Evangelisierung ist Recht und Pflicht der Kirche, muss aber stets die Würde und Freiheit
des Einzelnen respektieren. Der Vatikan hat diesen Grundsatz in einer Lehrmäßigen
Note der Glaubenskongregation erneut bekräftigt. Der Text wurde an diesem Freitag
veröffentlicht, hier die offizielle deutsche Übersetzung: Kongregation für
die Glaubenslehre Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der EvangelisierungI.
Einführung 1. Vom Vater gesandt, das Evangelium zu verkünden, ruft Jesus Christus
alle Menschen zur Bekehrung und zum Glauben (vgl. Mk 1,14–15), indem er den
Aposteln nach seiner Auferstehung die Fortführung seiner Sendung zur Evangelisierung
anvertraut (vgl. Mt 28,19–20; Mk 16,15; Lk 24,4–7; Apg
1,3): „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21; vgl.
17,18). Durch die Kirche möchte er jede Epoche der Geschichte, jeden Ort der Welt
und jedes gesellschaftliche Umfeld erreichen und zu jedem Menschen kommen, damit alle
eine Herde und ein Hirte werden (vgl. Joh 10,16): „Geht hinaus in die ganze
Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen lässt,
wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16,15–16). Die
Apostel also „luden, bewegt vom Heiligen Geist, alle zur Änderung des Lebens, zur
Bekehrung und zum Empfang der Taufe ein“, weil die „pilgernde Kirche zum Heil notwendig“
ist. Der Herr Jesus Christus selbst, der in seiner Kirche gegenwärtig ist, geht dem
Werk der Verkünder des Evangeliums voraus, begleitet es und folgt ihm, und lässt so
ihre Arbeit fruchtbar werden: Was sich am Anfang ereignet hat, setzt sich durch die
ganze Geschichte hindurch fort. Am Beginn des dritten Jahrtausends erklingt in
der Welt erneut die Einladung, die Petrus – zusammen mit seinem Bruder Andreas und
den ersten Jüngern – von Jesus hörte: „Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze
zum Fang aus!“ (Lk 5,4). Und nach dem Wunder vom reichen Fischfang verkündete
der Herr dem Petrus, dass er „Menschenfischer“ werden sollte (vgl. Lk 5,10). 2. Das
Wort Evangelisierung hat eine überaus reichhaltige Bedeutung. In einem weiteren
Sinn fasst es die gesamte Sendung der Kirche zusammen: Ihr ganzes Leben besteht ja
in der Verwirklichung der traditio Evangelii, der Verkündigung und Weitergabe
des Evangeliums, das „eine Kraft Gottes [ist], die jeden rettet, der glaubt“ (Röm
1,16), und letztlich mit Jesus Christus identisch ist (vgl. 1 Kor 1,24). Deshalb
richtet sich die so verstandene Evangelisierung an die ganze Menschheit. Evangelisieren
bedeutet in jedem Fall nicht nur eine Lehre unterrichten, sondern den Herrn Jesus
in Wort und Tat verkünden, also Werkzeug seiner Gegenwart und Wirksamkeit in der Welt
werden. „Jeder Mensch hat das Recht, von der Frohbotschaft Gottes zu hören, der
sich in Christus offenbart und schenkt; so erst kann der Mensch seine eigene Berufung
voll verwirklichen“. Es handelt sich dabei um ein Recht, das der Herr jeder menschlichen
Person verliehen hat. Deshalb kann jeder Mann und jede Frau wahrhaft mit dein heiligen
Paulus sagen: Jesus Christus hat „mich geliebt und sich für mich hingegeben“ (Gal
2,20). Diesem Recht entspricht die Pflicht zur Evangelisierung: „Wenn ich nämlich
das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt
auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16; vgl.
Röm 10,14). So wird deutlich, wie jedes Tun der Kirche eine grundlegende evangelisierende
Dimension hat und nie von dem Bemühen getrennt werden darf, allen zu helfen, Christus
im Glauben zu begegnen, denn darin besteht das Hauptziel der Evangelisierung: „Das
Soziale und das Evangelium sind einfach nicht zu trennen. Wo wir den Menschen nur
Kenntnisse bringen, Fertigkeiten, technisches Können und Gerät, bringen wir zu wenig“. 3. Heute
herrscht jedoch eine wachsende Verwirrung, die viele dazu verleitet, den Missionsauftrag
des Herrn (vgl. Mt 28,19) ungehört und unwirksam zu lassen. Oft meint man,
dass jeder Versuch, andere in religiösen Fragen zu überzeugen, die Freiheit einschränke.
Es wäre nur erlaubt, die eigenen Ansichten darzulegen und die Menschen einzuladen,
nach ihrem Gewissen zu handeln, ohne ihre Bekehrung zu Christus und zum katholischen
Glauben zu fördern: Man sagt, es genüge, den Menschen zu helfen, bessere Menschen
oder der eigenen Religion treuer zu sein; es genüge, Gemeinschaften zu bauen, die
fähig sind, für Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Solidarität zu arbeiten. Darüber
hinaus behaupten einige, dass man Christus denen, die ihn nicht kennen, nicht verkünden
und deren Zugehörigkeit zur Kirche nicht fördern sollte, weil es möglich sei, auch
ohne ausdrückliche Kenntnis Christi und ohne formale Eingliederung in die Kirche gerettet
zu werden. Angesichts dieser Problemstellungen hat es die Kongregation für die
Glaubenslehre für notwendig gehalten, die vorliegende Note zu veröffentlichen.
Das Dokument setzt die gesamte katholische Lehre über die Evangelisierung voraus,
die im Lehramt von Paul VI. und Johannes Paul II. ausführlich behandelt worden ist,
und hat zum Ziel, einige Aspekte in der Beziehung zwischen dem Missionsauftrag des
Herrn und der Achtung des Gewissens und der Religionsfreiheit aller Menschen zu klären.
