An diesem Donnerstag
vor 70 Jahren sind deutsche Truppen in Österreich, dem Geburtsland von Adolf Hitler,
einmarschiert. Die österreichischen Bischöfe verabschiedeten daher bei ihrer letzten
Vollversammlung ein Dokument, in dem sie sich kritisch mit der Rolle der Kirche in
jenen dunklen Jahren der Geschichte auseinandersetzen. Dass es bei der Auseinandersetzung
aber nicht nur um Vergangenheit geht, sondern auch um die Gegenwart, zeigen einige
alarmierende Entwicklungen in der Österreichischen Politik. Jüngstes Beispiel: Das
Urteil des Obersten Gerichtshofs, die Geburt eines behinderten Kindes als Schadensfall
zu bezeichnen. Nur ein Beispiel für beunruhigende Tendenzen in der Gesellschaft,
sagt der lutherische Bischof Michael Bünker. Er äußerte sich am Mittwoch bei einem
Symposion zum Thema „Europas Weg von der Diktatur zur Demokratie“ in Wien.
„Die
Verfassung Österreichs ist für alle Bürgerinnen und Bürger ein hoher Wert. Der Umgang
mit dieser Verfassung lässt zu wünschen übrig. Es kann und darf nicht sein, dass Erkenntnisse
des Verfassungsgerichtshofes ignoriert werden. Es kann auch nicht sein, dass politische
Mehrheiten statt ihre Haltung im Sinn der Verfassung zu ändern im Anlassfall lieber
die Verfassung ändern.“
Demokratie sei auch heute keine Selbstverständlichkeit,
so der Bischof.
„Es braucht das wache und wachsame Engagement aller Bürgerinnen
und Bürger. Wohl sind wir stolz auf unsere repräsentative Demokratie und ich glaube
zu Recht. Doch so manches Mal gewinnt man den Eindruck, dass die politischen Parteien
nicht mehr alleine diese Vertretungsaufgabe im Blick haben, sondern ihre eigenen Interessen
vor die Interessen des Staatsganzen stellen.“
Es bedürfe eines grundlegenden
Wandels der politischen Kultur in Österreich, so Bunker:
„Wenn Kommentatoren
der österreichischen Politik wie in den letzten Wochen geschehen immer wieder davon
ausgehen, dass Postenschacher, parteipolitisch motivierte Einflussnahme auf verfassungsgemäße
Institutionen oder finanzielle Vorteilnahme irgendwie zum österreichischen Lokalkolorit
dazu gehören, dann müssen denk eich alle demokratiepolitischen Alarmglocken anschlagen.“
Derweil
gedachten Tausende Menschen in einer „Nacht des Schweigens“ auf dem Wiener Heldenplatz
der Opfer des NS-Regimes in Österreich. Die Aktion zum 70. Jahres des „Anschlusses“
war gemeinsam von der Katholischen Jugend und der Aktion „A Letter to the Stars“ initiiert
worden. 80.000 Kerzen wurden im Gedenken an die Ermordeten entzündet. Wie die Katholische
Jugend am Donnerstag berichtete, seien bis in die Morgenstunden Menschen durch dieses
Kerzenmeer gegangen. Laut Schätzung der Polizei waren insgesamt an die 20.000 Personen
auf den Heldenplatz gekommen.