Vatikan/Frankreich: Sarkozy über Christentum, Islam und die Türkei
Nicolas Sarkozy denkt
über eine Änderung des Gesetzes zur strikten Trennung von Staat und Kirche nach. Die
Gesellschaft brauche die Religionen, betonte Frankreichs Staatspräsident nach seinem
Antrittsbesuch bei Papst Benedikt. Die von ihm vertretene „positive Laizität“ gebe
jedem das Recht, seinen Glauben zu leben und weiterzugeben, sagte Sarkozy im Gespräch
mit Radio Vatikan. „Es ist immens wichtig, dass die Religionen sich an die neuen
Gegebenheiten in Frankreich anpassen. Die großen Stadtrandgebiete sind religiöse Wüsten
geworden. Das ist nicht gut, und deshalb halte ich Anpassungen des Gesetzes von 1905
für notwendig. Aber ich habe gesagt: Anpassungen kann man auf der Basis eines Konsenses
vornehmen, und nur mit einem derartigen Konsens können wir Entwicklungen vorantreiben.“ Das
Recht, sich zu Wort zu melden, müsse den Religionen im laizistischen Staat zugesichert
werden. „Die großen Religionen, auch der Islam in Frankreich, müssen sich auf
ruhige Weise äußern, mit einer Botschaft der Liebe und des Friedens. Für mich ist
es wichtig, dass sie das tun können. Es fehlt an intellektuellen Christen, an großen
Stimmen, die die gesellschaftlichen Debatten vorantreiben und zeigen, dass das Leben
nicht ein Konsumgut ist, wie jedes andere. Man braucht keine Angst vor den Religionen
zu haben; die großen religiösen Bewegungen sind Zeugen der Hoffnung. Ich sehe nicht
ein, warum Hoffnung dem republikanischen Ideal widersprechen sollte…“ Christen
müssten darin bestärkt werden, sich öffentlich zu Wort zu melden, so Sarkozy: „Die
Botschaft Christi ist eine sehr ermutigende Botschaft, denn sie verkündet einen verzeihenden
Gott und ein Leben nach dem Tod. Ich denke nicht, dass diese Botschaft voll Mut und
vollkommener Hoffnung gedämpft werden darf.“ Zurückhaltend äußerte Frankreichs
Präsident sich zum Islam. Laut Umfragen bezeichnen sich rund zehn Prozent der Franzosen
als Moslems. „Trotz des Gleichheitsprinzips will ich keinen ,Islam in Frankreich’
sondern einen ,französischen Islam’. Hier geht es um die Frage eines europäisierten
Islams, der mit den Werten der europäischen Gesellschaft vereinbar ist.“ Im
Exklusivinterview von Radio Vatikan und Osservatore Romano äußerte sich Sarkozy auch
zu außenpolitischen Fragen Frankreichs und Europas. Zur Türkei und den Beitrittsverhandlungen
zur EU sagte er: „Ich bin zwar nicht der Pressesprecher des Heiligen Stuhls,
aber wir haben darüber gesprochen: Die Türkei ist nicht in Europa, das ist eine geographische
Tatsache. Die Türkei ist in Kleinasien. Dennoch braucht es enge Verbindungen. Ich
will einen Partnerschaftsvertrag zwischen der Türkei und Europa, keinen Beitritt.
Meiner Meinung nach darf sie nicht in Europa sein, weil sie nicht europäisch ist.“ (rv
21.12.2007 bp)