse. Darin finden die Autoren überraschende Gründe, warum sich der deutsche Papst für das US-Modell interessiert: Die USA seien ja gleichzeitig eine völlig moderne – und doch eine tief religiöse Gesellschaft. Der beste Beweis mithin, dass das von Benedikt immer wieder beschworene Zusammengehen von Vernunft und Glauben auch in der Praxis funktioniert. Der Papst finde diese Verbindung von modernem Life-style und tiefen religiösen Überzeugungen faszinierend: ein Modell auch für das kriselnde Europa.

In vielen Zeitungen, die an den Straßenecken der US-Städte verkauft werden, spielt der bevorstehende Papstbesuch eine Rolle. Nicht selten ist der Tenor aber nachdenklich-kritisch. Ausführlich wird von den Schwierigkeiten der US-Kirche berichtet, vor allem von der Vertrauens- und Berufungskrise in der drittgrößten Ortskirche des Katholizismus. Denn die Zahl der US-Katholiken wächst zwar zahlenmäßig, vor allem durch das Hinzukommen der „Hispanics“ – doch sie haben seit den 60er Jahren 17.000 Priester verloren. Pfarreien schließen oder werden zusammengelegt, so die „New York Times“, und das bedrohe die katholische Kirche der USA an ihrem eigentlich vitalsten Punkt, nämlich den Pfarreien. Das Titelbild der „New York Times“ zeigt eine einsame Beterin in einer demnächst abzureißenden Kirche. „Kann er seiner Herde neuen Mut geben?“ fragt das Magazin „Americans“ – das offenbar einzige, das den Papst in diesen Tagen vor der Visite ganzseitig auf den Titel hebt.

Die „New York Post“ rollt das Thema von seiner menschlichsten Seite her auf: Krebskranke Amerikaner warten auf ein Wunder durch den Papst, und zwei Angehörige eines beim Attentat vom 11. September 2001 Getöteten wollen mit Benedikt am „heiligen“ Ground Zero beten. Über dieses Gebet Benedikts am Ort der Anschläge ist auch im Fernsehen eine heftige Debatte ausgebrochen: Wird er für die Terroristen beten? Darf man das? Ansonsten eine sehr bunte Berichterstattung: über einen Skateboard-Gestaltungs-Wettbewerb zur Papstreise. Über zu erwartende Proteste von Homosexuellen-Gruppen. Über Deutsche in den USA.

An einigen Plätzen in Washington und New York hängen schon Vatikan-Fahnen. Das stärkste Gefühl im Vorfeld dieser Papstreise – es ist Neugier. Das stärkste Bild wird wohl der am Ground Zero betende Benedikt sein. Doch ob wenige Tage in zwei nahegelegenen Städten an der Ostküste ausreichen werden, um auf die Katholiken der ganzen USA einzuwirken, daran darf man doch seine Zweifel haben.
(rv 15.04.2008 sk)







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