Resurrexi, et adhuc tecum sum. Alleluia! – Ich bin erstanden und bin immer bei dir.
Halleluja! Liebe Brüder und Schwestern, der gekreuzigte und auferstandene Jesus ruft
uns heute von neuem diese Nachricht der Freude zu: es ist die Osterbotschaft. Nehmen
wir sie mit innerem Staunen und mit Dankbarkeit an.
Resurrexi et adhuc tecum
sum. – „Ich bin erstanden und bin noch und immer bei dir.“ Diese Worte, die einer
alten Version des Psalms 139 [138] (Vers 18b) entnommen sind, erklingen am Beginn
der heutigen heiligen Messe. In diesen Worten erkennt die Kirche beim Aufgang der
Ostersonne die Stimme Jesu selbst, der bei der Auferstehung vom Tod sich voller glückseliger
Liebe an den Vater wendet und ausruft: Mein Vater, hier bin ich! Ich bin erstanden,
ich bin noch bei dir und werde es für immer sein; dein Geist hat mich niemals verlassen.
So können wir auch andere Aussagen des Psalms in neuer Weise verstehen: „Steige ich
hinauf in den Himmel, so bist du dort; bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen.
… Auch die Finsternis wäre für dich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie der
Tag, die Finsternis wäre wie Licht“ (Ps 139 [138], 8.12). Es ist wahr: In der feierlichen
Osternacht wird die Finsternis Licht, die Nacht weicht dem Tag, der keinen Untergang
kennt. Der Tod und die Auferstehung des menschgewordenen Wortes Gottes sind ein Ereignis
unübertrefflicher Liebe, der Sieg der Liebe, die uns von der Knechtschaft der Sünde
und des Todes befreit hat. Es hat den Lauf der Geschichte verändert, indem es dem
Leben des Menschen einen unauslöschlichen und erneuerten Sinn und Wert eingegossen
hat.
„Ich bin erstanden und bin noch und immer bei dir.“ Diese Worte laden
uns ein, den auferstandenen Christus zu betrachten, indem wir seine Stimme in unserem
Herz widerhallen lassen. Mit seinem Erlösungsopfer hat Jesus von Nazareth uns zu Kindern
Gottes gemacht, so daß nun auch wir uns in den geheimnisvollen Dialog zwischen Ihm
und dem Vater einbringen können. Es kommt uns wieder in den Sinn, was er eines Tages
seinen Zuhörern sagte: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt
den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es
der Sohn offenbaren will“ (Mt 11, 27). In dieser Sicht merken wir, daß die Aussage,
die der auferstandene Jesus heute an den Vater richtet – „Ich bin noch und immer bei
dir“ –, unwillkürlich auch uns betrifft, die wir „Kinder Gottes sind und Miterben
Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden“ (vgl. Röm
8, 17). Dank des Todes und der Auferstehung Christi erstehen auch wir heute zu neuem
Leben; wir vereinen unsere Stimme mit der seinen und verkünden, immer bei Gott bleiben
zu wollen, unserem Vater, der unendlich gut und barmherzig ist.
Treten wir
so in das Innerste des Ostergeheimnisses ein. Das erstaunliche Ereignis der Auferstehung
Jesu ist im wesentlichen ein Ereignis der Liebe: Liebe des Vaters, der den Sohn zum
Heil der Welt hingibt; Liebe des Sohnes, der sich dem Willen des Vaters für uns alle
überläßt; Liebe des Geistes, der Jesus in seinem verklärten Leib von den Toten erweckt.
Und weiter: Liebe des Vaters, der den Sohn „wieder umarmt“, indem er ihn in seine
Herrlichkeit hüllt; Liebe des Sohnes, der in der Kraft des Geistes mit unserer verklärten
Menschengestalt zum Vater zurückkehrt. Vom heutigen Festtag, der uns die unbedingte
und einzigartige Erfahrung der Auferstehung Jesu neu erleben läßt, ergeht also an
uns ein Aufruf, daß wir uns zu der Liebe bekehren; eine Einladung, den Haß und den
Egoismus von uns zu weisen und gelehrig der Spur des Lammes, das zu unserem Heil geopfert
wurde, zu folgen, den „gütigen und von Herzen demütigen“ Erlöser nachzuahmen, der
„Ruhe für unsere Seelen“ ist (vgl. Mt 11, 29).
Christliche Brüder und Schwestern
in allen Teilen der Welt, Männer und Frauen, die wirklich offen sind für die Wahrheit!
