Mitternachtsmette: Da berühren sich Himmel und Erde
Papst Benedikt hat
sich in seiner Weihnachtspredigt als Theologe gezeigt, der aus den Schätzen der Heiligen
Schrift und der Kirchenväter schöpft, um deren Weisheit auf die Fragen der heutigen
Zeit anzuwenden. Eine seiner zentralen These dabei lautet wohl: Die Menschen heute
bedrohen und zerstören die Erde, weil sie die Welt von Gott gelöst, weil sie Gott
verloren haben. Pater Eberhard Gemmingen hat für uns die Predigt verfolgt.
Papst
Benedikt hat in seiner Weihnachtspredigt die Brücke geschlagen von Bethlehem zur heutigen
Gottesfinsternis und zur Erdenzerstörung. „Er kam in sein Eigentum, und die
Seinigen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1, 11). Das betrifft zunächst Bethlehem: Der Davidssohn
kommt in seine Stadt, aber er muss im Stall geboren werden, weil in der Herberge kein
Platz ist für ihn. Es gilt für Israel: Der Gesandte kommt zu den Seinigen, aber man
will ihn nicht. Es gilt für die Menschheit: Der, durch den die Welt geworden ist,
tritt in die Welt herein, aber es wird nicht gehört, wird nicht angenommen.“ Unzählige
Häuser und Herbergen unserer Erde sind für Gott und für den leidenden Nächsten verschlossen: „Diese
Worte gehen uns an, jeden einzelnen und die Gesellschaft als ganze. Haben wir Zeit
für den Nächsten, der mein Wort, meine Zuwendung braucht? Für den Leidenden, der Hilfe
nötig hat? Für den Vertriebenen oder Heimatlosen, der Herberge sucht? Haben wir Zeit
und Raum für Gott? Kann er herein treten in unser Leben? Findet er Raum bei uns, oder
haben wir alle Räume unseres Denkens, Handelns, Lebens für uns selbst besetzt?“ Aber
Benedikt weiß: es gibt auch heute Menschen, die offen sind für Gott und den Nächsten: „Es
gibt diejenigen, die ihn aufnehmen, und so wächst leise vom Stall, von außen her das
neue Haus, die neue Stadt, die neue Welt. Die Weihnachtsbotschaft sagt uns aber auch,
dass Gott sich nicht aussperren lässt. Dass er einen Raum findet und wenn er durch
den Stall herein tritt.“ Gott tritt auch in unserer Welt ein durch den Stall.
Benedikt beobachtet: Auf manchen Weihnachtsbildern kampiert die heilige Familie in
ehemaligen Palästen. Und in diesem Stall scheint auch ein neuer Thron auf: „Der
neue Thron – das Kreuz – entspricht dem neuen Beginn im Stall. Aber gerade so wird
der wahre Davidspalast, das wahre Königtum gebaut. Dieser neue Palast ist so ganz
anders, als Menschen sich Palast und Königsmacht ausdenken. Es ist die Gemeinschaft
derer, die sich von der Liebe Christi anziehen lassen und mit ihm ein Leib, eine neue
Menschheit werden.“ Der Kirchenvater Gregor von Nyssa aus der heutigen Türkei
spricht vom Zelt, das Gott unter uns aufgeschlagen hat. Prophetisch bezieht er das
zerschlissene Zelt auf den zerstörten Kosmos. Und Benedikt denkt weiter: „Was
würde er gesagt haben, wenn er den Zustand der Erde gesehen hätte, in dem sie sich
durch den Missbrauch der Energien und durch deren schonungslose Ausbeutung für unsere
Interessen gesehen hätte?“ Und Benedikt fährt fort: „Anselm von Canterbury
hat einmal in einer geradezu prophetisch zu nennenden Weise im voraus beschrieben,
was wir heute in einer verschmutzten, in ihrer Zukunft bedrohten Erde erleben: Die
Elemente der Erde waren unterdrückt und glanzlos geworden durch den Missbrauch derer,
die sie ihren Idolen dienstbar machten, für die sie nicht geschaffen waren (PL 158,
955f). So steht der Stall in der Weihnachtsbotschaft in der Sicht von Gregor von Nyssa
für die geschundene Erde. Christus stellt nicht irgendeinen Palast wieder her. Er
ist gekommen, der Schöpfung, dem Kosmos seine Schönheit und seine Würde wiederzugeben:
Das ist es, was an Weihnachten beginnt und was die Engel jubeln lässt. Die Erde wird
gerade dadurch wiederhergestellt, dass sie auf Gott hin geöffnet wird, dass sie ihr
eigentliches Licht wieder erhält und dass sie im Zusammenklingen zwischen menschlichem
Wollen und göttlichem Wollen, im Einswerden von oben und unten ihre Schönheit, ihre
Würde zurückerhält.“ Und dann zieht Benedikt die Schlussfolgerung: „So
ist Weihnachten ein Fest der wiederhergestellten Schöpfung. Das Singen der Engel ist
Ausdruck der Freude darüber, dass oben und unten, Himmel und Erde wieder zusammenkommen.
Dass der Mensch wieder mit Gott vereint wird. Zum Engelgesang der Weihnacht gehört
es, dass die Schönheit des Kosmos sich in der Schönheit der gesungenen Lobpreisung
ausdrückt. Der liturgische Gesang hat nach den Vätern seine besondere Würde dadurch,
dass er Mitsingen mit den himmlischen Chören ist.“ Weihnachten heißt Versöhnung: „Im
Stall zu Bethlehem berühren sich Himmel und Erde. Der Himmel ist auf die Erde gekommen.“ Wo
aber ist der Himmel? Benedikt antwortet mit Augustinus: „In den Heiligen und
Gerechten. Der Himmel gehört nicht der Geographie des Raums, sondern der Geographie
des Herzens zu. Und das Herz Gottes hat sich in der Heiligen Nacht in den Stall herabgebeugt:
Die Demut Gottes ist der Himmel. Und wenn wir auf diese Demut zugehen, dann berühren
wir den Himmel. Dann wird auch die Erde neu. Brechen wir mit der Demut der Hirten
in dieser Heiligen Nacht auf zu dem Kindlein im Stall. Berühren wir die Demut Gottes,
das Herz Gottes. Dann wird seine Freude uns berühren und die Welt heller machen. Amen.“ (rv
25.12.2007 gem)