„Zwangsarbeit und
katholische Kirche 1939-1945“ – so heißt eine wissenschaftliche Dokumentation, die
an diesem Dienstag in Mainz vorgestellt wurde. Auf über 700 Seiten stellt sie das
Schicksal von fast 6.000 Zwangsarbeitern dar, die während des Zweiten Weltkrieges
zum Arbeitseinsatz in katholischen Einrichtungen verpflichtet waren. Neben einer historischen
Einführung, einer Datendokumentation und Berichten aus den 27 Bistümern werden die
Arbeit des Entschädigungsfonds der katholischen Kirche in Deutschland und die kirchlichen
Versöhnungsinitiativen dargestellt.
Von einem „wichtigen Baustein auf dem Weg
zukunftsgerichteter Versöhnungsarbeit“ sprach Kardinal Karl Lehmann an diesem Dienstag
bei einer Pressekonferenz. Mit der Publikation werde ein „vergessenes Kapitel kirchlicher
Zeitgeschichte wissenschaftlich aufgearbeitet“, die Erinnerung an „das Schicksal und
die Leiden der aus ganz Europa zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppten Männer,
Frauen, Jugendlichen und Kinder“. Zwischen 1939 und 1945 arbeiteten nachweislich insgesamt
4829 Zivilarbeiter und 1075 Kriegsgefangene in insgesamt 776 katholischen Einrichtungen,
u. a. in Krankenhäusern, Heimen, auf Klosterhöfen und Pfarrökonomien. Die hauptsächlich
aus Polen, der Ukraine und der Sowjetunion stammenden Zwangsarbeiter waren überwiegend
in Land- und Forstwirtschaft sowie in der Haus- und Garten- bzw. Friedhofsarbeit tätig.
Gemessen an der Gesamtzahl von geschätzten 13 Millionen Zwangsarbeitern erreiche
die vergleichsweise geringe Zahl nachgewiesener Arbeitskräfte in katholischen Einrichtungen
nicht einmal die Promillegrenze. „Und dennoch bleiben sie eine historische Last, die
unsere Kirche auch für die Zukunft herausfordert“, so der ehemalige Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz. Bis zum Abschluss der aktiven Suche nach ehemaligen Zwangsarbeitern
am 31.12.2004 wurden 587 Fremdarbeiter mit insgesamt 1,5 Millionen Euro entschädigt.
Aus dem Versöhnungsfonds wurden 206 Projekte mit 2,71 Millionen Euro gefördert. Die
„Resultate der zeitgeschichtlichen Forschungen über den Fremdarbeiter-Einsatz bewahren
uns davor, unter eine erfolgreiche Entschädigungs- und Versöhnungsarbeit einen geschichtlichen
Schlussstrich zu ziehen“, so Lehmann.
Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte
in der katholischen Kirche war nicht „flächendeckend“, ja nicht einmal die Regel –
das betonte der Direktor der Kommission für Zeitgeschichte, Karl-Joseph Hummel aus
Bonn. Die Verfolgung der katholischen Kirche habe auch in den Kriegsjahren zugenommen,
einen Burgfrieden habe es nicht gegeben. Zwischen 1940 und 1942 ließ Heinrich Himmler
mehr als 300 Klöster und katholische Einrichtungen entschädigungslos enteignen, weit
über 10.000 Ordensleute wurden aus ihren Häusern ausgewiesen („Klostersturm“). 1943
waren mehr als 3400 kirchliche und klösterliche Einrichtungen kriegsbedingt in Anspruch
genommen.
Die Kirche ihrerseits war mit der NS-Kriegsgesellschaft in vielfacher
Weise verschränkt und hielt doch weltanschaulich einen klaren, christlich verwurzelten
Abstand. Diese Gemengelage der Kriegsjahre beschreibe der Begriff „kooperativer Antagonismus“
besser als die einfache Alternative Kollaboration oder Widerstand. Die endgültige
Auseinandersetzung mit der Kirche habe Hitler auf die Zeit nach dem „Endsieg“ vertagt.