2008-03-21 15:12:27

Vatikan: Jüdische Irritaionen „nicht abtun“


Irritationen auf jüdischer Seite wegen der Karfreitags-Fürbitte für den alten Messritus sollte man „nicht als Ausdruck von Überempfindlichkeit abtun“. Das schreibt Kardinal Walter Kasper in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Allerdings helfe in dieser Situation nur eine ehrliche Auseinandersetzung weiter, so der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, in dessen Zuständigkeit der katholisch-jüdische Dialog fällt.

„Lasst uns auch beten für die Juden, dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als Retter aller Menschen erkennen.“ So lautet die von Benedikt XVI. neu formulierte Karfreitags-Fürbitte für die Juden im alten, „außerordentlichen“ Messritus von 1962, den der Papst vor einigen Monaten rehabilitierte. Nicht wenige jüdische Organisationen stoßen sich an dieser Formulierung, die eigentlich eine Besserung gegenüber der früheren Version darstellen sollte. Kardinal Kasper schreibt, dass nicht nur Juden, sondern auch viele Katholiken die frühere Fassung als „anstößig“ empfunden hätten.

Freilich hätten auch die neuen Formulierungen zu neuen Irritationen geführt. Diese seien „auf jüdischer Seite weithin nicht rational, sondern emotional begründet“, beobachtet Kasper. Er warnte davor, die Irritationen als Ausdruck von Überempfindlichkeit abzutun. „Kollektive Erinnerungen an Zwangskatechesen und Zwangsbekehrungen“ seien bei vielen Juden nach wie vor lebendig; sie betrachteten eine „Judenmission“ deshalb als existenzbedrohend. So bedürfe es im jüdisch-christlichen Verhältnis noch immer eines hohen Maßes an Sensibilität.

Die eigentlich kontroverse Frage lautet für Kasper, ob Christen für die Bekehrung von Juden beten sollen und ob es eine Judenmission geben kann. In dem neu formulierten Gebet sei zwar nicht von „Bekehrung“ die Rede, sehr wohl allerdings komme das Wort in der – unverändert gebliebenen – Überschrift der Fürbitte vor. Viele Juden hätten den neuen Text „mit der Brille dieser Überschrift gelesen, was die beschriebenen Reaktionen hervorrief“.

Kasper hebt in seinem Text für die Zeitung den Unterschied zwischen einer „gezielten und organisierten Mission“ einerseits und christlichem Zeugnis andererseits hervor. Der Ausschluss der gezielten Judenmission bedeute nämlich nicht, dass die Christen die Hände in den Schoß legen sollten. Selbstverständlich sollten sie dort, wo es angebracht ist, Zeugnis geben von ihrem Glauben. Es wäre „unredlich“, wenn Christen "bei der Begegnung mit jüdischen Freunden von ihrem Glauben schweigen oder ihn gar verleugnen würden“.

Kasper weist überdies darauf hin, dass der Papst die Karfreitagsfürbitte im alten, nicht jedoch im neuen Ritus von 1970 verändert habe. Das zeige, dass die Kirche mit der neuen Formulierung nicht hinter das II. Vatikanische Konzil zurückgehe. - Das nachkonziliare Römische Messbuch von 1970 hat nach Anordnung des Papstes als „ordentlicher“ Usus zu gelten. Die dort formulierte Karfreitagsfürbitte führt auf jüdischer Seite nicht zu Irritationen. Die überwiegende Mehrheit der römisch-katholischen Gläubigen sowie auch Benedikt XVI. selbst feiert den Gottesdienst nach dem neuen Messbuch.
(FAZ, 21.02.2008 gs)








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