2008-01-31 13:09:12

Vietnam: Katholiken demonstrieren in Hanoi


RealAudioMP3 In Vietnam spielen sich - fernab vom Fernsehauge der Welt-Öffentlichkeit - Szenen ab, die an die friedliche Revolution in Osteuropa erinnern: Betende Demonstranten, um eine Marienstatue geschart, von nervösen Polizisten des kommunistischen Regimes bespitzelt. Es sind Szenen aus der Stadt Hanoi. Seit langem schon fordern die Katholiken des Landes die Rückgabe von Kircheneigentum, das in den fünfziger und sechziger Jahren von den Kommunisten enteignet worden war. In Hanoi nun spitzt sich die Angelegenheit, nur einen Steinwurf von der Kathedrale entfernt, zu. Seit Wochen hält dort eine friedliche Gebets-„Demonstration“ an. Vu Quoc Dung von der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“:

„Wir befürchten, dass ein gewaltsamer Eingriff unmittelbar bevorsteht. Es gibt dafür Anzeichen - z.B. gab es in den letzten Tagen eine rege Mobilisierung von Polizei- und Militärfahrzeugen in der Nähe des Geländes; die Teilnehmer der Mahnwache werden seither gefilmt, und die Staatspresse startet eine Verleumdungskampagne gegen die katholische Kirche. - Man muss sehen, dass dieser Landstreit schon seit über fünfzig Jahren ausgetragen wird. Das kommt also nicht von heute auf morgen. Auslöser des aktuellen Unmuts ist die ständige Verletzung des Status quo, der zwischen Staat und Kirche bis zur Beilegung des Streits vereinbart worden war.“

Es gebe im Moment zahlreiche Kontakte zwischen Regime und Kirche, so der Experte weiter. Die Kirchenführung des Landes und der Vatikan - der derzeit mit Vietnam über diplomatische Beziehungen verhandelt - hoffen auf eine gütliche Einigung des Konflikts auf dem Verhandlungsweg.

Hören Sie in unserem Audio-Angebot ein Interview mit Vu Quoc Dung von der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“. Stefan Kempis fragte ihn nach der augenblicklichen Lage in Hanoi.

 
(rv 31.01.2008 sk)

 
Wir dokumentieren hier den Text einer Presse-Mitteilung der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ zum Thema Katholiken-Demo in Hanoi.

