2008-01-09 10:00:45

Italien: Jesuiten wählen. Ein Bericht von innen


Die Gesellschaft Jesu nimmt in diesen Tagen eine Standortbestimmung des Ordens vor und wählt einen neuen Generaloberen. P. Eberhard Gemmingen, Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, erklärt, was es mit diesem geheimnisvollen Treffen, der „Generalkongregation“, auf sich hat.

In diesem Januar 2008 wird also ein neuer „Generaloberer“ der SJ gewählt. Der bisherige, Pater Peter-Hans Kolvenbach, hatte nach fast 25 Jahren im Amt darum gebeten, abgelöst zu werden. An sich sind die Generaloberen bei den Jesuiten – im Unterschied zu fast allen anderen Orden – auf Lebenszeit gewählt. Der heilige Ignatius wollte möglichst wenig Zeit mit Verwaltung und Organisation „verplempern“, daher Wahl auf Lebenszeit. Es wird daher heute auch nicht über eine Gesetzesänderung nachgedacht, denn ein General kann ja – wie es geschieht – um Ablösung bitten. Es ist allerdings das erste Mal in der 400-jährigen Geschichte dese Ordens, dass ein General zu Lebzeiten abgelöst wird. Der Fall von Pater Pedro Arrupe war anders: auch er wollte abgelöst werden, doch Papst Johannes Paul II. stoppte die Neuwahl, Arrupe wurde krank. Erst nach zwei Jahren wurde neu gewählt. Das war im Jahr 1983.
Nun hat P. Kolvenbach vor rund zwei Jahren Papst Benedikt gefragt, ob etwas dagegen stehe, dass er sich ablösen lasse. Benedikt stimmte zu. Kolvenbach berief die Generalkongregation (GK) ein. An ihr nehmen rund 220 gewählte Vertreter aus der ganzen Welt und die Provinzoberen teil. Die Gewählten wurden ihrerseits von demokratisch gewählten so genannten „Provinzkongregationen“ rund um den Globus gewählt. Je nach Größe der Ordensprovinz konnten ein bis vier Delegierte gewählt und nach Rom geschickt werden. Diese Versammlungen konnten auch Themen nach Rom melden, über die die GK diskutieren soll.
Die Organisation ist ziemlich kompliziert. Die Delegierten wohnen seit drei Tagen in verschiedenen römischen Ordenshäusern, kommen täglich zusammen, besprechen die Fragen und beginnen bald mit den so genannten „murmurationes“, also dem „Gemurmel“. Das sind Zweiergespräche, bei denen jeder Delegierte andere um Informationen über mögliche Generalskandidaten befragen soll. Man darf keine Informationen aufdrängen oder für jemanden Reklame machen, sondern nur andere um Informationen über Kandidaten bitten. Alle Delegierten haben zwar nüchterne Basisinfos über die Ausbildung und die bisherigen Tätigkeiten der Anderen, aber damit weiß man ja noch nicht viel. Denn wie können die 200 Leute rund um den Globus die möglichen Kandidaten kennen? So wird vier Tage lang „gemurmelt“ – und dann geheim gewählt. Pater Kolvenbach war 1983 im allerersten Wahlgang gewählt worden.
Interessant ist die Zusammensetzung der GK. Man staune: Indien ist Spitze. Aus Indien stammen rund 40 Delegierte, aus Lateinamerika 35, aus den USA 33, aus West-Europas (ohne Spanien) 31, aus Asien und Ozeanien 25, aus Afrika und Madagaskar 19, aus den ehemals kommunistischen Ländern Europas 17, aus Spanien 17.
Der Altersschnitt ist 56 Jahre, der jüngste ist 39. Unter den Delegierten sind fünf Nicht-Priester (so genannte „Brüder“), die vom P. General berufen sind. Aus Deutschland sind dabei Provinzial Stefan Dartmann sowie die beiden Delegierten (beide um die 40 Jahre alt, also jung!) Ulrich Rhode, Rektor und Kirchenrechtsprofessor in Frankfurt/St.Georgen, und Hans Zollner, Psychologieprofessor an der römischen Gregoriana. Aus Österreich:  Provinzial Severin Leitner und der Delegierte Pater Gernot Wisser, Leiter des Kardinal König-Hauses in Wien, und aus der Schweiz Provinzial Albert Longchamp. Dazu kommt der deutsche Jesuit Wendelin Köster, Assistent von Pater General Kolvenbach in Rom.

Jeder hat ein Namensschild, auf dem auch steht, in welchen Sprachen er sprechen kann. Man hört am meisten Englisch und Spanisch. In den Vollversammlungen gibt es Simultanübersetzungen. An der Pforte des SJ-Generalats sitzen professionelle Kontrolleure, denn es könnten sich ja clevere Spione einmischen. Wer kennt schon alle? Alle brauchen auch Internetzugang. Es braucht neben der großen Aula für alle Nebenräume für Gruppengespräche, es braucht rund 15 Simultandolmetscher aus dem Orden. Es gibt einen Internetauftritt www.sjweb.info mit einem Intranet, wo Jesuiten mit einem Passwort hineinkommen, um ordensinterne Infos zu bekommen, aber keine Geheimnisse aus den Gesprächen.
Zur Eröffnung fand am 7. Januar 2008 eine Messe aller Beteiligten in der Kirche Il Gesù in Rom statt, die vom Chef der vatikanischen Ordenskongregation Kardinal Rodé gefeiert wurde. In seiner Predigt hat er an die besondere Papsttreue der Jesuiten mahnend erinnert.
Vor dem Ignatiusaltar hat Pater Kolvenbach eine Kerze angezündet und ein Gebet für die GK gesprochen. Die Kerze brennt bis zum Ende der Veranstaltung. Ähnlich brennen rund um den Globus in vielen Jesuitenkirchen und Kapellen Kerzen bis zum Ende der Kongregation.
Auch das Gebet wird rund um den Globus gebetet.
Kurz nach der Wahl des neuen Generals empfängt der Papst die Kongregation.
(rv 08.01.2008 gem)








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