In den christlichen
Kleinstädten und Dörfern rund um Mossul finden seit Ostern allabendlich friedliche
Demonstrationen statt. Die Protestierer, von denen die meisten Christen sind, verlangen
Aufklärung über die Hintergründe der Entführung und Ermordung des chaldäischen Erzbischofs
Paulos Faraj Rahho. Die Demonstrationen gehen auf einen Aufruf aller christlichen
Bischöfe von Mossul und der umliegenden Kleinstädte zurück.
Der Text, der
am Ostersonntag in allen Gottesdiensten verlesen wurde, bittet auch darum, diesmal
aus Trauer um Rahho auf große Osterfeiern zu verzichten. Trotz der Gewalt, die sich
auch immer wieder gegen Christen richtet, bitten die Bischöfe darum, im Irak auszuharren.
Sie tun das mit Worten des entführten und dann tot aufgefundenen Erzbischofs: „Wir
sind Iraker, wir wollen den Frieden, wir wollen den Irak wieder aufbauen. Der Irak
gehört auch uns, wir bleiben hier, wir sind niemandes Feind.“
Die Demonstrationen
werden seither jeden Abend in den Kleinstädten durchgeführt, obwohl sich dort immer
wieder islamistische Milizionäre in provokanter Weise blicken lassen. Bei den Umzügen
werden Bilder der kirchlichen Märtyrer der letzten Jahre mitgeführt. Unter den Christen,
die in den vergangenen Jahren ermordet wurden, sind viele, die sich gegen eine Entführung
zur Wehr gesetzt hatten bzw. nicht zum Islam konvertieren wollten. In den letzten
zwei bis drei Jahren haben die islamistischen Extremisten im Bereich von Mossul viele
Methoden der Einschüchterung von Christen entwickelt. Neben den Schildern „Kauft nicht
bei Christen ein“ bedienen sich die jugendlichen Handlanger der Extremisten vor allem
der SMS. Immer wieder erhalten Christen auf ihren Handys Botschaften mit dem Text:
„Verschwindet oder wir schneiden euch die Gurgel durch“.
Zehntausende von Christen
haben in den letzten Jahren nach Drohungen den Irak verlassen; oft sind sie in Nachbarländer
geflüchtet. Ein Arzt aus Bagdad ist mit seiner Frau in das jordanische Amman geflohen,
nachdem er einen Drohbrief von Islamisten an seiner Haustür fand.
„Viele
Familien bekommen solche Drohbriefe. Darin steht: Wenn ihr nicht Moslems werdet, töten
wir euch. Das Bagdader Stadtviertel Dora war von assyrischen Christen besiedelt. Wenn
Sie heute dahin gehen, werden Sie kaum noch einen Christen finden. Die meisten wurden
einfach vor die Wahl gestellt: Werdet Moslems oder sterbt. Viele sind deshalb geflohen;
einige landeten hier, andere gingen in den Norden des Iraks, wo es sicherer ist. Einige
sind in Bagdad geblieben, aber in andere Viertel umgezogen, die etwas sicherer scheinen.
Dora ist jetzt leer von Christen. Und auch viele Kirchen wurden angegriffen.“
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Zwischenfrage: Wer sind diese Leute, die die Christen bedrohen?
„Terroristen.
Die haben es speziell auf die Christen abgesehen.“
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Aber woher kommen die Terroristen? Sind es Schiiten, sind es Ausländer?
„Die
Leute sagen: Die kommen von draußen. Aber wir kennen ihre Nationalität nicht: ob Saudi-Arabien,
Syrien oder Sudan... Die Amerikaner haben einige der Terroristen geschnappt und festgestellt:
Die kommen ja von überall her. Saudis zum Beispiel.“