Es handelt sich dabei um Aspekte mit wichtigen anthropologischen, ekklesiologischen
und ökumenischen Implikationen.II. Einige anthropologische Implikationen 4. „Das
ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus,
den du gesandt hast“ (Joh 17,3): Gott hat dem Menschen den Verstand und den
Willen geschenkt, damit er ihn in Freiheit suchen, erkennen und lieben könne. Daher
ist die menschliche Freiheit eine Gabe und eine Herausforderung, die der Schöpfer
dem Menschen angeboten hat. Diese Gabe richtet sich an seine Fähigkeit, das zu erkennen
und zu lieben, was gut und wahr ist. Nichts bringt die menschliche Freiheit so sehr
ins Spiel wie die Suche nach dem Guten und nach der Wahrheit, die eine Zustimmung
fordert, welche die grundlegenden Aspekte des Lebens mit einbezieht. Dies betrifft
zumal die Frage nach der Heilswahrheit, die nicht nur Gegenstand des Denkens ist,
sondern ein Ereignis, das die ganze Person — Verstand, Willen, Gefühle, Tätigkeiten
und Pläne — betrifft, wenn sie sich Christus hingibt. In dieser Suche nach dem Guten
und nach der Wahrheit wirkt schon der Heilige Geist, der die Herzen für die Annahme
der Wahrheit des Evangeliums öffnet und bereitet, gemäß dem bekannten Wort des heiligen
Thomas von Aquin: „Omne verum a quocumque dicatur a Spiritu Sancto est“. Es
ist daher wichtig, dieses Tun des Geistes hochzuschätzen, der Verbindungen zur Wahrheit
herstellt, die Herzen ihr näher bringt und der menschlichen Erkenntnis hilft, in der
Weisheit zu reifen und sich vertrauensvoll der Wahrheit anzuvertrauen. Heute werden
aber immer häufiger Fragen gestellt, ob es wirklich recht ist, anderen das anzubieten,
was man selbst für wahr hält, damit sie es ihrerseits annehmen können. Ein solches
Vorgehen wird oft als Angriff auf die Freiheit des anderen betrachtet. Diese Auffassung
von der menschlichen. Freiheit, die von ihrer untrennbaren Beziehung zur Wahrheit
losgelöst wird, stellt einen Ausdruck „jenes Relativismus dar, der nichts als definitiv
anerkennt und als letzten Maßstab nur das eigene Ich mit seinen Gelüsten gelten lässt
und unter dem Anschein der Freiheit für jeden zu einem Gefängnis wird“. In den verschiedenen
Formen des Agnostizismus und des Relativismus, die im zeitgenössischen Denken verbreitet
sind, ist „die legitime Pluralität von Denkpositionen ... einem indifferenten Pluralismus
gewichen, der auf der Annahme fußt, alle Denkpositionen seien gleichwertig: Das ist
eines der verbreitetsten Symptome für das Misstrauen gegenüber der Wahrheit, das man
in der heutigen Welt feststellen kann. Auch manche aus dem Orient stammende Lebensanschauungen
entgehen nicht diesem Vorbehalt. In ihnen wird nämlich der Wahrheit ihr Exklusivcharakter
abgesprochen. Dabei geht man von der Annahme aus, dass die Wahrheit in verschiedenen,
ja sogar einander widersprechenden Lehren gleichermaßen in Erscheinung trete“. Wenn
der Mensch seine grundsätzliche Wahrheitsfähigkeit leugnet, wenn er skeptisch wird
gegenüber seinem Vermögen, das Wahre wirklich zu erkennen, wird er am Ende gerade
das verlieren, was auf einzigartige Weise seinen Verstand ergreifen und sein Herz
faszinieren kann. 5. Wer in diesem Zusammenhang meint, sich bei der Suche nach
der Wahrheit allein auf die eigenen Kräfte zu verlassen, ohne anzuerkennen, dass jeder
dabei die Hilfe anderer nötig hat, betrügt sich selbst. Der Mensch „findet sich ...
von Geburt an in verschiedene Traditionen eingebunden, von denen er nicht nur die
Sprache und die kulturelle Bildung, sondern auch vielfältige Wahrheiten empfängt,
denen er gleichsam instinktiv glaubt ... Im Leben eines Menschen sind die einfachhin
geglaubten Wahrheiten viel zahlreicher als jene, die er durch persönliche Überprüfung
erwirbt“. Die Notwendigkeit, sich Erkenntnissen anzuvertrauen, die von der eigenen
Kultur überliefert oder von anderen übernommen wurden, bereichert den Menschen sowohl
mit Wahrheiten, die er allein nicht hätte erreichen können, als auch mit jenen zwischenmenschlichen
und sozialen Beziehungen, die er dabei knüpft. Der geistige Individualismus dagegen
isoliert die Person, hindert sie daran, sich vertrauensvoll anderen zu öffnen – und
so jene Güter großzügig zu empfangen und weiterzuschenken, die seine Freiheit nähren
– und gefährdet auch das Recht, die eigenen Überzeugungen und Meinungen in der Gesellschaft
zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere die Wahrheit, die den Sinn des Lebens zu
erhellen und das Leben zu orientieren vermag, wird auch dadurch erreicht, dass sich
der Mensch vertrauensvoll jenen Personen überantwortet, welche die Sicherheit und
Authentizität der Wahrheit selbst garantieren können: „Die Fähigkeit und Entscheidung,
sich selbst und sein Leben einem anderen Menschen anzuvertrauen, stellen gewiss einen
der anthropologisch gewichtigsten und ausdrucksstärksten Akte dar“. Die Annahme der
