Das Europäisches Jahr
des interkulturellen Dialoges aus EU- und aus Vatikansicht - das beleuchtet der deutsche
Botschafter am Heiligen Stuhl in seiner Januar-Kolumne für Radio Vatikan. Hier der
Beitrag von Hans-Henning Horstmann:
Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte
Hörer,
Ein wichtiger Aspekt der Globalisierung ist eine neue und bisher
nicht gekannte Nähe von Menschen, Kulturen und Religionen. Der europäische Einigungsprozess,
die europäische Nachbarschaftspolitik, Migration und Immigration haben in vielen Ländern
zu einer höheren Zahl an Sprachen und Glaubensbekenntnissen, und so zu größerer ethnischer
und kultureller Vielfalt geführt. Die Begegnung mit Menschen anderer Kulturen und
Religionen ist zwar tägliche Erfahrung, aber noch nicht stets bereichernde Begegnung.
Mit hoher Priorität suchen wir deshalb in ganz Europa nach Wegen guter Integration.
Der Erfolg hängt nicht nur von wirtschaftlichen oder rechtlichen Belangen ab. Kultur
und Religion stiften Identität. Wir stehen vor einer großen Herausforderung, deren
Kern ein interkultureller Lernprozess ist.
Die Europäische Union will diesen
Prozess aktiv gestalten. Das Jahr 2008 soll daher auch als „Europäisches Jahr des
interkulturellen Dialoges“ genutzt werden. Es ist Teil der ersten europäischen Kulturagenda
in Zeiten der Globalisierung, die im Mai 2007 von der EU-Kommission ins Leben gerufen
worden ist. Ihre drei Kernziele richten sich auf eine moderne, globale europäische
Gesellschaft, die vor interkulturellen Herausforderungen steht, nämlich „Förderung
der kulturellen Vielfalt und des interkulturellen Dialogs, Förderung der Kultur als
Katalysator für Kreativität und Förderung der Kultur als zentrales Element in den
internationalen Beziehungen der EU“.
Menschliche Identitäten sind durch
Geschichte, Geografie und Glaube geprägt. Religionen und Weltanschauungen stehen im
besonderen Fokus von interkulturellen Dialogen und Integrationspolitiken. Missverständnissen
und Ängsten begegnen wir am wirkungsvollsten durch respektvollen Austausch, Aufgeschlossenheit,
Wissen und Lernen voneinander. In Deutschland gibt es deshalb auf staatlicher und
kirchlicher Seite zahlreiche Prozesse, die politische, kulturelle und religiöse Aspekte
im interkulturellen Dialog behandeln. Die in der EU wachsende kulturelle Vielfalt
verlangt ebenfalls nach einer dialogischen Struktur kultureller Identitäten, um positive
Kräfte für Gesellschaft und Staat entfalten zu können. Als Beispiel solcher Initiativen
nenne ich die von Bundesinnenminister Schäuble begründete deutsche Islamkonferenz.
Der
Heilige Stuhl hat sich bereits vor Jahrzehnten zu Dialog-Initiativen entschlossen.
Das gilt zunächst für den Bereich der christlichen Ökumene. Der von Kardinal Kasper
geführte Rat für die Einheit der Christen hat vor allem durch den Austausch mit der
Orthodoxie Wesentliches für das Miteinander verschiedener Kulturen in Europa geleistet.
Ich erwähne als ein Beispiel nur die letzte ökumenische Konferenz in Sibiu/Hermannstadt.
Nach dem II. Vatikanischen Konzil gründete Papst Paul VI. auch den Rat für die Nichtglaubenden,
der später im Rat für die Kultur aufging. Die Gründung des Rates für den interreligiösen
Dialog bestätigt und erweitert die dialogische Struktur des Zugehens auf andere Religionen
und Kulturen. Im Verhältnis zum Islam, das für Europa besonders relevant ist, hat
der Heilige Stuhl wichtige Wegmarken gesetzt. Der beginnende Dialog von Repräsentanten
des Islam mit dem Heiligen Stuhl, darunter auch durch ein Treffen mit Papst Benedikt
XVI., lassen auf Wachstum und Verstetigung einer dialogisch angelegten Struktur der
Begegnung von Religionen und Kulturen hoffen. Der Heilige Stuhl besitzt im Gefüge
dieser Beziehungen eine einflussreiche Position. Er nutzt sie im Sinne des interkulturellen
Dialogs. Damit leistet er einen unersetzlichen Dienst für den Frieden zwischen Völkern
und innerhalb sich ändernder europäischer Gesellschaften.
Papst Benedikt
XVI. ist dafür bekannt, unermüdlich die christlichen Wurzeln und Werte Europas in
Erinnerung zu rufen. Dies steht keineswegs im Gegensatz zu den Zielen des interkulturellen
Dialogs. Im Gegenteil: dessen Erfolg setzt das Wissen um die jeweils eigene Identität
voraus.
Die Europäische Union gibt mit der Initiative für das Jahr des
interkulturellen Dialogs eine wichtige Anregung. Meine Aufgabe als deutscher Botschafter
ist Brückenbauer. Daher werde ich mich wie bisher dem Dialog stellen und ihn mit aller
Kraft und voller Zuversicht behutsam, einfühlsam und stetig begleiten und fördern.
Die EU und der Heilige Stuhl leisten im vielfältigen Dialog einen sich ergänzenden,
gemeinsamen Beitrag für die friedvolle Entwicklung unseres Kontinents.