Belgien steht vor einer Zerreisprobe. Nach den Parlamentswahlen im Juni konnte immer
noch keine Regierung gebildet werden, weil es Streitigkeiten zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen
der Flamen und Wallonen gibt. Letzte Woche hatte Kardinal Daneels zum Dialog aufgerufen,
am Sonntag demonstrierten 35.000 Menschen in der Hauptstadt für die Einheit des
Landes. Erik de Beukelaer ist Sprecher der belgischen Bischofskonferenz. Er hofft
auf einen Ausweg aus der verfahrenen Situation.
„Man merkt, dass überall
eine Lösung gewollt wird. Niemand will, dass das schlecht läuft. Aber es ist nicht
einfach, miteinander zu reden, und es ist noch einiges zu tun.“
Die niederländisch
sprechenden Flamen wollen mehr Zuständigkeiten für die Regionen, die frankophonen
Wallonen lehnen das ab. Manche befürchten eine Spaltung, dafür gibt es aber noch keine
Mehrheit, meint der deutsche Ordensmann Diethard Zils OP. Er lebt seit mehreren Jahren
in Belgien und arbeitet in einer flämischsprachigen Gemeinde im Brüsseler Umland.
„Ich
persönlich bin der Meinung: Natürlich gibt es viele Flamen, die die Unabhängigkeit
möchten für Flandern. Aber sie haben nicht die Mehrheit, und ich sehe auch nicht,
dass sie in kürzester Frist die Mehrheit bekommen werden.“
Die Hintergründe
des Konflikts reichen lange zurück. Früher waren die Wallonen reich, die Flamen arm
– nun ist es andersherum. Aber es gibt auch mentalitätsmäßige Unterschiede. Zils favorisiert
eine größere föderale Unabhängigkeit unter Beibehaltung der Einheit des Landes.
„Die
Lösung wäre, dass die Frankophonen bereit wären, erstes Mal Respekt aufzubringen vor
der flämischen Situation, die sich im Umfeld von Brüssel befindet, und zweitens wenn
sie bereit wären, die Gesetze, die da sind auch zu achten. Es sind tatsächlich Sprachgesetze
und alles da, nur sie werden nicht beachtet.“
Dass Belgien noch nicht zerbrochen
ist, verdankt das Land der Existenz von Brüssel, so Pater Zils.
„Brüssel
ist zwar ein eigenständiges Gebiet, gehört zur frankophonen Gemeinschaft, ist aber
zugleich auch Hauptstadt von Flandern, die ganzen flämischen Regierungsabteilungen
sitzen hier in Brüssel. Und Flandern ist nicht bereit, Brüssel aufzugeben; und die
Frankophonen werden niemals bereits sein, Brüssel nach Flandern zu geben: Also wird
Brüssel Belgien zusammenhalten.“
Derzeit wird das Land von dem scheidenden
liberal-sozialistischen Kabinett von Premierminister Guy Verhofstadt kommissarisch
regiert. Nach einem Vermittlungsversuch von König Albert II. haben die Parteienunterhändler
derzeit eine Verhandlungspause eingelegt. (rv/ dm 19.11.2007)