Niemand möge das Herz vor der Allmacht dieser Liebe verschließen, die erlöst! Jesus
Christus ist für alle gestorben und auferstanden: Er ist unsere Hoffnung! Wahre Hoffnung
für jeden Menschen. Heute sendet der auferstandene Jesus, wie er es vor seiner Rückkehr
zum Vater mit seinen Jünger in Galiläa tat, auch uns als Zeugen seiner Hoffnung überall
hin und versichert uns: Ich bin immer bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt (vgl.
Mt 28, 20). Wenn wir im Geiste auf die verherrlichten Wundmale seines verklärten Leibes
schauen, können wir den Sinn und den Wert des Leidens verstehen und die vielen Wunden
verbinden, die auch in unseren Tagen die Menschheit weiter mit Blut überziehen. In
seinen verherrlichten Wundmalen erkennen wir die unauslöschlichen Zeichen der unendlichen
Barmherzigkeit Gottes, von der der Prophet spricht: Er ist es, der alle heilt, deren
Herzen zerbrochen sind, der die Schwachen verteidigt und den Gefangenen die Freiheit
verkündet, der alle Trauernden tröstet und ihnen Freudenöl statt Trauergewand, Jubel
statt der Verzweiflung bringt (vgl. Jes 61, 1.2.3). Wenn wir uns Ihm mit demütigem
Vertrauen nähern, begegnen wir in seinem Blick der Antwort auf das Verlangen tief
in unserem Herzen: Gott zu erkennen und mit Ihm eine lebendige Beziehung in einer
echten Gemeinschaft der Liebe zu schließen, die unser Dasein wie auch unsere zwischenmenschlichen
und sozialen Beziehungen mit seiner Liebe selbst erfüllt. Darum braucht die Menschheit
Christus: in Ihm, unserer Hoffnung, „sind wir gerettet“ (vgl. Röm 8, 24).
Wie
oft aber sind die Beziehungen zwischen Mensch und Mensch, zwischen Gruppe und Gruppe,
zwischen Volk und Volk nicht von Liebe, sondern von Egoismus gekennzeichnet, von Ungerechtigkeit,
von Haß, von Gewalt! Es sind die Wunden der Menschheit, offen und schmerzend in jedem
Winkel des Planeten, wenn auch oft unbeachtet oder zuweilen absichtlich verborgen;
Wunden, die die Seelen und Leiber unzähliger unserer Brüder und Schwestern zerreißen.
Sie warten darauf, durch die verherrlichten Wundmalen des auferstandenen Herrn verbunden
und geheilt zu werden (vgl. 1 Petr 2, 24-25) und durch die Solidarität derer, die
auf seinen Spuren und in seinem Namen Werke der Liebe vollbringen, sich tatkräftig
für die Gerechtigkeit einsetzen und um sich herum leuchtende Zeichen der Hoffnung
verbreiten an den von blutigen Konflikten heimgesuchten Orten und überall dort, wo
die Würde der menschlichen Person weiterhin mißachtet und verletzt wird. Mein Wunsch
ist, daß genau dort sich die Zeugnisse von Milde und Vergebung vervielfachen!
Liebe
Brüder und Schwestern, lassen wir uns vom strahlenden Licht dieses Festtages erleuchten;
öffnen wir uns in aufrichtigem Vertrauen dem auferstandenen Christus, damit die erneuernde
Kraft des Ostergeheimnisses sich auch in einem jeden von uns, in unseren Familien,
in unseren Städten und in unseren Nationen zeigt. In allen Teilen der Welt möge sie
sichtbar werden. Wie sollte man in diesem Augenblick nicht insbesondere an einige
Regionen Afrikas wie Darfur und Somalia, an den gepeinigten Nahen Osten – vor allem
an das Heilige Land, an den Irak und den Libanon – und schließlich an Tibet denken;
für diese Regionen unterstütze ich die Suche nach Lösungen, die das Wohl und den Frieden
schützen! Erflehen wir auf die Fürsprache Mariens, die nach der Teilnahme an den Leiden
der Passion und der Kreuzigung ihres unschuldigen Sohnes auch die unaussprechliche
Freude seiner Auferstehung erfahren hat, die Fülle der österlichen Gaben. Maria, die
in die Herrlichkeit Christi aufgenommen worden ist, möge uns beschützen und auf dem
Weg der brüderlichen Solidarität und des Friedens geleiten. Dies sind meine Osterwünsche
an euch, die ihr hier zugegen seid, und an die Männer und Frauen jeder Nation und
auf jedem Kontinent, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. Gesegnete,
frohe Ostern!