2008-02-01 09:43:17

Kolumne eines Brückenbauers


RealAudioMP3 Das Europäisches Jahr des interkulturellen Dialoges aus EU- und aus Vatikansicht - das beleuchtet der deutsche Botschafter am Heiligen Stuhl in seiner Januar-Kolumne für Radio Vatikan. Hier der Beitrag von Hans-Henning Horstmann:


Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer,


Ein wichtiger Aspekt der Globalisierung ist eine neue und bisher nicht gekannte Nähe von Menschen, Kulturen und Religionen. Der europäische Einigungsprozess, die europäische Nachbarschaftspolitik, Migration und Immigration haben in vielen Ländern zu einer höheren Zahl an Sprachen und Glaubensbekenntnissen, und so zu größerer ethnischer und kultureller Vielfalt geführt. Die Begegnung mit Menschen anderer Kulturen und Religionen ist zwar tägliche Erfahrung, aber noch nicht stets bereichernde Begegnung. Mit hoher Priorität suchen wir deshalb in ganz Europa nach Wegen guter Integration. Der Erfolg hängt nicht nur von wirtschaftlichen oder rechtlichen Belangen ab. Kultur und Religion stiften Identität. Wir stehen vor einer großen Herausforderung, deren Kern ein interkultureller Lernprozess ist.


Die Europäische Union will diesen Prozess aktiv gestalten. Das Jahr 2008 soll daher auch als „Europäisches Jahr des interkulturellen Dialoges“ genutzt werden. Es ist Teil der ersten europäischen Kulturagenda in Zeiten der Globalisierung, die im Mai 2007 von der EU-Kommission ins Leben gerufen worden ist. Ihre drei Kernziele richten sich auf eine moderne, globale europäische Gesellschaft, die vor interkulturellen Herausforderungen steht, nämlich „Förderung der kulturellen Vielfalt und des interkulturellen Dialogs, Förderung der Kultur als Katalysator für Kreativität und Förderung der Kultur als zentrales Element in den internationalen Beziehungen der EU“.


Menschliche Identitäten sind durch Geschichte, Geografie und Glaube geprägt. Religionen und Weltanschauungen stehen im besonderen Fokus von interkulturellen Dialogen und Integrationspolitiken. Missverständnissen und Ängsten begegnen wir am wirkungsvollsten durch respektvollen Austausch, Aufgeschlossenheit, Wissen und Lernen voneinander. In Deutschland gibt es deshalb auf staatlicher und kirchlicher Seite zahlreiche Prozesse, die politische, kulturelle und religiöse Aspekte im interkulturellen Dialog behandeln. Die in der EU wachsende kulturelle Vielfalt verlangt ebenfalls nach einer dialogischen Struktur kultureller Identitäten, um positive Kräfte für Gesellschaft und Staat entfalten zu können. Als Beispiel solcher Initiativen nenne ich die von Bundesinnenminister Schäuble begründete deutsche Islamkonferenz.


Der Heilige Stuhl hat sich bereits vor Jahrzehnten zu Dialog-Initiativen entschlossen. Das gilt zunächst für den Bereich der christlichen Ökumene. Der von Kardinal Kasper geführte Rat für die Einheit der Christen hat vor allem durch den Austausch mit der Orthodoxie Wesentliches für das Miteinander verschiedener Kulturen in Europa geleistet. Ich erwähne als ein Beispiel nur die letzte ökumenische Konferenz in Sibiu/Hermannstadt. Nach dem II. Vatikanischen Konzil gründete Papst Paul VI. auch den Rat für die Nichtglaubenden, der später im Rat für die Kultur aufging. Die Gründung des Rates für den interreligiösen Dialog bestätigt und erweitert die dialogische Struktur des Zugehens auf andere Religionen und Kulturen. Im Verhältnis zum Islam, das für Europa besonders relevant ist, hat der Heilige Stuhl wichtige Wegmarken gesetzt. Der beginnende Dialog von Repräsentanten des Islam mit dem Heiligen Stuhl, darunter auch durch ein Treffen mit Papst Benedikt XVI., lassen auf Wachstum und Verstetigung einer dialogisch angelegten Struktur der Begegnung von Religionen und Kulturen hoffen.
Der Heilige Stuhl besitzt im Gefüge dieser Beziehungen eine einflussreiche Position. Er nutzt sie im Sinne des interkulturellen Dialogs. Damit leistet er einen unersetzlichen Dienst für den Frieden zwischen Völkern und innerhalb sich ändernder europäischer Gesellschaften.


Papst Benedikt XVI. ist dafür bekannt, unermüdlich die christlichen Wurzeln und Werte Europas in Erinnerung zu rufen. Dies steht keineswegs im Gegensatz zu den Zielen des interkulturellen Dialogs. Im Gegenteil: dessen Erfolg setzt das Wissen um die jeweils eigene Identität voraus.


Die Europäische Union gibt mit der Initiative für das Jahr des interkulturellen Dialogs eine wichtige Anregung. Meine Aufgabe als deutscher Botschafter ist Brückenbauer. Daher werde ich mich wie bisher dem Dialog stellen und ihn mit aller Kraft und voller Zuversicht behutsam, einfühlsam und stetig begleiten und fördern. Die EU und der Heilige Stuhl leisten im vielfältigen Dialog einen sich ergänzenden, gemeinsamen Beitrag für die friedvolle Entwicklung unseres Kontinents.


(rv 31.01.2008 bp)








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