Die Gesellschaft Jesu nimmt in diesen Tagen eine Standortbestimmung des Ordens vor
und wählt einen neuen Generaloberen. P. Eberhard Gemmingen, Leiter der deutschsprachigen
Abteilung von Radio Vatikan, erklärt, was es mit diesem geheimnisvollen Treffen, der
„Generalkongregation“, auf sich hat.
In diesem Januar 2008 wird also ein neuer
„Generaloberer“ der SJ gewählt. Der bisherige, Pater Peter-Hans Kolvenbach, hatte
nach fast 25 Jahren im Amt darum gebeten, abgelöst zu werden. An sich sind die Generaloberen
bei den Jesuiten – im Unterschied zu fast allen anderen Orden – auf Lebenszeit gewählt.
Der heilige Ignatius wollte möglichst wenig Zeit mit Verwaltung und Organisation „verplempern“,
daher Wahl auf Lebenszeit. Es wird daher heute auch nicht über eine Gesetzesänderung
nachgedacht, denn ein General kann ja – wie es geschieht – um Ablösung bitten. Es
ist allerdings das erste Mal in der 400-jährigen Geschichte dese Ordens, dass ein
General zu Lebzeiten abgelöst wird. Der Fall von Pater Pedro Arrupe war anders: auch
er wollte abgelöst werden, doch Papst Johannes Paul II. stoppte die Neuwahl, Arrupe
wurde krank. Erst nach zwei Jahren wurde neu gewählt. Das war im Jahr 1983. Nun
hat P. Kolvenbach vor rund zwei Jahren Papst Benedikt gefragt, ob etwas dagegen stehe,
dass er sich ablösen lasse. Benedikt stimmte zu. Kolvenbach berief die Generalkongregation
(GK) ein. An ihr nehmen rund 220 gewählte Vertreter aus der ganzen Welt und die Provinzoberen
teil. Die Gewählten wurden ihrerseits von demokratisch gewählten so genannten „Provinzkongregationen“
rund um den Globus gewählt. Je nach Größe der Ordensprovinz konnten ein bis vier Delegierte
gewählt und nach Rom geschickt werden. Diese Versammlungen konnten auch Themen nach
Rom melden, über die die GK diskutieren soll. Die Organisation ist ziemlich kompliziert.
Die Delegierten wohnen seit drei Tagen in verschiedenen römischen Ordenshäusern, kommen
täglich zusammen, besprechen die Fragen und beginnen bald mit den so genannten „murmurationes“,
also dem „Gemurmel“. Das sind Zweiergespräche, bei denen jeder Delegierte andere um
Informationen über mögliche Generalskandidaten befragen soll. Man darf keine Informationen
aufdrängen oder für jemanden Reklame machen, sondern nur andere um Informationen über
Kandidaten bitten. Alle Delegierten haben zwar nüchterne Basisinfos über die Ausbildung
und die bisherigen Tätigkeiten der Anderen, aber damit weiß man ja noch nicht viel.
Denn wie können die 200 Leute rund um den Globus die möglichen Kandidaten kennen?
So wird vier Tage lang „gemurmelt“ – und dann geheim gewählt. Pater Kolvenbach war
1983 im allerersten Wahlgang gewählt worden. Interessant ist die Zusammensetzung
der GK. Man staune: Indien ist Spitze. Aus Indien stammen rund 40 Delegierte, aus
Lateinamerika 35, aus den USA 33, aus West-Europas (ohne Spanien) 31, aus Asien und
Ozeanien 25, aus Afrika und Madagaskar 19, aus den ehemals kommunistischen Ländern
Europas 17, aus Spanien 17. Der Altersschnitt ist 56 Jahre, der jüngste ist
39. Unter den Delegierten sind fünf Nicht-Priester (so genannte „Brüder“), die vom
P. General berufen sind. Aus Deutschland sind dabei Provinzial Stefan Dartmann
sowie die beiden Delegierten (beide um die 40 Jahre alt, also jung!) Ulrich Rhode,
Rektor und Kirchenrechtsprofessor in Frankfurt/St.Georgen, und Hans Zollner, Psychologieprofessor
an der römischen Gregoriana. Aus Österreich: ProvinzialSeverin Leitner
und der Delegierte Pater Gernot Wisser, Leiter des Kardinal König-Hauses in Wien,
und aus der Schweiz Provinzial Albert Longchamp. Dazu kommt der deutsche Jesuit Wendelin
Köster, Assistent von Pater General Kolvenbach in Rom.
Jeder hat ein Namensschild,
auf dem auch steht, in welchen Sprachen er sprechen kann. Man hört am meisten Englisch
und Spanisch. In den Vollversammlungen gibt es Simultanübersetzungen. An der Pforte
des SJ-Generalats sitzen professionelle Kontrolleure, denn es könnten sich ja clevere
Spione einmischen. Wer kennt schon alle? Alle brauchen auch Internetzugang. Es braucht
neben der großen Aula für alle Nebenräume für Gruppengespräche, es braucht rund 15
Simultandolmetscher aus dem Orden. Es gibt einen Internetauftritt www.sjweb.info
mit einem Intranet, wo Jesuiten mit einem Passwort hineinkommen, um ordensinterne
Infos zu bekommen, aber keine Geheimnisse aus den Gesprächen. Zur Eröffnung fand
am 7. Januar 2008 eine Messe aller Beteiligten in der Kirche Il Gesù in Rom statt,
die vom Chef der vatikanischen Ordenskongregation Kardinal Rodé gefeiert wurde. In
seiner Predigt hat er an die besondere Papsttreue der Jesuiten mahnend erinnert. Vor
dem Ignatiusaltar hat Pater Kolvenbach eine Kerze angezündet und ein Gebet für die
GK gesprochen. Die Kerze brennt bis zum Ende der Veranstaltung. Ähnlich brennen rund
um den Globus in vielen Jesuitenkirchen und Kapellen Kerzen bis zum Ende der Kongregation. Auch
das Gebet wird rund um den Globus gebetet. Kurz nach der Wahl des neuen Generals
empfängt der Papst die Kongregation. (rv 08.01.2008 gem)