Offenbarung, die sich im Glauben vollzieht, gehört in die Dynamik der Wahrheitssuche
hinein, auch wenn sie sich auf einer tieferen Ebene ereignet: „Dem offenbarenden Gott
ist der ,Gehorsam des Glaubens‘ (Röm 16,26; vgl. Röm 1,5; 2 Kor
10,5–6) zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als Ganzer in Freiheit,
indem er sich dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft und seiner
Offenbarung willig zustimmt“. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Pflicht und das
Recht jedes Menschen bekräftigt, die Wahrheit im Bereich der Religion zu suchen, und
dann hinzugefügt: „Die Wahrheit muss aber auf eine Weise gesucht werden, die der Würde
der menschlichen Person und ihrer Sozialnatur eigen ist, das heißt auf dem Weg der
freien Forschung, mit Hilfe des Lehramtes oder der Unterweisung, des Gedankenaustauschs
und des Dialogs, wodurch die Menschen einander die Wahrheit, die sie gefunden haben
oder gefunden zu haben glauben, mitteilen“. In jedem Fall „erhebt die Wahrheit nicht
Anspruch als kraft der Wahrheit selbst“. Den Verstand und die Freiheit einer Person
ehrlich zur Begegnung mit Christus und seinem Evangelium aufzufordern, ist daher ihr
gegenüber keine ungebührende Einmischung, sondern ein rechtmäßiges Angebot und ein
Dienst, der die Beziehungen zwischen den Menschen fruchtbarer machen kann. 6. Die
Evangelisierung kann überdies nicht nur jene bereichern, an die sie sich richtet,
sondern auch ihre Träger sowie die ganze Kirche. So wird etwa im Prozess der Inkulturation
„die Gesamtkirche selbst in ihren verschiedenen Lebensbereichen an Ausdrucksformen
und Werten bereichert ... Sie lernt das Mysterium Christi tiefer kennen und auszudrücken
und wird zu ständiger Erneuerung angeregt“. Die Kirche, die seit dem Pfingsttag die
Universalität ihrer Sendung kundtut, nimmt nämlich in Christus die unzähligen Reichtümer
der Menschen aller Zeiten und Orte der menschlichen Geschichte auf. Abgesehen von
ihrem inneren anthropologischen Wert, kann jede Begegnung mit einer Person oder einer
konkreten Kultur Schätze des Evangeliums aufdecken, die bisher wenig sichtbar gewesen
sind und das konkrete Leben der Christen und der Kirche bereichern. Auch dank dieser
Dynamik kennt die „apostolische Überlieferung ... in der Kirche unter dem Beistand
des Heiligen Geistes einen Fortschritt“. Der Heilige Geist, der im Schoß der Jungfrau
Maria die Menschwerdung Jesu Christi gewirkt hat, belebt das mütterliche Handeln der
Kirche in der Evangelisierung der Kulturen. Auch wenn das Evangelium von allen Kulturen
unabhängig ist, vermag es doch alle zu durchdringen, freilich ohne sich ihnen zu unterwerfen.
In diesem Sinn ist der Heilige Geist auch der Protagonist der Inkulturation des Evangeliums.
Er leitet in fruchtbarer Weise den Dialog zwischen dem in Christus offenbarten Wort
Gottes und den tiefsten Fragen, die aus den vielen Menschen und Kulturen aufsteigen.
So setzt sich in der Geschichte – in der Einheit ein und desselben Glaubens – das
Pfingstereignis fort, das durch die verschiedenen Sprachen und Kulturen bereichert
wird. 7. Wenn der Mensch religiös bedeutsame Ereignisse und Wahrheiten anderen
mitteilt und ihnen hilft, diese anzunehmen, steht dieses Tun nicht nur ganz im Einklang
mit dem Wesen eines humanen Dialog-, Verkündigungs- und Lernprozesses, sondern entspricht
auch einer anderen wichtigen anthropologischen Gegebenheit: Dem Menschen ist die Sehnsucht
eigen, die anderen an den eigenen Gütern teilhaben zu lassen. Die gläubige Annahme
der Frohbotschaft drängt von sich aus dazu, sie anderen mitzuteilen. Die Wahrheit,
die das Leben rettet, entflammt das Herz dessen, der sie annimmt, mit einer Liebe
zum Nächsten, die seine Freiheit bewegt, das weiterzuschenken, was er selbst umsonst
empfangen hat. Auch wenn die Nichtchristen durch die Gnade, die Gott schenkt „auf
Wegen, die er weiß“, gerettet werden können, kann die Kirche doch nicht unbeachtet
lassen, dass ihnen in dieser Welt ein überaus hohes Gut fehlt: die Erkenntnis des
wahren Antlitzes Gottes und die Freundschaft mit Jesus Christus, dem Gott-mit-uns.
Denn „es gibt nichts Schöneres, als vom Evangelium, von Christus gefunden zu werden.
Es gibt nichts Schöneres, als ihn zu kennen und anderen die Freundschaft mit ihm zu
schenken“. Für jeden Menschen ist die Offenbarung der grundlegenden Wahrheiten über
Gott, über sich selbst und über die Welt ein hohes Gut; in der Dunkelheit, ohne die
Wahrheit über die letzten Fragen zu leben, ist hingegen ein Übel, das oft Leiden und
manchmal dramatische Formen der Sklaverei verursacht. Darum schreckt der heilige Paulus
nicht davor zurück, die Bekehrung zum christlichen Glauben zu beschreiben als Befreiung
von „der Macht der Finsternis“ und Aufnahme „in das Reich seines geliebten Sohnes.
Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden“ (Kol 1,13–14).
