Barmherzigkeit und
das Streben nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille
und bedingen einander gegenseitig. Dies betonte Kardinal Christoph Schönborn mit Blick
auf den "Ersten Weltkongress der Barmherzigkeit", der am Mittwoch in Rom startet;
Schönborn ist Präsident dieses Treffens. Wo Barmherzigkeit und Gerechtigkeit auseinanderdividiert
würden, dort halbiere man auch die biblische Botschaft, so der Wiener Erzbischof:
"Eine Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit wäre hartherzig, und eine Barmherzigkeit
ohne Gerechtigkeit wäre zwar weichherzig, aber nicht hilfreich.“
Die gesellschaftlichen
Realitäten müssten beim Thema Barmherzigkeit im Blick bleiben, warnte der Kardinal.
Auch Papst Benedikt XVI. habe in seiner Enzyklika „Gott ist Liebe“ herausgearbeitet,
„dass
die Liebe Gottes, die sich konkret in der Barmherzigkeit Gottes zeigt, auch einen
Anspruch stellt nicht nur ans individuelle persönliche Verhalten, sondern auch an
unsere Gesellschaft, an die Art, wie eine Gesellschaft organisiert ist, ob in ihr
Strukturen der Barmherzigkeit oder Strukturen der Umbarmherzigkeit herrschen.“
Diese
Klarstellung sei notwendig, so der Kardinal, damit Barmherzigkeit nicht als "Ausdruck
einer Privatfrömmigkeit" missverstanden werde, sondern sie ihre "sprengende gesellschaftliche
Kraft" behalte. Wer von der Barmherzigkeit Gottes rede, dürfe von gesellschaftlichen
Unrechtsstrukturen nicht schweigen.
„Das wichtigste ist die Verinnerlichung
dieser Botschaft – das Wahrnehmen, dass das wirklich Jesu Botschaft ist dass das wirklich
die Botschaft der Bibel ist – nicht ein frommes Privatunterfangen, eine Privatfrömmigkeitsform,
sondern dass das die christliche, die biblische Botschaft von Gott ist.“
Mit
dem Thema Barmherzigkeit ist eines der Lebensthemen Johannes Pauls II. aufgegriffen.
Daher der große Gedenkgottesdienst zum Todestag des polnischen Papstes mit Benedikt
XVI. Unter den zahlreichen Konzelebranten auch einer aus Österreich: Kardinal Schönborn
von Wien.
„Papst Johannes Paul II. hat zu dem Thema eine besonders Beziehung
gehabt. Als junger Geheimseminarist kam er mit den Botschaften, die eine Ordensschwester
in der Nähe von Krakau empfangen hat, in Kontakt, mit Schwester Faustyna. Das hat
offensichtlich sein Leben stark geprägt, sein Denken, auch sein theologisches Denken,
vor allem aber auch seine Grundeinstellung. Ich denke, viele Menschen auf der Welt
haben das so verstanden, als eine Unterschrift des Himmels unter ein großes Leben,
das Leben eines großen Christen, dass er an diesem Tag gestorben ist, unter diesem
Zeichen, dem er sich so stark sein Leben lang verbunden gefühlt hat.“
Johannes
Paul starb am Vorabend des Sonntags der Barmherzigkeit, für den sich Schwester Faustyna,
ihren persönlichen Weisungen von Jesus zufolge, einsetzen sollte. Der polnische Papst
selbst führte das Fest in den liturgischen Kalender ein.
„Wir Organisatoren
des Kongresses haben es als Auftrag empfunden, dass Papst Johannes Paul II. bei seinem
letzten Besuch in Polen gesagt hat: Seid Zeugen der Barmherzigkeit. Es war eine Art
Testament. Er sagte auch den beeindruckenden Satz: Nur im Geheimnis der Barmherzigkeit
wird die Welt, wird der Mensch heute Hoffnung finden.“
Am Mittwochnachmittag
sieht das Programm in der Basilika San Giovanni in Laterano (der eigentlichen Kathedrale
Roms) die Begrüßung der Teilnehmer des Weltkongresses durch Kardinal Schönborn vor,
weiters durch den einstigen Sekretär Johannes Pauls II., Kardinal Stanislaw Dziwisz,
und den römischen Kardinalvikar Camillo Ruini.
Der Weltkongress der Barmherzigkeit
dauert bis Sonntag, 6. April. Jeweils vormittags finden Veranstaltungen mit Vorträgen,
Gebeten und Zeugnissen in der Lateranbasilika statt. An den Nachmittagen ziehen sich
die Teilnehmer nach Sprachgruppen getrennt zur weiteren Vertiefung in Kirchen der
Stadt zurück.
Zu den Referenten des Kongresses zählen neben Kardinal Schönborn
der Präfekt der vatikanischen Gottesdienstkongregation, Kardinal Francis Arinze, der
Präfekt der vatikanischen Kleruskongregation, Kardinal Claudio Hummes, der Erzbischof
von Lyon, Kardinal Philippe Barbarin, der Erzbischof von Vilnius, Kardinal Audrys
Backis, der Wiener russisch-orthodoxe Bischof Hilarion (Alfejew) sowie der international
bekannte französische Jugendmissionar P. Daniel Ange. An den Nachmittagen stellen
sich auf den Plätzen im Zentrum Roms verschiedene katholische Erneuerungsbewegungen
und Gemeinschaften vor. Die Bewegung "Cenacolo", die auch in Österreich (in der Diözese
Eisenstadt) ein überaus erfolgreiches Drogen-Rehabilitationsprogramm führt, wird am
3. April auf der Piazza Navona das Erfolgsmusical "Non abbiate paura" (Habt keine
Angst) aufführen. Die Abende sind der "eucharistischen Anbetung" vorbehalten, vor
allem in der Kirche Sant'Agnese an der Piazza Navona.
Der Kongress endet am
Sonntag, 6. April, im Vatikan. Die Messe um 10 Uhr im Petersdom leitet Kardinal Schönborn,
der auch die Predigt halten wird. Anschließend folgt das Mittagsgebet mit dem Papst
auf dem Petersplatz. Nähere Informationen gibt es im Internet unter www.worldapostoliccongressonmercy.org (kap
02.04.2008 gs)