Die Lage in der Hauptstadt
Ndjamena im Tschad bleibt unübersichtlich: Sowohl die Rebellen als auch die Regierung
nimmt für sich in Anspruch, die tschadische Hauptstadt zu kontrollieren. Westliche
Staaten haben die Rettung ihrer Staatsbürger aus dem Tschad vorbereitet. Die Krise
im zentralafrikanischen Land ist nicht neu. Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenze“
ist seit mehreren Jahren dort präsent.
Seit Anfang 2006 mussten mehr als 100.000
Menschen im Südosten des Tschad von zu Hause fliehen, weil ihre Dörfer von bewaffneten
Milizen angegriffen wurden. Bei vielen Angriffen gab es Tote und Verletzte. Häuser
und Lebensmittelvorräte wurden geplündert oder verbrannt. Die Menschen sind in aller
Hast geflohen und konnten nur wenige Habseligkeiten mitnehmen. An manchen Orten sind
Tausende in provisorischen Lagern zusammengekommen und leben seit Wochen unter schwierigsten
Bedingungen. Grace Tang ist Projektleiterin bei Ärzte ohne Grenzen und beschreibt
die Situation:
"Die Leute haben Äste und Stroh gesammelt und sich daraus
provisorische Unterkünfte gebaut. Sie haben kaum Habseligkeiten mehr, denn ihre Häuser
wurden verbrannt und ihr Besitz zerstört. Bis zu zehn Personen versuchen in einer
kleinen Hütte zu Recht zu kommen. Es ist sehr schwierig."
Familien suchen
im Lager Gassire nahe der Stadt Goz Beida Schutz. Die meisten stammen aus dem Dorf
Angred. Die Frauen erzählen von der Attacke im vergangenen Oktober: Es habe gegen
sechs in der früh begonnen, Häuser, Felder, Hirse-Vorräte, alles hätten die Angreifer
in Brand gesteckt. Vier Männer aus dem Dorf seien getötet worden, darunter der Mann
einer der Frauen in der Strohhütte. Sie habe ihn nicht einmal beerdigen können und
lebt nun mit ihren fünf Kindern im Lager.
"Eine Frau sucht in der Regel
sechs Stunden außerhalb des Lagers nach Feuerholz, versucht es am Nachmittag auf dem
Markt zu verkaufen, um dann davon Nahrungsmittel zu besorgen. Die Menschen leben von
der Hand in den Mund, sie haben keine Vorräte mehr."
In Gassire Camp leben
mehr als 8.000 Vertriebene. Ein mobiles Team von Ärzte ohne Grenzen bietet drei Mal
in der Woche medizinische Behandlung an. In einem Zelt werden bis zu 150 Patienten
pro Tag behandelt. Darunter eine steigende Zahl unterernährter Kinder. Daneben sind
Durchfall- und Atemwegserkrankungen besonders häufig. Der Arzt Maximilian Gertler
ist über die vielen Kinder erschüttert, die an Bindehautentzündung - oder Konjunktivitis
- leiden:
"Konjunktividen sieht man ganz viel hier durch den vielen Staub,
dazu schlafen die Kinder in dem Staub und der trägt viele Bakterien in die Augen und
dann gibt es diese Schleimhautentzündung. Und bei dem Kind war es so heftig, dass
der Eiter schier aus den Augenlidern läuft. Das kann man lokal mit antibiotischen
Salben behandeln, gegebenenfalls unterstützen mit einer Tablette. Außerdem natürlich
Hygiene, Auswaschen der Augen, sauberes Wasser gibt es fast gar nicht hier. Im Gegenteil:
das Wasser ist so verdreckt, dass man neue Bakterien hineinträgt. Das Wasser kommt
rotbraun aus den Brunnen und diese Brunnen sind nicht geschützt, das heißt jeglicher
Dreck kann in diese Brunnen gelangen."
Deshalb baut Ärzte ohne Grenzen
neue Brunnen. Die Logistiker wenden eine einfache Technik an, bei der das Brunnenrohr
mit Hilfe von Wasserdruck in den Sandboden getrieben wird. Nach wenigen Stunden kann
die Handpumpe installiert werden und die Menschen beginnen, die zahllosen Eimer, Schalen
und Kanister mit sauberem Trinkwasser zu füllen. Ende Januar 2007 hat das UN-Welternährungsprogramm
in Gassire Camp Nahrungsmittel an die über 2.000 Familien ausgegeben, die für vier
Wochen reichen sollen. Das Team von Ärzte ohne Grenzen hilft beim Verteilen von Decken,
Matten, Eimern, Seife und Plastikplanen. Damit verbessert sich die Situation zumindest
für die Vertriebenen in Gassire Camp ein wenig. Doch an vielen Orten im Südosten des
Tschad warten die Menschen bislang vergeblich auf Unterstützung. Am dringendsten brauchen
die Menschen Sicherheit in ihren Heimatdörfern, damit sie zurückkehren und ihre Felder
bestellen können. Dafür aber sieht Projektleiterin Grace Tang kaum Chancen:
"Es
gibt keine Sicherheit. Als einige Dorfbewohner im Dezember versucht haben, auf ihre
Felder zu gehen und ihre Habseligkeiten aus den Dörfern zu holen, wurden sie angegriffen,
beschossen oder getötet. Deshalb bleiben die Menschen erst einmal wo sie sind."