2007-11-19 15:15:39

Belgien: Das Land vor der Spaltung?


Belgien steht vor einer Zerreisprobe. Nach den Parlamentswahlen im Juni konnte immer noch keine Regierung gebildet werden, weil es Streitigkeiten zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen der Flamen und Wallonen gibt.
Letzte Woche hatte Kardinal Daneels zum Dialog aufgerufen, am Sonntag demonstrierten
35.000 Menschen in der Hauptstadt für die Einheit des Landes.
Erik de Beukelaer ist Sprecher der belgischen Bischofskonferenz. Er hofft auf einen Ausweg aus der verfahrenen Situation.

„Man merkt, dass überall eine Lösung gewollt wird. Niemand will, dass das schlecht läuft. Aber es ist nicht einfach, miteinander zu reden, und es ist noch einiges zu tun.“

Die niederländisch sprechenden Flamen wollen mehr Zuständigkeiten für die Regionen, die frankophonen Wallonen lehnen das ab. Manche befürchten eine Spaltung, dafür gibt es aber noch keine Mehrheit, meint der deutsche Ordensmann Diethard Zils OP. Er lebt seit mehreren Jahren in Belgien und arbeitet in einer flämischsprachigen Gemeinde im Brüsseler Umland.

„Ich persönlich bin der Meinung: Natürlich gibt es viele Flamen, die die Unabhängigkeit möchten für Flandern. Aber sie haben nicht die Mehrheit, und ich sehe auch nicht, dass sie in kürzester Frist die Mehrheit bekommen werden.“

Die Hintergründe des Konflikts reichen lange zurück. Früher waren die Wallonen reich, die Flamen arm – nun ist es andersherum. Aber es gibt auch mentalitätsmäßige Unterschiede. Zils favorisiert eine größere föderale Unabhängigkeit unter Beibehaltung der Einheit des Landes.

„Die Lösung wäre, dass die Frankophonen bereit wären, erstes Mal Respekt aufzubringen vor der flämischen Situation, die sich im Umfeld von Brüssel befindet, und zweitens wenn sie bereit wären, die Gesetze, die da sind auch zu achten. Es sind tatsächlich Sprachgesetze und alles da, nur sie werden nicht beachtet.“

Dass Belgien noch nicht zerbrochen ist, verdankt das Land der Existenz von Brüssel, so Pater Zils.

„Brüssel ist zwar ein eigenständiges Gebiet, gehört zur frankophonen Gemeinschaft, ist aber zugleich auch Hauptstadt von Flandern, die ganzen flämischen Regierungsabteilungen sitzen hier in Brüssel. Und Flandern ist nicht bereit, Brüssel aufzugeben; und die Frankophonen werden niemals bereits sein, Brüssel nach Flandern zu geben: Also wird Brüssel Belgien zusammenhalten.“

Derzeit wird das Land von dem scheidenden liberal-sozialistischen Kabinett von Premierminister Guy Verhofstadt kommissarisch regiert. Nach einem Vermittlungsversuch von König Albert II. haben die Parteienunterhändler derzeit eine Verhandlungspause eingelegt.
(rv/ dm 19.11.2007)







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