Die volle Zustimmung zu Christus, der die Wahrheit ist, und der Eintritt in seine
Kirche vermindern deshalb nicht die menschliche Freiheit, sondern erhöhen sie und
bringen sie zu ihrer Vollendung in einer Liebe, die umsonst und voll Sorge um das
Wohl aller Menschen ist. Es ist ein unschätzbares Geschenk, in der universalen Verbundenheit
der Freunde Gottes zu leben, die aus der Gemeinschaft mit dem lebensspendenden Fleisch
seines Sohnes hervorgeht, von ihm die Gewissheit der Vergebung der Sünden zu empfangen
und in der Liebe zu leben, die aus dem Glauben hervorgeht. An diesen Gütern will die
Kirche alle teilhaben lassen, damit sie so die Fülle der Wahrheit und der Mittel des
Heils besitzen und „befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“
(Röm 8,21). 8. Die Evangelisierung beinhaltet auch den ehrlichen Dialog,
der die Argumente und Empfindungen des Anderen zu verstehen sucht. Denn zum Herz des
Menschen gelangt man nicht ohne unentgeltlichen Einsatz, Liebe und Dialog. Das verkündete
Wort soll also nicht nur ausgesprochen, sondern im Herzen seiner Empfänger auch angemessen
bezeugt werden. Das erfordert, auf die Hoffnungen und Leiden sowie auf die konkreten
Situationen derer zu achten, an die man sich wendet. Darüber hinaus öffnen die Menschen
guten Willens gerade im Dialog ihr Herz bereitwilliger und teilen ehrlich ihre geistlichen
und religiösen Erfahrungen mit. Ein solcher Austausch, der für echte Freundschaft
kennzeichnend ist, bietet eine wertvolle Gelegenheit für das Zeugnis und für die christliche
Verkündigung. Wie in jeden Bereich menschlicher Tätigkeit, kann sich auch in den
Dialog über religiöse Fragen die Sünde einschleichen. Es kann gelegentlich vorkommen,
dass dieser Dialog nicht von seinem eigentlichen Ziel bestimmt ist, sondern dem Betrug,
egoistischen Interessen oder der Anmaßung unterliegt und so den Respekt vor der Würde
und der religiösen Freiheit der Gesprächspartner schuldig bleibt. Daher verbietet
die Kirche „streng, dass jemand zur Annahme des Glaubens gezwungen oder durch ungehörige
Mittel beeinflusst oder angelockt werde, wie sie umgekehrt auch mit Nachdruck für
das Recht eintritt, dass niemand durch üble Druckmittel vom Glauben abgehalten werde“. Der
ursprüngliche Beweggrund der Evangelisierung ist die Liebe Christi, der das ewige
Heil der Menschen will. Die wahren Verkünder des Evangeliums möchten lediglich das
umsonst weiterschenken, was sie selbst umsonst empfangen haben. „Schon in den Anfängen
der Kirche haben sich die Jünger Christi abgemüht, die Menschen zum Bekenntnis zu
Christus dem Herrn zu bekehren, nicht durch Zwang und durch Kunstgriffe, die des Evangeliums
nicht würdig sind, sondern vor allem in der Kraft des Wortes Gottes“. Die Sendung
der Apostel – und ihre Fortführung in der Sendung der alten Kirche – bleibt für alle
Zeiten das grundlegende Modell der Evangelisierung: Diese Sendung ist oft vom Martyrium
gekennzeichnet, wie auch die Geschichte des eben vergangenen Jahrhunderts zeigt. Gerade
das Martyrium verleiht den Zeugen Glaubwürdigkeit, weil sie nicht Macht oder Gewinn
suchen, sondern das eigene Leben für Christus hingeben. Sie zeigen der Welt jene gewaltlose
Kraft, die voll Liebe zu den Menschen ist und jenen geschenkt wird, die Christus bis
zur Ganzhingabe ihres Lebens nachfolgen. So haben die Christen seit den Anfängen des
Christentums bis in unsere Tage um des Evangeliums willen Verfolgungen erlitten, wie
Jesus selbst es vorhergesagt hatte: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch
euch verfolgen“ (Joh 15,20).111. Einige ekklesiologische Implikationen 9. Seit
dem Pfingsttag wird jeder, der den Glauben ganz annimmt, in die Gemeinschaft der Glaubenden
aufgenommen: „Die nun, die sein [Petri] Wort annahmen, ließen sich taufen. An diesem
Tag wurden ihrer Gemeinschaft etwa dreitausend Menschen hinzugefügt“ (Apg 2,41).
Von Anfang an wurde das Evangelium in der Kraft des Geistes allen Menschen verkündet,
damit sie glauben und Jünger Christi sowie Glieder seiner Kirche werden. Auch die
patristische Literatur enthält fortwährend Aufforderungen, die Sendung zu erfüllen,
die Christus seinen Jüngern anvertraut hat. Allgemein wird der Ausdruck „Bekehrung“
verwendet, um auf die Notwendigkeit hinzuweisen, die Heiden zur Kirche zu bringen.
Doch in seiner eigentlich christlichen Bedeutung meint „Bekehrung“ (metanoia) eine
Änderung des Denkens und des Handelns, die das neue, vom Glauben verkündete Leben
in Christus zum Ausdruck bringt: Es geht dabei um eine fortwährende Erneuerung
im Denken und im Tun, um immer mehr mit Christus eins zu werden (vgl. Gal 2,20),
wozu in erster Linie die Getauften berufen sind. Das ist zumal die Bedeutung der Einladung,
die Jesus ausgesprochen hat: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk
1,15, vgl. Mt 4,17). Der christliche Geist wurde immer von der Leidenschaft
beseelt, die ganze Menschheit zu Christus in die Kirche zu führen. Neue Glieder in
die Kirche einfügen heißt nämlich nicht, eine Machtgruppe vergrößern, sondern Menschen
eintreten lassen in das Netz der Freundschaft mit Christus, das Himmel und Erde sowie
verschiedene Kontinente und Epochen miteinander verbindet. Es heißt, das Geschenk
der Gemeinschaft mit Christus annehmen: das „neue Leben“, das beseelt ist von der
Liebe und vom Einsatz für die Gerechtigkeit. Die Kirche ist Werkzeug – „Keim und Anfang“
– des Reiches Gottes, nicht eine politische Utopie. Sie ist schon Gegenwart Gottes
in der Geschichte und trägt zugleich die wahre Zukunft in sich, jede endgültige Zukunft,
in der er „alles in allem“ sein wird (1 Kor 15,28). Diese Gegenwart ist notwendig,
weil nur Gott der Welt wirklich Frieden und Gerechtigkeit bringen kann. Das Reich
Gottes ist nicht – wie heute einige behaupten – eine unbestimmte Wirklichkeit, die
über allen religiösen Erfahrungen und Traditionen steht und nach der die Religionen
streben sollten wie nach einer allumfassenden, unterschiedslosen Gemeinschaft all
derer, die Gott suchen. Das Reich Gottes ist vor allem eine Person, die das Antlitz
und den Namen Jesu von Nazaret hat, der Abbild des unsichtbaren Gottes ist. Daher
kann jede freie Bewegung des menschlichen Herzens zu Gott und seinem Reich ihrer Natur
nach nur zu Christus führen und auf den Eintritt in seine Kirche ausgerichtet sein,
die wirksames Zeichen jenes Reiches ist. Die Kirche ist also Werkzeug der Gegenwart
Gottes und deshalb auch Werkzeug einer wahren Humanisierung des Menschen und der Welt.
