2008-01-16 10:04:57

Vatikan: Papst sagt nach Protesten Besuch in römischer Uni ab


RealAudioMP3 Papst Benedikt XVI. hat seinen für Donnerstag geplanten Besuch an der römischen Universität „La Sapienza“ abgesagt. Am Dienstag abend teilte der Vatikan dies mit. Wörtlich heißt es in dem Kommunique:

„Nach den bekannten Ereignissen dieser Tage hinsichtlich des Besuchs des
Heiligen Vaters in der Universität 'La Sapienza', der auf Einladung des Rektors am Donnerstag, 17. Januar, erfolgen sollte, hielt man es für opportun, den Termin zu verschieben. Der Papst wird aber den vorbereiteten Text übermitteln.“

Hintergrund: 67 Professoren hatten einen Protestappell veröffentlicht und Studenten das Rektorat der Universität besetzt. Nach mehrstündigen Verhandlungen hatten die Demonstranten die Erlaubnis erhalten, während der Papstrede wenige Meter entfernt eine Protestkundgebung abzuhalten.

In Italien haben sich Regierung und Opposition schockiert über die Absage geäußert.
Ministerpräsident Romano Prodi in den Abendnachrichten des ersten staatlichen Fernsehkanals:

„Das erste Gefühl ist, dass ich diese Zeichen der Intoleranz scharf verurteile, die zu dieser Absage geführt haben. Ich halte es für unnanehmbar, dass der Papst nicht an einer Universität sprechen kann, die ein Ort des Dialogs und der Kultur ist - und die Umstände, die dazu geführt, haben mich wirklich traurig gemacht. Ich hoffe, dass man die Entscheidung rückgängig macht oder dass der Papst das bald nachholt.“

Der Rektor der Universität La Sapienza, Renato Guarini, hält den geplatzten Besuch für eine vertane Chance:
„Ich nehme die Entscheidung des Heiligen Stuhls zur Kenntnis und akzeptiere sie, wenn auch mit großem Bedauern. Das Treffen mit dem Papst wäre ein wichtiger Moment für Gläubige und Nichtgläubige gewesen, eine Gelegenheit zum Nachdenken über die ethischen und gesellschaftlichen Probleme. Das Hören auf die Stimme eines Gelehrten, der zu den Themen unserer Zeit Stellung nimmt, wäre ein Antrieb für die Gewissensfreiheit und alle, die sich weltlicherseits mit den Problemen des Lebens beschäftigen.“

Als erste offizielle Reaktion aus dem Vatikan hat sich der Präsident des Päpstlichen Kulturrats zu Wort gemeldet. Erzbischof Gianfranco Ravasi bedauert die Entwicklung und sieht tiefere Gründe.

„Meiner Ansicht nach zeigt diese Affäre in ihrem Kern eine Niederlage der Kultur. Kultur meint wesentlich Begegnung und Dialog, der auch Meinungsverschiedenheiten beinhalten kann und unterschiedliche Perspektiven. Von Kultur kann man hingegen nicht mehr sprechen, wenn dieser Dialog explodiert und zur reinen Negation wird, zur reinen Ablehnung, ohne die Möglichkeit einer Verständigung.“

Es handelt sich nicht so sehr um ein Problem des Papstes, glaubt der Kurienerzbischof:

„Wir haben es mit einer Art kulturellem Fundamentalismus zu tun, der sich in dieser grundsätzlichen Ablehnung gezeigt hat – eine Dialogverweigerung. Allerdings ist es meines Erachtens unmöglich, Religion und Theologie aus dem gesellschaftlichen Dialog auszuschließen. Deswegen glaube ich, dass diese Angelegenheit nicht so sehr ein Tiefpunkt im Dialog mit der Religion ist, sondern sie ist insgesamt ein Tiefpunkt in der Kulturgeschichte.“

 
Professoren und Studenten, die gegen die Anwesenheit des Papstes protestierten, warfen ihm vor, in einer 1990 als Kardinal Joseph Ratzinger an der selben Universität gehaltenen Rede den Prozess der Inquisition gegen den Physiker und Astronomen Galileo Galilei (1564-1642) gerechtfertigt zu haben. Gleichzeitig hielten sie ihm seine Haltung gegen Abtreibung und homosexuelle Partnerschaften vor.

(rv 16.01.2008 mc/bp)








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