Das Christentum muss
sich mit dem Islam auseinandersetzen. Andere Religionen seien in Europa nicht mehr
nur zu Gast, sagte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper an diesem Dienstag in
Rom. Grundlage für den interreligiösen Dialog sei eine gute Kenntnis der eigenen Theologie
und die Wahrung der eigenen Identität, so Kasper. „Andere Religionen sind in
Europa bleibend da. Der Islam ist an erster Stelle zu nennen. Das macht sehr vielen
Menschen Angst. Doch wir müssen uns aktiv damit auseinandersetzen, in ein konstruktives
und zugleich kritisches Gespräch eintreten, nicht in ein naives Gespräch, das nur
vom ,gleichen Gott' spricht. Aber wir müssen zunächst selbst wissen, wer wir sind.“ Der
Systematiker und frühere Tübinger Theologieprofessor kritisierte eine Atheismuswelle
in Europa, der Christen nicht tatenlos gegenüberstehen dürften. Als Beispiel nannte
Kasper die atheistische Ethik in Richard Dawkins Buch „Der Gotteswahn“. „Wir
haben jetzt eine ganz Welle von Büchern, die alle Bestseller sind, mit einem sehr
aggressiven missionarischen Atheismus. Wir dürfen also nicht meinen, der Atheismus
sei eine Sache des 19. Jahrhunderts, und das hätten wir überwunden. Nein, da müssen
wir dagegen halten.“ Missionarischer Atheismus oder eine neu auftauchende diffuse
Religiosität – beiden müsse das christliche Gottesverständnis entgegengehalten werden,
so Kasper. „Es gibt eine Rückkehr des religiösen Bewusstseins, der religiösen
Sehnsucht. Religion ist auch in die öffentliche Diskussion zurückgekehrt, und der
liebe Gott ist im Grunde wieder salonfähig geworden. Aber das ist oft ein sehr vages
Gottesverständnis, ein Allerweltsgott, oft eine rein emotionale Angelegenheit.“ Es
gibt Grund, so Kasper, Präsident des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen,
im theologischen Schaffen und im gesellschaftlichen wie interreligiösen Dialog die
Gottesfrage in den Mittelpunkt zu stellen: „Dabei natürlich auch das ganze Problem
von Glauben und Wissen: Das ist ja ein Problem, das dem gegenwärtigen Papst sehr am
Herzen liegt: nicht nur ein gefühlsmäßiger Glaube, sondern ein Glaube, der sich dem
Licht der Vernunft stellt, und der Gott denken will. Ich kann mir nichts faszinierenderes
denken, als Gott zu denken. Gott ist etwas, was über alles Denken hinaus geht. Und
das, was über alles Denken hinaus geht, noch einmal ins Denken zu erheben, das ist
die große Herausforderung.“ Walter Kasper äußerte sich bei einer Pressekonferenz
anlässlich der Neu-Herausgabe seines Grundlagenwerks „Der Gott Jesu Christi“ und der
Präsentation einer Festschrift zu Kaspers 75. Geburtstag, den der Kardinal am Mittwoch
begeht. In einem Geleitwort dankt Benedikt XVI. für Kaspers Einsatz in der Theologie
und für die Kirche. (rv 04.03.2008 bp)