Die Ausbreitung der Kirche in der Geschichte, die das Ziel der Mission darstellt,
dient der Gegenwart Gottes durch sein Reich: Denn man kann „das Reich nicht von der
Kirche loslösen“. 10. Die missionarische Verkündigung der Kirche wird heute jedoch
„durch relativistische Theorien gefährdet, die den religiösen Pluralismus nicht nur
de facto, sondern auch de iure (oder prinzipiell) rechtfertigen wollen“.
Seit geraumer Zeit ist eine Situation entstanden, in der vielen Gläubigen das eigentliche
Ziel der Evangelisierung nicht klar ist. Es wird sogar behauptet, dass der Anspruch,
die Fülle der Offenbarung Gottes als Geschenk empfangen zu haben, eine Haltung der
Intoleranz und eine Gefahr für den Frieden in sich berge. Wer so denkt, verkennt,
dass die Fülle der Wahrheit, die Gott schenkt, indem er sich dem Menschen offenbart,
die Freiheit respektiert, die von demselben Gott als unzerstörbares Merkmal der menschlichen
Natur geschaffen ist: Diese Freiheit ist nicht Indifferenz, sondern Ausrichtung auf
das Gute. Der katholische Glaube selbst und die Liebe Christi fordern einen solchen
Respekt, der für die Evangelisierung grundlegend ist und darum ein Gut darstellt,
dessen Förderung nicht getrennt werden kann vom Einsatz dafür, die Fülle des Heiles,
die Gott dem Menschen in der Kirche anbietet, bekannt zu machen und frei annehmen
zu helfen. Der Respekt vor der religiösen Freiheit und ihre Förderung „dürfen uns
aber keineswegs gegenüber der Wahrheit und dem Guten gleichgültig machen. Vielmehr
drängt die Liebe selbst die Jünger Christi, allen Menschen die Heilswahrheit zu verkünden“.
Diese Liebe ist das kostbare Siegel des Heiligen Geistes, der als Protagonist der
Evangelisierung nicht aufhört, die Herzen zur Verkündigung des Evangeliums zu bewegen
und für seine Annahme zu öffnen. Diese Liebe lebt im Herzen der Kirche und strahlt
von dort als Feuer der Hingabe bis an die Grenzen der Erde, bis in das Herz jedes
Menschen. Denn das ganze Herz des Menschen wartet auf die Begegnung mit Jesus Christus. So
versteht man, wie dringend die Einladung Christi ist, das Evangelium zu verkünden,
und wie die Sendung, die der Herr den Aposteln anvertraut hat, alle Getauften angeht:
„Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie
auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles
zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19–20). Diese Worte Jesu betreffen
alle in der Kirche, jeden gemäß seiner eigenen Berufung. In der gegenwärtigen Stunde,
in der so viele Menschen in vielerlei Arten von Wüsten leben, vor allem in
der „Wüste des Gottesdunkels, der Entleerung der Seelen, die nicht mehr um die Würde
und um den Weg des Menschen wissen“, hat Papst Benedikt XVI. der Welt in Erinnerung
gerufen: „Die Kirche als Ganze und die Hirten in ihr müssen wie Christus sich auf
den Weg machen, um die Menschen aus der Wüste herauszuführen zu den Orten des Lebens
– zur Freundschaft mit dem Sohn Gottes, der uns Leben schenkt, Leben in Fülle“. Dieser
apostolische Einsatz ist eine Pflicht und auch ein unveräußerliches Recht, eben ein
Ausdruck der religiösen Freiheit, die ihre entsprechenden ethisch-sozialen und ethisch-politischen
Dimensionen hat. Dieses Recht wird leider in einigen Teilen der Welt noch nicht gesetzlich
anerkannt und in anderen nicht wirklich respektiert. 11. Wer das Evangelium verkündet,
hat Anteil an der Liebe Christi, der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat (vgl.
Eph 5,2). Er ist sein Gesandter und bittet im Namen Christi: „Lasst euch mit
Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Diese Liebe ist Ausdruck jener Dankbarkeit,
die aus dem menschlichen Herzen kommt, wenn es sich der von Jesus Christus geschenkten
Liebe öffnet, jener Liebe, „die im Weltall sich entfaltet“. Dies erklärt den Eifer,
das Vertrauen und die Freimütigkeit (parrhesia), die sich in der Predigt der
Apostel zeigten (vgl, Apg 4,31; 9,27–28; 26,26; usw.) und die König Agrippa
spürte, als er Paulus zuhörte: „Fast überredest du mich dazu, mich als Christ auszugeben“
(Apg 26,28). Die Evangelisierung geschieht nicht nur durch die öffentliche
Predigt des Evangeliums und nicht bloß in Tätigkeiten von öffentlicher Bedeutung,
sondern auch durch das persönliche Zeugnis, das immer ein Weg mit hoher missionarischer
Wirksamkeit ist. „Darum bleibt neben dieser Verkündigung des Evangeliums in umfassendster
Weise die andere Form seiner Vermittlung, nämlich von Person zu Person, weiterhin
gültig und bedeutsam ... Die Dringlichkeit, die Frohbotschaft den vielen zu verkünden,
darf nicht jene Form des Mitteilens übersehen lassen, in welcher das ganz persönliche
Innere des Menschen angesprochen wird, berührt von einem ganz besonderen Wort, das
er von einem anderen empfängt“. In jedem Fall ist daran zu erinnern, dass bei der
Weitergabe des Evangeliums das Wort und das Lebenszeugnis zusammengehören. Damit das
Licht der Wahrheit alle Menschen erleuchte, braucht es vor allem das Zeugnis der Heiligkeit.
Wenn das Wort von der Lebensweise widerlegt wird, kann es kaum angenommen werden.