Seitdem das Volkskomitee der Stadt Hanoi ein Ultimatum vor drei Tagen verstreichen ließ, wonach der Erzbischof eine Versammlung von Katholiken auf dem Gelände der Nuntiatur auflösen, eine Pieta-Statue und ein Kreuz entfernen sollte, ist es am Bischofssitz angespannt ruhig. Trotz Kälte und Regen hält eine Gruppe von 40 Katholiken Tag und Nacht eine Mahnwache, um der Forderung des Erzbischofs nach Rückgabe eines Gebäudes Nachdruck zu verleihen. Seit dem 29. Januar 2008 beobachtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) eine rege Mobilisierung von Polizei und Militärfahrzeugen in der Nähe des Geländes. Die Teilnehmer der Mahnwache werden seither gefilmt. Die IGFM befürchtet, dass ein gewaltsamer Eingriff unmittelbar bevorsteht. Die IGFM ruft die vietnamesische Regierung zur Besonnenheit und zum Verzicht von Gewalt auf.
Auf dem ca. ein Hektar großen Gelände des Bischofsitzes von Hanoi befindet sich neben der Kathedrale, dem Priesterhaus und dem Priesterseminar auch noch der Sitz des damaligen Nuntius. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Nordvietnam war der Nuntius 1959 des Landes verwiesen und die Nuntiatur beschlagnahmt worden. Der Erzbischof von Hanoi ist nun der Meinung, dass das Nuntiatur-Gebäude und das dazu gehörende Grundstück Eigentum der Kirche in Vietnam seien. Die Regierung behauptet, ein (regierungsfreundlicher) Priester habe das Gelände dem Staat im Jahre 1961 geschenkt.
Die Regierung hatte bereits den Bau einer Mauer durchgesetzt, die einen Teil der Räumlichkeiten vom Bischofssitz trennt. Diese Räumlichkeit wird kommerziell genutzt. Neben einem Restaurant und einem Kraftstudio wurden auf dem Nuntiatur-Gelände bis vor einigen Jahren auch eine Trinkbar und ein Nachtklub betrieben. Dessen laute Musik war bis in die tiefe Nacht zu hören und störte die Ruhe der Priester in der Bischofsresidenz. Viele Katholiken behaupten, dass der frühere Bischof durch diese nächtliche Ruhestörung krank geworden sei. Auslöser des aktuellen Unmuts ist die ständige Verletzung des Status quo, der zwischen Staat und Kirche bis zur Beilegung des Streits vereinbart worden war. Ungeachtet der Beschwerde des Erzbischofs wurde nämlich im Dezember der Garten zum kommerziellen Parkplatz verwandelt, eine Bank in der zweiten Etage des Restaurants eingerichtet und die früheren Nuntiaturräumlichkeiten umgebaut. Nachdem Erzbischof Ngo Quang Kiet in einem offenen Brief am 15. Dezember 2007 die Diözese auf die Probleme hingewiesen hat, eskaliert mit jedem Tag die Situation. Katholiken in Hanoi wollen die Erosion stoppen.
Die Katholiken halten der Regierung vor, mit einer Hinhaltetaktik die Kirche einerseits durch Bauvorhaben vor vollendeten Tatsachen zu stellen und andererseits sich eine bessere Verhandlungsposition zu schaffen. Seit dem 18.12.2007 versuchen daher Katholiken in Hanoi mit verschiedenen Aktionen, das Gelände abzusichern. Mit der Errichtung einer Pieta-Statue und danach eines 4 Meter hohen Kreuzes haben sich die Katholiken einen Wallfahrtsort geschaffen und mit dem gemeinsamen Gebet eine adäquate Form des Versammelns gefunden, die vom Gesetz gedeckt ist. Trotz verschiedener Provokationen der Sicherheitskräfte verhielten sich die Katholiken bisher weitgehend friedlich und äußerst diszipliniert.
Die Regierung wirft ihnen nun vor, sich unrechtmäßig versammeln zu haben. Die Kirche erwiderte, dass sie sich im Rahmen des Gesetzes bewege, denn nach der „Verordnung über Glauben und Religion“ dürften Religionsgemeinschaften religiöse Aktivitäten innerhalb ihrer kirchlichen Räumlichkeiten durchführen. Und das Bischofgelände betrachtet die Kirche als ihr Eigentum. Außerdem seien keine Transparente oder Sprechchöre gegen die Regierung zu sehen oder zu hören.
Auch der Besuch von Premierminister Nguyen Tan Dung bei dem Erzbischof am 30.12.2007 und der Besuch des Vorsitzenden der vietnamesischen Bischofskonferenz am 16.1.2008 in Hanoi brachten keinen Durchbruch. So war zu hören, dass die Regierung bereit sei, die Nuntiatur in Hanoi, den Wallfahrtsort La-Vang in Quang Tri und das Päpstliche Institut in Dalat an die katholische Kirche zurückzugeben unter der Bedingung, dass die Kirche alle weiteren Streitigkeiten über konfisziertes Kircheneigentum beendet. Die Kirche lehnte diesen Kuhhandel ab.
Die Lage eskalierte, als die Behörden den Zugang zur Nuntiatur und damit zur Pieta auch am Tag versperrten. Nach der Feier anlässlich des 90. Geburtstages von Kardinal Pham Dinh Tung am 25.1.2008 marschierten 2.000 bis 3.000 Katholiken zur Nuntiatur. Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden. Die Regierung stellte daraufhin ein Ultimatum und forderte den Erzbischof von Hanoi auf, „die illegalen Aktivitäten einzustellen“.
Zurzeit verhandeln der Vatikan und Vietnam über die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen. Anfang letzten Jahres besuchte der vietnamesischen Premierminister den Papst.

(pm 31.01.2008 sk)








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