2007-11-29 09:32:57

Vatikan: Kirchliche Hochschulen reformieren sich


RealAudioMP3 Die Universitäten Europas gehen seit mehreren Jahren durch einen tief greifenden Reformprozess. Auch die katholische Kirche und ihre Fakultäten spielen mit: Zum einen, weil die Kirche auch in Zukunft gut ausgebildete Leute als Priester, Religionslehrer oder Universitätsdozenten braucht, zum anderen, weil die europäischen Universitäten ja historisch betrachtet Kinder der Kirche sind. Die gemeinsamen Reformanstrengungen der europäischen Universitäten tragen den Namen „Bologna-Prozess“. Wir sprachen mit dem vatikanischen Verantwortlichen für diesen Bologna-Prozess, dem Wiener Pater Friedrich Bechina FSO.

„In vielen Ländern wie zB Deutschland sind unsere Fakultäten an öffentlichen Universitäten untergebracht, das braucht geordnete Formen der Zusammenarbeit. Weil Deutschland und die anderen Länder Teilnehmer am Bologna-Prozess sind, ist es auch für uns nahe liegend, die Zusammenarbeit zu suchen.“

Deshalb hat der Heilige Stuhl sich 2003 dazu entschlossen, dem Bologna-Prozess beizutreten. Die meisten Staaten Kerneuropas hatten eine entsprechende Selbstverpflichtung schon 1999 unterschrieben. Bis 2010 sollen erste Ergebnisse vorliegen. Der Bologna-Prozess beabsichtigt, einen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Da geht es etwa um die Vergleichbarkeit von Lehr-Standards und Studienabschlüssen. Konkret heißt das: Wenn jemand beispielsweise Biologie in München studiert, muss er am Ende einen ähnlichen Wissensstandard haben wie jemand, der für dasselbe Fach in Palermo inskribiert ist. Allerdings: Ob jemand in München oder in Palermo katholische THEOLOGIE studiert, ist schon seit langem vergleichbar, weil der Vatikan die Inhalte zentral vorgibt. Auch der dreiteilige Aufbau des Studiums, wie ihn europäische Universitäten nun teils unter Schmerzen durchsetzen, ist an den kirchlichen Fakultäten der ganzen Welt schon lange Standard. P. Bechina:

„1931 gab es ein Dokument von Pius XI., eine apostolische Konstitution, und da wird diese Dreigliedrigkeit schon als Erfahrungswert vorausgesetzt. Interessant ist, dass sich schon damals bei den drei akademischen Graden jeweils Berufsbeschreibungen finden, die zu den Graden dazugehören. Manche meinen ja, das habe der Bolognaprozess erfunden. In der Kirche dagegen gehört das zu einer sehr langen Tradition. Im Prinzip hat es diese verschiedenen Stufungen der akademischen Grade immer gegeben, weil sie an kirchliche Aufgaben gebunden waren. So war es immer klar, dass nur ein Doktor – und Doktor heißt ja Lehrer – an einer Universität lehren darf, und wer eine Lizenz – das bedeutet „Berechtigung“ - hat, darf an einem Seminar unterrichten.“

Als der Heilige Stuhl dem Bologna-Prozess beigetreten ist, hat das einigen theologischen Fakultäten Europas im ersten Moment Kopfzerbrechen bereitet: Man fürchtete mehr Vorschriften aus Rom. Die vatikanische Bildungskongregation dagegen macht geltend: Vergleichbarkeit ist eine große Chance, weil sie letztlich für mehr Qualität sorgt.

„Wir sind dabei, ein System einer Qualitätsförderung und -Kultur aufzubauen, durch eine eigene Agentur des Heiligen Stuhles, die vor einigen Wochen gegründet wurde. Sie heißt Ave Pro, und das soll etwas Positives ausdrücken, dass man nämlich Qualität promovieren, fördern möchte.“

Seit September diesen Jahres ist Ave Pro operativ. Die Agentur will den Fakultäten helfen, Qualität als ihr eigenes Anliegen zu sehen. Mit welchen Mitteln?

„Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, etwa Veranstaltungen, wo wir Schulungen anbieten. Es können auch Überprüfungen durch Experten sein, die sich Hochschulen ansehen und vor Ort Empfehlungen abgeben, wo man die Qualität verbessern könnte, und wo Stärken liegen, die man noch weiter ausbauen kann.“

Wichtig ist der vatikanischen Bildungskongregation dabei,

„starke persönliche Kontakte aufzubauen, nahe bei den Institutionen zu sein, ihnen Vertrauen zu geben, dass wir am selben Strang ziehen, und dass die Vertretung des Heiligen Stuhles im Bologna-Prozess für sie ein großer Vorteil ist.“

Das ist eine nicht geringe Aufgabe. Denn die Zahl der kirchlichen Hochschulen und Fakultäten weltweit liegt bei rund 260,

„und der Schwerpunkt liegt auf Europa und vor allem in Rom, hier sind über 50 einzelne Institutionen. Europaweit sind es etwas über 180, und dann der Rest außerhalb Europas.“

Die Zahl der Inskribierten an den europäischen kirchlichen Hochschulen und Fakultäten - die dem Vatikan unterstehen – geht dabei gegen die 100.000. Der Heilige Stuhl legt größten Wert darauf, dass die Studierenden an den kirchlichen Bildungsstätten nicht nur fachlich viel lernen. Ganz im Gegensatz zum Trend an allgemeinen staatlichen Universitäten, die Ausbildung zunehmend unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Verwertbarkeit betrachten.

„Dagegen formieren sich aber mehr und mehr andere Kräfte, die sagen: Uni-Ausbildung ist mehr als Markt. Da bilden sich auch Allianzen, und die, die am meisten daran interessiert sind, dass ein ganzheitliches Bildungsideal vertreten wird, ist die katholische Kirche. Zusammen mit dem Heiligen Stuhle sind das vor allem die Studenten, die stark drauf Wert legen, dass das Studium auch etwas mit Charakter, mit Bildung, mit einem ganzheitlichen Sicht der Lebenszeit zu tun hat, die sie an der Uni verbringen, und das sind auch internationale Organisationen wie der Europarat, mit dem wir da stark zusammenarbeiten.“
(rv 29.11.2007 gs)








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