Es genügt aber auch nicht nur das Zeugnis, „denn auch das schönste Zeugnis erweist
sich auf die Dauer als unwirksam, wenn es nicht erklärt, ergründet – das, was Petrus
,Rechenschaft geben über seine Hoffnung“ (1 Petr 3,15) nennt – und durch eine
klare und eindeutige Verkündigung des Herrn Jesus entfaltet wird“.IV. Einige ökumenische
Implikationen 12. Seit ihren Anfängen war die ökumenische Bewegung eng mit
der Evangelisierung verbunden. Die Einheit ist nämlich das Siegel der Glaubwürdigkeit
der Mission, und das Zweite Vatikanische Konzil hat mit Bedauern zum Ausdruck gebracht,
dass der Skandal der Trennung „ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung“
ist. Jesus selbst hat am Abend vor seinem Tod gebetet: „Alle sollen eins sein ...,
damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Die Sendung der Kirche ist universal und
nicht auf bestimmte Regionen der Erde begrenzt. Die Evangelisierung geschieht freilich
auf verschiedene Weisen je nach den unterschiedlichen Situationen, in denen sie sich
entfaltet. Im eigentlichen Sinn gibt es die „missio ad gentes“ zu denen, die Christus
nicht kennen. In einem weiteren Sinn spricht man von „Evangelisierung“, um die gewöhnliche
Seelsorge zu bezeichnen, und von „Neuevangelisierung“, um die Sorge für jene zu beschreiben,
die den christlichen Glauben nicht mehr praktizieren. Darüber hinaus gibt es die Evangelisierung
in Ländern, wo nicht katholische Christen leben, vor allem in Ländern mit alter christlicher
Tradition und Kultur. Hier ist sowohl echter Respekt für ihre Tradition und ihre geistlichen
Reichtümer als auch aufrichtiger Wille zur Zusammenarbeit gefordert. Die Katholiken
sollen „mit den von ihnen getrennten Brüdern, gemäß den Richtlinien des Dekretes über
den Ökumenismus, brüderlich zusammenarbeiten im gemeinsamen Bekenntnis des Glaubens
an Gott und an Jesus Christus vor den Heiden, soweit dieses vorhanden ist, ebenso
im Zusammenwirken in sozialen und technischen sowie kulturellen und religiösen Dingen,
wobei man jeden Anschein von Indifferentismus und Verwischung sowie ungesunder Rivalität
vermeiden muss“. Im ökumenischen Einsatz lassen sich verschiedene Dimensionen unterscheiden:
Zunächst bedarf es des Zuhörens, das eine grundlegende Bedingung für jeden
Dialog ist. Dann folgt die theologische Diskussion, in der man versucht, die
Bekenntnisse, Traditionen und Überzeugungen der anderen zu verstehen, und zu einer
im Streit manchmal verdeckten Übereinstimmung gelangen kann. Untrennbar von alldem
darf eine weitere wesentliche Dimension des ökumenischen Bemühens nicht fehlen: die
Bezeugung und Verkündigung der Elemente, die nicht partikuläre Überlieferungen
oder theologische Feinheiten darstellen, sondern zur Tradition des Glaubens selbst
gehören. Der Ökumenismus besitzt aber nicht nur eine institutionelle Dimension,
die darauf abzielt, „die zwischen den Christen bestehende teilweise Gemeinschaft bis
zur vollen Gemeinschaft in der Wahrheit und in der Liebe wachsen zu lassen“. Er ist
Aufgabe jedes einzelnen Gläubigen, vor allem durch das Gebet, die Buße, das Studium
und die Zusammenarbeit. Immer und überall hat jeder katholische Gläubige das Recht
und die Pflicht, den eigenen Glauben zu bezeugen und in seiner Fülle zu verkünden.
Mit den nicht katholischen Christen muss der Katholik in einen Dialog treten, in dem
Liebe und Wahrheit respektiert werden. Dieser Dialog ist nicht nur ein Austausch von
Gedanken, sondern von Gaben, damit ihnen die Fülle der Heilsmittel angeboten werden
kann. So gelangt man zu einer immer tieferen Bekehrung zu Christus. In diesem Zusammenhang
ist anzumerken, dass die Entscheidung eines nicht katholischen Christen, der von der
katholischen Wahrheit überzeugt ist und aus Gewissensgründen darum bittet, in die
volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche einzutreten, als Werk des Heiligen
Geistes und als Ausdruck der Gewissens- und Religionsfreiheit zu respektieren ist.
In diesem Fall handelt es sich nicht um Proselytismus in dem negativen Sinn, den dieser
Begriff erhalten hat. Das Zweite Vatikanische Konzil hat im Dekret über den Ökumenismus
ausdrücklich festgehalten: „Es ist klar, dass die Vorbereitung und die Wiederaufnahme
solcher Einzelner, die die volle katholische Gemeinschaft wünschen, ihrer Natur nach
etwas von dem ökumenischen Werk Verschiedenes ist; es besteht jedoch kein Gegensatz
zwischen ihnen, da beides aus dem wunderbaren Ratschluss Gottes hervorgeht“. Daher
nimmt dieses Werk nichts weg von dem Recht und von der Verantwortung, die Fülle des
katholischen Glaubens anderen Christen zu verkünden, die ihn in Freiheit annehmen
wollen. Diese Auffassung erfordert natürlich, jeden unrechtmäßigen Druck zu vermeiden.
„Man muss sich ... bei der Verbreitung des religiösen Glaubens und bei der Einführung
von Gebräuchen allzeit jeder Art der Betätigung enthalten, die den Anschein erweckt,
als handle es sich um Zwang oder um unehrenhafte oder ungehörige Überredung, besonders
wenn es weniger Gebildete oder Arme betrifft“. Das Zeugnis für die Wahrheit will nichts
mit Gewalt auferlegen, weder mit Zwangsmaßnahmen noch mit Kunstgriffen, die dem Evangelium
widersprechen. Die Übung der Liebe ist umsonst. Die Liebe und das Zeugnis für die
Wahrheit zielen darauf ab, vor allem mit der Kraft des Wortes Gottes zu überzeugen
(vgl. 1 Kor 2,3–5; 1 Thess 2,3–5). Die christliche Mission stützt sich
auf die Kraft des Heiligen Geistes und der verkündeten Wahrheit selbst.V. Schluss 13. Das
evangelisierende Wirken der Kirche darf niemals aufhören. Denn nie wird der Kirche
die Gegenwart des Herrn Jesus in der Kraft des Heiligen Geistes fehlen, hat er doch
selbst verheißen: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20).
