„Vielleicht” waren die Menschen in Mittel- und Osteuropa „ein bisschen zu optimistisch”,
als ihre Länder vor vier Jahren der Europäischen Union beitraten? Diesen Verdacht
äußerte Papst Benedikt an diesem Donnerstag vor Bischöfen aus Slowenien. Er erwähnte
dabei ihren Hirtenbrief vom April 2004, mit dem sie den EU-Beitritt ihres Landes stürmisch
begrüßt hatten. Wenn man heute in diesen Hirtenbrief von damals schaue, so Papst Benedikt,
dann sei das, was die Bischöfe damals forderten, eigentlich immer noch nicht eingelöst:
„Wenn
Europa wirklich ein Raum des Friedens bleiben und werden will und sich auf den Respekt
der Menschenwürde beruft, dann kann es nicht die wichtigste Komponente dieses Fundaments
verleugnen – die christliche nämlich. Nicht alle Humanismen sind gleich, sie wiegen
auch in moralischer Hinsicht nicht gleichviel. Ich rede hier gar nicht mal von den
religiösen Aspekten, sondern beschränke mich auf die ethisch-sozialen.“
Je
nachdem, welches Menschenbild man zugrunde legt, ergeben sich konkret ganz andere
Regeln für das zivile Zusammenleben, so Benedikt nicht ohne Schärfe.
„Wenn
man den Menschen zum Beispiel individualistisch sieht – wie das heute viele tun –,
wie will man denn dann die Mühe rechtfertigen, die der Bau einer gerechten und solidarischen
Gesellschaft braucht? Das Christentum ist die Religion der Hoffnung und der Brüderlichkeit
aller Menschen – das gilt auf jedem Kontinent, auch in Europa.“
Viele Intellektuelle
in Europa hätten heute noch Schwierigkeiten damit, einzusehen, dass „Vernunft und
Glaube einander brauchen“, so der Papst genau eine Woche nach seinem geplatzten Auftritt
an der römischen Universität Sapienza. Deutlich verurteilte Benedikt den „Säkularismus
westlicher Prägung“: Er sei „vielleicht noch heimtückischer als der kommunistische“
und zeige „beunruhigende Symptome“ wie „Jagd nach Materiellem, Geburtenrückgang und
Schwinden der religiösen Praxis“. Slowenien hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft
inne – schon deswegen gehen die scharfen Worte des Papstes von diesem Donnerstag auch
direkt an die Adresse von Brüssel.