Der evangelische Bischof Wolfgang Huber stößt mit Äußerungen zum Stammzellgesetz auf
heftigen Widerspruch. In einer Zeitung hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche Deutschlands vor drei Tagen erklärt, er sei für eine einmalige Verschiebung
des so genannten Stichtags für den Import von Stammzellen zu Forschungszwecken nach
Deutschland. In dem Artikel unter der Überschrift „Auch der katholische Mensch kann
irren“ meinte Huber außerdem, der Konflikt habe mittlerweile eine „konfessionelle
Färbung“ angenommen.
Bislang darf in Deutschland nur an embryonalen Stammzellen
geforscht werden, die vor dem 1. Januar 2002 produziert wurden. Dies soll verhindern,
dass Anreize zur Produktion und Tötung vom Embryonen geschaffen werden. Weil die Qualität
der zugelassenen Stammzelllinien zu wünschen übrig lasse, plädieren einige Stammzellforscher
für eine Aufhebung der Stichtagsregelung, zumindest aber für eine einmalige Verschiebung.
Nach Hubers Worten treten in der Auseinandersetzung auch konfessionell unterschiedliche
Vorstellungen vom Verhältnis zwischen Lehramt und der politischen Verantwortung von
Christen zutage. Katholiken beugten sich dem päpstlichen Lehramt und hielten deshalb
die Stichtagsregelung für unverhandelbar; Protestanten trügen die Kontroversen aus
und ermöglichten so eine ethische Urteilsbildung und damit auch Politik.
Der
Osnabrücker Professor für christliche Sozialwissenshaften Manfred Spieker widerspricht
Huber vehement. Der Konflikt um die Stichtagsregelung sei kein Konfessionsstreit,
schreibt er in der Zeitung „Die Tagespost“. Vielmehr handele es sich um einen Konflikt
zwischen Rechtspflichten und Tugendpflichten. Unschuldige nicht zu töten, sei eine
Rechtspflicht, Kranken durch neue Therapien zu helfen, eine Tugendpflicht. Beiden
Pflichten stimmten Christen zu. Im Konflikt – wenn etwa neue Therapien nur um den
Preis möglich seien, menschliche Embryonen zu töten – komme der Rechtspflicht immer
der Vorrang vor der Tugendpflicht zu. Der katholische Wissenschaftler weist auch darauf
hin, dass führende Protestanten keineswegs Hubers Haltung.
Die Bundesvorsitzende
der „Aktion Lebensrecht für Alle“, Claudia Kaminski, sieht Bischof Huber „auf dem
Holzweg“. So sei es falsch, sich auf die Argumente der Stammzellforscher einzulassen,
dass man nicht mit „alten, verunreinigten Zellen“ forschen könne. Tatsache sei, dass
neueste Ergebnisse der embryonalen Stammzellforschung mit genau diesen Stammzelllinien
erreicht worden seien, so die Medizinerin.