2007-12-21 13:44:47

Im Gespräch: Eine Anwältin für neue Heilige


Silvia Correale, eine aus Argentinien stammende Anwältin, betreut am Vatikan gut 60 Selig- oder Heiligsprechungsprozesse, darunter auch zwei für sehr bekannte Kandidaten der Heiligkeit: den katalanischen Architekten Antoni Gaudì und den vietnamesischen Kardinal Francois Xavier Van Thuan. Gudrun Sailer hat mit Silvia Correale gesprochen.
Bei den „Cause dei Santi“, also der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen, geht Silvia Correale ein und aus. Sie ist keine Vatikan-Angestellte, aber eine von denen, die seit vielen Jahren – und in enger Zusammenarbeit mit der römischen Kurie - ihre Arbeitskraft in den Dienst der Kirche stellt. In Wirklichkeit, erklärt die Argentinierin, hat sie nicht besonders darauf gedrängt, so viel Arbeit an der Heiligsprechungskongregation zu bekommen. Es hat sich einfach so ergeben.
Von ihrer Ausbildung her ist Silvia Correale Rechtsanwältin. Sie studierte in Rosario de Santa Fé in ihrem Heimatland, war in der katholischen Aktion. Priester schickten die engagierte Christin nach Rom, zum Studium des Kirchenrechts. Zum Dank für abgetippte Uni-Skripten luden Professoren die junge Akademikerin in den Kurs für Postulatoren an der Heiligsprechungskongregation ein. Dann ging es schnell.
“An der Heilig-Kongregation sind plötzlich ein paar spanischsprachige Postulatoren in Pension gegangen, und so war ich im Lauf von zwei Jahren mit mehreren Causen befasst. Heute betreue ich mehr als 60!“
Nein, sie bringt ihre Kandidaten für die Heiligkeit nicht durcheinander, versichert Silvia Correale. Der Herr habe ihr ein gutes Gedächtnis gegeben. Ihr bekanntester „Fall“ ist der des katalanischen Jugendstilarchitekten Antoni Gaudì, der u.a. die Kirche Sagrada Samilia in Barcelona schuf. Dass Gaudi katholisch war, wusste sie, aber dass er für eine Seligsprechung in Frage kommt, war ihr neu, als sie den Fall übernahm, erzählt die Anwältin freimütig.
„Dann kamen die Akten bei mir an, darunter Zeugnisse von Menschen, die Gaudi persönlich gekannt hatten. Ich habe weinen müssen, als ich das gelesen habe. Dieser Mann war wirklich berührt vom Finger Gottes. Die Sagrada Familia zum Beispiel ist eine Katechese anhand von behauenen Steinen. Jedes einzelne Symbol hat eine Bedeutung. Das gesamte Lehrwerk der Kirche ist dort festgehalten: Die Sakramente, die Werke der Nächstenliebe, die Verkündigung, die Passion, die Auferstehung. Gaudi sagte: ein guter Architekt muss sich mit seinem Werk identifizieren. Dies ist ein Sühnetempel. Wenn ich nicht selbst ein Mann der Buße werde, kann ich diese Kirche nicht bauen. Also hat er den Tempel der Sühne zuerst in seinem Inneren gebaut – und ihn dann in Stein umgesetzt.“
Erst vor wenigen Wochen hat Silva Correale einen Fall übernommen, an dem der Kurie viel gelegen ist: den des vietnamesischen Kardinals Fancois Xavier Van Thuan, des früheren Leiters des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. In seiner Heimat Vietnam verbrachte der Kirchenmann 13 Jahre im Gefängnis.
„Die Wärter hatten keine Kenntnis vom christlichen Glauben. Aber sie sahen einen Menschen, der seine Haft so friedlich, freundlich, lebte, so offen für andere war - das hat sie in der Seele gerührt. Und so haben die Wärter ihm geholfen in Dingen, die sie nicht durften – sie haben ihm Holz gebracht, aus dem er ein Brustkreuz zusammenfügen konnte, einen Draht, aus dem er sich eine Kette drehte. So entstand eine Freundschaft. Und einer ist zum Christentum konvertiert. Als Van Thuan nach Rom kam, hat er dieses Kreuz aus dem Gefängnis mitgebracht, es in Metall fassen lassen – es war sein Brustkreuz, das er immer trug.“
Den Seligsprechungsprozess für Kardinal Van Thuan hat, was ungewöhnlich ist, die Kurie selbst angestrengt. Das führte umgehend zu der Schlagzeile: Zum ersten Mal beauftragt der Vatikan eine Frau mit der Vorbereitung einer Seligsprechung. Ganz so stimmt das nicht, betont Silvia Correale: Postulatorinnen, also: Anwältinnen für Heilig- und Seligsprechungsprozesse, sind heute gar nicht selten.
„Es gibt ungefähr 100 Postulatoren, darunter eine große Gruppe Schwestern – ich würde sagen, ein Viertel. Und überdies die eine oder andere Laiin ohne Gelübde“.
In anderen Worten: Wenn es um die Mitwirkung an Selig- und Heiligsprechungen geht, haben Frauen in den vergangenen 25 Jahren rasant aufgeholt.
„Vor der kirchenrechtlichen Neuordnung der Causen durch Johannes Paul II. im Jahr 1983 konnte keine Frau Postulatorin sein. Überhaupt konnten Frauen erst nach dem II. vatikanischen Konzil Kirchenrecht studieren, ab zirka 1970. Und das galt für die ganze Weltkirche!“
Einen bevorzugten Seligen oder eine Lieblingsheilige könnte Silvia Correale nicht benennen:
„Das ist, als würde man eine Mutter nach ihrem Lieblingskind fragen“, erklärt sie.
„Aber: Jede Mutter erinnert sich besonders gut ans erste Kind. Deshalb sind die Märtyrer von Valencia für mich etwas Besonderes. Meine ersten Seligen! Sie wurden am 11. März 2001 am Petersplatz selig gesprochen. Es waren 74, davon 37 Priester und 37 Laien. 19 Frauen, 18 junge Männer. Ich erinnere mich an ihre Namen, jeden einzeln. Als ich das Verfahren in Valencia vorbereitet habe, fuhren wir an vielen kleinen Ortschaften vorbei, und jedes Mal rief ich aus – oh, das ist der Ort von diesem oder jener Dienerin Gottes! Der Delegat der Erzdiözese sagte, wie macht die das nur…? Nun, es ist, als hätte ich das Leben dieser Märtyrer sozusagen auf Armlänge betrachtet.“
Silvia Correale ist streng katholisch. Sie geht jeden Tag zur Heiligen Messe, gerne auch mit ihrer Mutter, die bei ihr in Rom lebt. In ihrer Jugend machte sie eine Ballettausbildung – das ist der schlanken, großgewachsenen Argentinierin nach wie vor anzusehen.
„Klassischer Tanz ist sehr lehrreich. Das waren Jahre mit viel Disziplin, auf der Suche nach Perfektion. Denn wenn du das gut machen willst, musst du jeden Schritt 10.000 Mal ausführen. Es liegt eine große Gelassenheit darin, jedes Mal von neuem anzufangen, etwas Bestimmtes mit deinem Körper auszudrücken. Und irgendwann verstehst du, dass das Leben ähnlich ist – es geht darum, mit deinem Leben die Liebe Gottes zu verkörpern.“
(rv 20.12.2007 gs)








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