Mehrere Tausend Menschen
haben am Freitag an der Beisetzung des chaldäischen Erzbischofs von Mossul teilgenommen.
Paulos Faraj Rahho war am 29. Februar entführt, sein Leichnam am Donnerstag in der
Nähe der nordirakischen Stadt tot aufgefunden worden. In seinem letzten Interview
- das er der italienischen Wochenzeitung „Tempi“ gewährte - hatte Erzbischof Rahho
die Christenverfolgung im Irak verurteilt. Die Islamisten hätten keine andere Absicht,
als das Eigentum der Christen an sich zu reißen und die Christen dann aus dem Land
zu vertreiben. Vorbild dieses Vorgangs seien die Ereignisse in der Türkei in der Endphase
des Osmanischen Reiches von 1914 bis 1923 (die chaldäischen Katholiken hatten dort
zu den Hauptleidtragenden des Ausrottungsfeldzuges der „Ittihadisten“, des „Komitees
für Einheit und Fortschritt“, und dann auch der Unterdrückungsmaßnahmen der Kemalisten
gezählt).
Der Patriarch der Chaldäer, Immanuel III. Delly, leitete die Beisetzungsfeierlichkeiten
für Rahho in Karamles. In dem Dorf waren bereits der Fahrer und die Leibwächter Rahhos
beigesetzt worden, die bei der Entführung ums Leben kamen. Schwester Iva von den Töchtern
der Unbefleckten Empfängnis berichtet: „Es waren unglaublich viele Menschen
da: Christen, Moslems, der Patriarch, der Nuntius, viele Priester. Wir Christen verlieren
nicht den Glauben, im Gegenteil: Das gibt uns Kraft. Wir sind Teil der Geschichte
und der Wurzeln dieses Landes. Wir haben keine Angst, sondern den Glauben und Mut.
Die Menschen beten trotz allem.“
Erzbischof Faraj Rahho hatte vor seinem
Tod den Irak-Krieg scharf kritisiert. Das Eingreifen der Amerikaner und ihrer Verbündeten
habe zur „Flucht der Intellektuellen" aus dem Irak geführt, von denen rund ein Drittel
Christen gewesen seien. Unter einem „obskurantistischen islamischen Regime" werde
der Irak in „Armut und Ohnmacht“ verfallen „und die USA und ihre Freunde meinen, das
Land dann umso leichter beherrschen zu können“, so Rahho im Interview mit der italienischen
Wochenzeitung. In einer Erklärung vom Freitag verurteilte das US-Kommando in Bagdad
Entführung und Tod des Erzbischofs und beschuldigte el-Quaida. Es handle sich um einen
der barbarischsten Akte, Unfrieden im Land zu schüren. Die irakische Ordensfrau: „Er
hat den Irak geliebt. Er sagte stets: ,Der Irak gehört allen. Wir wollen dieses Land
aufbauen.’ Er war ein Freund aller, nicht nur der Christen, hatte gute Beziehungen
auch zu den Muslimen und tat allen Gutes. Er war ein Mensch, den alle mochten, auch
die Muslime. Er selbst machte keinen Unterschied.“
Am Tod des Erzbischofs
- über dessen Ursachen weiterhin Unklarheit herrscht - könnte sich jetzt die Zukunft
der Christen im Land entscheiden, vermuten Menschenrechtler. Sie erlebten sozusagen
den vorerst traurigen Höhepunkt der „größten humanitären Katastrophe seit fünfzig
Jahren." Die Gesellschaft für bedrohte Völker bezeichnet die Vertreibung der Christen
aus dem Irak als „gegenwärtig größte Christenverfolgung weltweit". Vor allem durch
Morde und Entführungen sowie gezielte Terroranschläge islamistischer Fanatiker auf
Kirchen, Klöster, christliche Schulen und Pfarrhäuser ist nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation
bereits ein großer Teil der Christen aus dem Irak vertrieben worden. Vor 20 Jahren
gab es im Irak noch etwa 1,4 Millionen Christen. Heute sind es weniger als 600.000. (rv/afp/kap/pm
15.03.2008 bp)