Die heute verbreiteten relativistischen und irenistischen Auffassungen im religiösen
Bereich bieten keinerlei gültige Begründung dafür, sich von dieser anstrengenden,
aber faszinierenden Sendung zurückzuziehen, die zum Wesen der Kirche gehört und „ihre
vorrangige Aufgabe“ darstellt. „Caritas Christi urget nos – die Liebe Christi
drängt uns“ (2 Kor 5,14): Dies bezeugt das Leben einer großen Zahl von Gläubigen,
die – getrieben von der Liebe Christi – durch die ganze Geschichte hindurch Mühen
und Tätigkeiten jedweder Art auf sich genommen haben, um das Evangelium der ganzen
Welt und in allen Schichten der Gesellschaft zu verkünden und so jede christliche
Generation fortwährend zu ermahnen und einzuladen, großherzig den Auftrag Christi
zu befolgen. Daher hat Papst Benedikt XVI. in Erinnerung gerufen: „Die Verkündigung
und das Zeugnis des Evangeliums sind der allererste Dienst, den die Christen jedem
einzelnen Menschen und dem ganzen Menschengeschlecht leisten können, sind sie doch
dazu aufgerufen, allen die Liebe Gottes zu vermitteln, die im einzigen Erlöser der
Welt, Jesus Christus, ganz offenbart worden ist“. Die Liebe, die von Gott kommt, eint
uns mit ihm und macht uns „zu einem Wir ..., das unsere Trennungen überwindet und
uns eins werden lässt, so dass am Ende ,Gott alles in allem‘ ist (vgl. 1 Kor
15, 28)“. Papst Benedikt XVI. hat in der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten
gewährten Audienz am 6. Oktober 2007 die vorliegende lehrmäßige Note, die in der Ordentlichen
Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden ist, gutgeheißen und deren Veröffentlichung
angeordnet. Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 3. Dezember
2007, dem Gedenktag des heiligen Franz Xaver, Patron der Mission.WILLIAM Kardinal
LEVADA Präfekt
ANGELO AMATO, S.D.B. Titularerzbischof von Sila Sekretär
Aus
technischen Gründen lassen sich die Fußnoten und Zitate leider nicht im Text anzeigen.
Unten stehend finden Sie jedoch alle Anmerkungen.
JOHANNES PAUL II., Enzyklika
Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 47: AAS 83 (1991), 293. II. VATIKANlSCHES
KONZIL, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 14; vgl. Dekret Ad gentes,
7; Dekret Unitatis redintegratio, 3. Diese Lehre steht nicht dem universalen
Heilswillen Gottes entgegen, der „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur
Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Deshalb muss man „diese beiden
Wahrheiten zusammen gegenwärtig haben: die tatsächlich gegebene Möglichkeit des Heiles
in Christus für alle Menschen und die Notwendigkeit der Anwesenheit der Kirche für
dieses Heil“ (JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 9: AAS
83 [1991], 258). Vgl. JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Novo millennio
ineunte (6. Januar 2001), 1: AAS 93 (2001), 266. Vgl. PAUL VI., Apostolisches
Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 24: AAS 69 (1976),
22. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 46: AAS 83
(1991), 293; vgl. PAUL VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 53
und 80: AAS 69 (1976), 41–42, 73–74. BENEDIKT XVI., Homilie bei der heiligen
Messe auf dem Gelände vor der Neuen Messe in München (10. September 2006): AAS 98
(2006), 710. „Alles Wahre, wer auch immer es sagt, ist vom Heiligen Geist“: THOMAS
VON AQUIN, Summa theologiae, I–II, q. 109, a. 1, ad 1. Vgl. JOHANNES PAUL II.,
Enzyklika Fides et ratio (14. September 1998), 44: AAS 91 (1998), 40.
BENEDIKT XVI., Ansprache bei der Eröffnung der Pastoraltagung der Diözese Rom zum
Thema Familie (6. Juni 2005): AAS 97 (2005), 816. JOHANNES PAUL II., Enzyklika
Fides et ratio, 5: AAS 91 (1999), 9–10. Ebd., 31:l.c.,
29; vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 12.
Dieses Recht ist auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von
1948 (Artikel 18–19) anerkannt und festgehalten. JOHANNES PAUL II., Enzyklika
Fides et ratio, 33: AAS 91 (1999), 31. II. VATIKANISCHES KONZIL,
Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 5. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung
Dignitatis humanae, 3. Ebd., 1. JOHANNES PAUL II., Enzyklika
Redemptoris missio, 52: AAS 83 (1991), 300. Vgl. JOHANNES PAUL II.,
Enzyklika Slavorum Apostoli (2. Juni 1985), 18: AAS 77 (1985), 800.
II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 8. Vgl.
PAUL VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 19–20: AAS 69
(1976), 18–19. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret Ad gentes, 7; vgl. Dogmatische
Konstitution Lumen gentium, 16; Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22.
BENEDIKT XVI., Homilie bei der heiligen Messe zur Amtseinführung (24. April
2005): AAS 97 (2005), 711. Vgl. I. VATIKANISCHES KONZIL., Dogmatische
Konstitution Dei Filius, 2: „Dieser göttlichen Offenbarung ist es zuzuschreiben,
dass das, was an den göttlichen Dingen der menschlichen Vernunft an sich nicht unzugänglich
ist, auch bei der gegenwärtigen Verfasstheit des Menschengeschlechtes von allen ohne
Schwierigkeit, mit sicherer Gewissheit und ohne Beimischung eines Irrtums erkannt
werden kann (vgl. THOMAS VON AQUIN, Summa theologiae L q. 1., a. 1)“ (DH 3005).
