2008-03-28 15:29:27

D: Unbekannte Augustinustexte in Erfurt entdeckt


RealAudioMP3 So etwas passiert nur alle Jubeljahre einmal: In Erfurt sind sechs bisher unbekannte Predigten des Kirchenlehrers Augustinus entdeckt worden. Das teilte die Universität Erfurt mit. Drei Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien identifizierten die Texte in einer mehr als 800 Jahre alten Handschrift der 'Biblioteca Amploniana', die in Erfurt aufbewahrt wird.

Die Forscherin Isabella Schiller entdeckte zuerst den Widerspruch zwischen der Inhaltsangabe in einem Katalog des 19. Jahrhunderts und den tatsächlich in dem Band vorhandenen Texten, erklärt Thomas Bouillon, der Leiter dieser Spezialabteilung der Bibliothek:

„Während der Bearbeitung fiel ihr auf, dass in einem Band – das ist ein kleines, aber dickes Duodezbändchen – Texte mit Augustinuspredigten vorhanden sind, die sie in ihrer Datenbank nicht nachweisen konnte.“

Die Handschrift kam wohl bereits im 15. Jahrhundert in die Sammlung des bibliophilen Mediziners und Theologen Amplonius Rating aus Rheinberg († 1435). Dieser hatte 1412 seine umfangreiche Handschriftensammlung von über 600 Bänden an das von ihm in Erfurt gegründete 'Collegium Amplonianum' gegeben.

In drei der Predigten geht es um die tätige Nächstenliebe in Form von Almosen. Augustinus spricht über die materielle Unterstützung, die die Gemeinde ihrem Bischof gewährt, und der von ihm zu leistenden geistlichen Gegengabe in Form pastoraler Betreuung.

Drei weitere der jetzt entdeckten Predigten hat Augustinus anlässlich von Märtyrerfesten gehalten. Interessant besonders die Predigt mit dem wissenschaftlichen Fachnamen „Sermo Erfurt 6“:

„Da handelt es sich um eine Predigt gegen die Unsitten bei solchen Festen, es gab nämlich damals die Sitte, sich umfänglich zu betrinken und Party zu feiern. Dies geißelt Augustinus.“

Eine andere Predigt (Sermo Erfurt 5) handelt von der Wirklichkeit der Auferstehung der Toten. In ihr fordert der Kirchenvater dazu auf, an die Wahrheit der biblischen Weissagungen zu glauben.

Wissenschaftlich gesehen ist die Neuentdeckung jedenfalls ein Glücksfall, sagt Bouillon:

„Der Fund ist nach meiner Einschätzung sehr bedeutend, denn soweit mir bekannt ist, ist die letzte Anzahl von Predigten – so um die zwanzig bislang unbekannte Predigten des Augustinus – in den frühen achtziger Jahren in Mainz gemacht worden. Davor noch einmal eine um 1970. So etwas passiert höchstens alle zwanzig, dreißig Jahre.“

Bis die Forscher mit der Neuigkeit an die Presse gegangen sind, haben sie lange gewartet: Denn man wollte sicher sein, dass es auch wirklich authentische Predigten sind. Festmachen können die Forscher das am Stil, der völlig dem der anderen Augustinus-Predigten entspricht, zweitens an der Tatsache, dass man von den Texten aufgrund von antiken Verzeichnissen wusste und drittens daran, dass die Textüberlieferung sehr glaubwürdig ist, obwohl die Handschrift aus dem 12. Jahrhundert ihrerseits mehr als 700 Jahre nach der Verfassung der Predigten entstanden ist. Als man Gewissheit hatte, knallten bei den Wissenschaftlern natürlich die Sektkorken…

„Für die ist natürlich etwas wirklich Tolles. Ich kann schon sagen, dass die Aufregung bereits begann kurz nach der vermutlichen Entdeckung im vergangenen Sommer. Das hat sich ein halbes Jahr hingezogen, bis man sich sicher sein konnte, dass es sich um echte Predigten handelte!“

Die neu entdeckten Predigten werden in der renommierten österreichischen Fachzeitschrift 'Wiener Studien. Zeitschrift für Klassische Philologie und Patristik und lateinische Tradition' veröffentlicht. In Band 121 erscheinen in Kürze die Sermones Erfurt 1, 5, und 6, während die Sermones Erfurt 2, 3 und 4 im kommenden Jahr vorgelegt werden.

Am Dienstag, dem 15. April 2008, werden I. Schiller, D. Weber und C. Weidmann auf Einladung der Universität Erfurt ihre Entdeckung in einem öffentlichen Vortrag der breiteren Öffentlichkeit in Erfurt vorstellen. Ort und Zeit des Vortrags: Erfurt, Coelicum (Domstr. 10), 19.00 Uhr.

(rv 28.03.2008 mc)











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