Italien: Papst schickt "herzliche Grüße" an Protest-Uni - "Ruhig, aber verbittert"
- Am Sonntag "Demonstration der Freude"
Der Papst hätte die Einladung der römischen „Sapienza“ sehr gerne angenommen. Das
schreibt Kardinalstaatsekretär Tarcisio Bertone an den Rektor von Europas größter
Universität, die den Papst für diesen Donnerstag eigentlich eingeladen hatte. Nach
heftigen Protesten von einigen Professoren und Teilen der Studentenschaft hatte Benedikt
seine ursprüngliche Zusage aber zurückgezogen - und damit in Italiens Öffentlichkeit
eine betroffene Debatte ausgelöst.
Kardinal schreibt an „Sapienza“
Bertone
übermittelt nun in seinem Schreiben vom Mittwoch Abend dem Rektor der Universität
herzliche Grüße des Papstes. Da es aber nach den Protesten auf dem Campus an den Bedingungen
für einen „würdigen und ruhigen Empfang“ fehle, „wurde es für angebracht gehalten,
den geplanten Besuch zu verschieben, um keinen Anlass für Demonstrationen zu bieten,
die für alle unerfreulich gewesen wären“, so der Kardinalstaatssekretär. Der Vatikan
- daran lässt Bertone im Schreiben an den Sapienza-Rektor keinen Zweifel - sieht hinter
den Protesten die Initiative einer „absoluten Minderheit“, seien es Professoren oder
Studenten. Nach den Berichten italienischer Tageszeitungen war es Bertone, der Benedikt
vom Besuch an der Universität abgeraten - und sich mit diesem Rat schließlich auch
durchgesetzt habe. Die „Repubblica“ berichtet, Benedikt XVI. sei „ruhig, aber verbittert“
über die Entwicklung – „nicht um seinetwillen, sondern wegen all dieser jungen Leute“.
Am
Sonntag "Demo" auf Petersplatz
Der Vikar des Papstes für das Bistum Rom, Kardinal
Camillo Ruini, ruft derweil alle Römer dazu auf, am nächsten Sonntag zum traditionellen
Angelus-Gebet auf den Petersplatz zu kommen. Damit sollten sie dem Papst, dem man
in seiner eigenen Bischofsstadt den Mund verboten hat, ihre Solidarität zeigen. Der
Angelus solle zu einer „Demonstration der Freude“ werden, findet Ruini.
Präsident
schreibt an Papst
Der italienische Staatspräsident hat sich mit dem Papst solidarisch
erklärt. In einem Brief an Benedikt äußert Giorgio Napolitano sein lebhaftes Bedauern
über den Vorfall. Er spricht von einer „unzulässigen Manifestation von Intoleranz“
gegenüber dem Papst sowie von „beleidigenden Ankündigungen“. Dadurch sei es zu einem
Klima gekommen, das mit einer freien und unaufgeregten Diskussion unvereinbar ist.
Die ungehaltene Rede Benedikts
Den Text seiner Rede, die er an diesem
Donnerstag halten wollte, hat der Papst der „Sapienza“ zugeschickt. Dabei erfährt
man, dass Benedikt XVI. den weltlichen Charakter der Hochschule herausheben wollte.
Die römische „Sapienza“ sei zwar von einem Papst gegründet worden, sei heute aber
eine weltliche Hochschule mit berechtigter Eigenständigkeit. In modernen Gesellschaften
sei die Unabhängigkeit der Universitäten besonders wichtig, so der Papst. Umso entscheidender
aber sei, dass sich Lehrende und Studierende ausschließlich der Wahrheit verpflichtet
fühlen. Und Wahrheit sei „mehr als Wissen“: Es bedeute letztlich die Suche nach dem
Guten.
Polizei und Demonstranten rund um die „Sapienza“
Die Papst-Rede
wurde während der feierlichen Eröffnung des Akademischen Jahres der Universität vom
Pro-Rektor der „Sapienza“ vorgelesen. Am Schluss gab es Applaus von der Versammlung.
Wegen zahlreicher Proteste gab es eine massive Polizei-Präsenz rund um den Campus.
Sicherheitskräfte hinderten eine Gruppe von Demonstranten während des Festaktes am
Zugang. „Sapienza“-Rektor Renato Guarini sprach in einer Einführungsrede von einem
„inakzeptablen ideologischen Veto“ gegen die Papstrede. Er hoffe, es gebe „sobald
wie möglich eine neue Gelegenheit, den Papst an unserer Universität zu begrüßen“.
Die Ereignisse der letzten Tage hinterließen einen Eindruck „großer Bitterkeit“.
Debatte
in der Politik
Der römische Bürgermeister Walter Veltroni kritisierte an der
Universität das Redeverbot für Benedikt XVI. „Die Laizität ist jetzt nicht etwa gestärkt
worden“, so der Leiter der neuen großen Linkspartei „PD“. Schulminister Fabio Mussi,
ebenfalls ein Linkspolitiker, erklärte, die Ansprache des Papstes „wäre es wert gewesen,
dass man ihr genau zuhört“. Während des Festaktes demonstrierten einige Studenten
in der „Aula Magna“ stumm mit weißen Taschentüchern gegen den Papst.
In der
italienischen Politik geht die Debatte über Rede- und Meinungsfreiheit mit heftigen
Untertönen weiter. Auch auf der politischen Linken herrscht Betroffenheit darüber
vor, dass dem Papst verwehrt worden sei, frei seine Meinung zu äußern. Professoren
und Studenten, die gegen die Anwesenheit des Papstes protestierten, warfen ihm vor,
in einer 1990 an der Universität gehaltenen Rede den Prozess der Inquisition gegen
Galileo Galilei (1564-1642) gerechtfertigt zu haben. Der Vatikan weist das mit Hinweis
auf den dokumentierten Redetext des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger zurück. Einige
Protestierende störten sich daran, dass Benedikt zur Eröffnung des Akademischen Jahres
eingeladen worden sei: Das stehe laut Uni-Statut nur einem Mitglied des Lehrkörpers
zu.