II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret Ad gentes, 13. II. VATIKANISCHES KONZIL,
Erklärung Dignitatis humanae, 11. Vgl. zum Beispiel CLEMENS VON ALEXANDRIEN,
Protrepticus IX, 87,3–4 (SCh 2,154–155); AUGUSTINUS, Sermo 14,
D [=352A], 3 (NBA XXXV/1, 269-271). II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution
Lumen gentium, 5. Vgl. dazu JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris
missio, 18: AAS 83 (1991), 265–266: „Wenn man das Reich von der Person
Jesu trennt, hat man nicht mehr das von ihm geoffenbarte Reich Gottes, man verkehrt
schließlich entweder den Sinn des Reiches, das ein rein menschliches oder ideologisches
Objekt zu werden droht, oder man verfälscht die Identität Christi, der nicht mehr
als der Herr, dem alles unterzuordnen ist, erscheint (vgl. 1 Kor 15, 27)“.
JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 18: AAS 83 (1991),
266. Zur Beziehung zwischen Kirche und Reich vgl. auch KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE,
Erklärung Dominus Iesus (6. August 2000), 18–19: AAS 92 (2000), 759–761.
KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 4: AAS
92 (2000), 744. Vgl. PAUL VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi,
80: AAS 69 (1976), 73: „Wozu überhaupt das Evangelium verkünden, wo doch die
Menschen durch die Rechtschaffenheit des Herzens zum Heil gelangen können? Außerdem
weiß man doch, dass die Welt und die Geschichte erfüllt sind von ,semina Verbi‘: Wäre
es da nicht eine Illusion zu behaupten, das Evangelium dorthin zu bringen, wo es schon
immer in diesen Samenkörnern anwesend ist, die der Herr selbst dort gesät hat?“
Vgl. BENEDIKT XVI., Ansprache an das Kardinalskollegium und die Mitglieder der Römischen
Kurie beim Weihnachtsempfang (22. Dezember 2005): AAS 98 (2006), 50: „So wird
beispielsweise die Religionsfreiheit dann, wenn sie eine Unfähigkeit des Menschen,
die Wahrheit zu finden, zum Ausdruck bringen soll und infolgedessen dem Relativismus
den Rang eines Gesetzes verleiht, von der Ebene einer gesellschaftlichen und historischen
Notwendigkeit auf die ihr nicht angemessene Ebene der Metaphysik erhoben und so ihres
wahren Sinnes beraubt, was zur Folge hat, dass sie von demjenigen, der glaubt, dass
der Mensch fähig sei, die Wahrheit Gottes zu erkennen und der aufgrund der der Wahrheit
innewohnenden Würde an diese Erkenntnis gebunden ist, nicht akzeptiert werden kann.
Etwas ganz anderes ist es dagegen, die Religionsfreiheit als Notwendigkeit für das
menschliche Zusammenleben zu betrachten oder auch als eine Folge der Tatsache, dass
die Wahrheit nicht von außen aufgezwungen werden kann, sondern dass der Mensch sie
sich nur durch einen Prozess innerer Überzeugung zu eigen machen kann.“ II. VATIKANISCHES
KONZIL, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 28; vgl. PAUL VI., Apostolisches
Schreiben Evangelii nuntiandi, 24: AAS 69 (1976), 21–22. Vgl. JOHANNES
Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 21–30: AAS 83 (1991), 268–276.
BENEDIKT XVI., Homilie bei der heiligen Messe zur Amtseinführung (24. April
2005): AAS 97 (2005), 710. Ebd. Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL,
Erklärung Dignitatis humanae, 6. Wo das Recht auf Religionsfreiheit anerkannt
wird, ist gewöhnlich ebenso das Recht jedes Menschen anerkannt, die eigenen Überzeugungen
anderen Menschen unter voller Achtung ihres Gewissens mitzuteilen, auch um den Eintritt
in die eigene Religionsgemeinschaft zu fördern, wie es außerdem viele heute geltende
Rechtsordnungen und eine schon verbreitete diesbezügliche Rechtsprechung bekräftigen.
„Che per l’universo si squaderna“: DANTE ALIGHIERI, La Divina Commedia, Paradiso,
XXXIII, 87. PAUL VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 46:
AAS 69 (1976), 36. Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution
Lumen gentium, 35. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi,
22: AAS 69 (1976), 20. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret Unitatis redintegratio,
1; vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 1, 50: AAS
83 (1991), 249, 297. Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio,
34: AAS 83 (1991), 279–280. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret Ad gentes,
15. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995), 14:
AAS 87 (1995), 929. Vgl. ebd., 28: l.c., 939. Vgl.
II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret Unitatis redintegratio, 3, 5. Ursprünglich
kommt der Begriff „Proselytismus“ aus dem hebräischen Umfeld, wo derjenige als „Proselyt“
bezeichnet wurde, der aus den „Völkern“ kommend sich dem „auserwählten Volk“ angeschlossen
hatte. So wurde der Begriff „Proselytismus“ auch im christlichen Bereich oft als Synonym
für die missionarische Tätigkeit gebraucht. In jüngerer Zeit hat der Begriff einen
negativen Beigeschmack erhalten als Werbung für die eigene Religion mit Mitteln und
Beweggründen, die dem Geist des Evangeliums widersprechen und die Freiheit und Würde
der Person nicht wahren. In diesem Sinn wird der Begriff „Proselytismus“ im Zusammenhang
mit der Ökumenischen Bewegung verstanden: vgl. THE JOINT WORKING GROUP BETWEEN THE
CATHOLIC CHURCH AND THE WORLD COUNCIL OF CHURCHES, The Challenge of Proselytism and
the Calling to Common Witness (1995). II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret Unitatis
redintegratio, 4. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung Dignitatis humanae,
4. Vgl. BENEDIKT XVI., Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005),
31c: AAS 98 (2006), 245. Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung Dignitatis
humanae, 11. BENEDIKT XVI., Homilie beim Besuch in der Basilika Sankt Paul
vor den Mauern (25. April 2005): AAS 97 (2005), 745. BENEDIKT XVI., Ansprache
an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses zum 40. Jahrestag der Verkündigung
des Konzilsdekretes Ad gentes über die Missionstätigkeit der Kirche (11. März
2006): AAS 98 (2006), 334. BENEDIKT XVI., Enzyklika Deus Caritas est,
18: AAS 98 (2006), 232.