Rektor der Humboldt-Uni: "Wissenschafts-Boulevard am Werk"
Wäre ein „Fall Sapienza“
auch an einer deutschen Universität möglich? Christoph Markschies glaubt das nicht.
Der Rektor der Berliner Humboldt-Universität - ein Kirchengeschichtler - erklärte
im Gespräch mit uns, er kenne zwar die laizistische Tradition in Italien, doch die
Heftigkeit der Debatte habe ihn doch überrascht. Er glaube, so etwas sei in Deutschland
nicht („jedenfalls nicht mehr“) vorstellbar. Dass die Ausladung des Papstes aus Europas
größter Universität durch einen Teil des Lehrkörpers Sorgen wecke, sei durchaus berechtigt,
„weil natürlich das Grundrecht der freien Meinungsäußerung das kostbarste Gut ist,
das es in einer Gesellschaft überhaupt gibt. Das müssten wir in Europa seit 1989 wissen.“
Auffällig
scheint Christoph Markschies am „Fall Sapienza“, wie der „Wissenschafts-Boulevard“
arbeite.
„Eine Universität muss ja eigentlich dazu anhalten, dass Texte gründlich
gelesen werden. Dass es über eine längere Zeit möglich war, eine völlig entstellte
Fassung der Rede des Papstes zu verbreiten und damit Stimmung zu machen - das dürfte
ja eigentlich an einer Universität nicht passieren; das sind schlichteste Boulevard-Gesetze.
Das ist, glaube ich, eine Sache, auf die man aufpassen muss: dass die Wissenschafts-Berichterstattung
sehr viel gründlicher und solider gemacht wird, damit solchen Entstellungen von Anfang
an etwas entgegengesetzt werden kann.“
Eine Lehre aus dem „Fall Sapienza“ gilt
nach Markschies Ansicht auch für Deutschland:
„Die radikaleren politischen
Gruppen sind deutlich besser organisiert als die berühmte schweigende Mitte. Es gilt
auch in Deutschland häufiger radikalen Minderheiten, weil sie schlagkräftiger organisiert
sind, Dinge zu majorisieren, Proteste zu organisieren usw.“
Markschies ist
seit zwei Jahren Rektor der Humboldt-Universität in Berlin.