2007-11-18 13:06:42

Italien: Seliger Rosmini, "einer der letzten Universalgenies"


RealAudioMP3 Am Sonntag ist in Novara Graf Antonio Rosmini-Serbati (1797-1853) selig gesprochen worden. Hans Urs von Balthasar hat ihn „eines der letzten Universalgenies der Menschheit“ genannt. Und Ignaz von Döllinger meinte sogar, seit Thomas von Aquin sei in den Reihen des katholischen Klerus kein größerer Denker aufgestanden als er. Ungewöhnlich ist allerdings, dass erstmals ein verurteilter Theologe zur „Ehre der Altäre“ erhoben wird. Das Heilige Uffizium, der Vorgänger der Glaubenskongregation, hatte 1887 mit dem Dekret „Post obitum“, 40 Lehrsätze Rosmini verurteilt – 33 Jahre nach seinem Tod! Schon 1849 waren zwei seiner Werke auf den Index gesetzt worden. 2001 ist die Verurteilung von der Glaubenskongregation aufgehoben worden – unter Federführung des damaligen Kardinals Ratzinger.
Wir haben mit Karl-Heinz Menke gesprochen, er ist Dogmatikprofessor in Bonn und Rosmini-Kenner.


„Ganz sicher war Rosmini eine der ganz großen geistlichen Gestalten, die ein tiefes geistliches Leben mit einer umfassenden Philosophie und Theologie verbanden. Das besondere war sicher seine Ordensgründung, das „Istituto della Carità“ – nach ihm meist Rosminianer genannt. Er sah sie als eine Bewegung an, die Welt mit der christlichen Botschaft so zu durchdringen, dass man durch tieferes Erkennen die tiefere Liebe lebt. Diese Einheit von Wahrheit und Liebe war das eigentliche Ziel. In den so genannten Leitsätzen seines geistlichen Lebens sagt er, dass jeder Mensch, dadurch dass er tiefer die Wirklichkeit erkennt, auch tiefer zu lieben versteht.“

Rosmini ist der erste große neuzeitliche Philosoph und Theologe, der zur Ehre der Altäre erhoben wird. Das sei besonders bemerkenswert, so Menke:

„Es müsste wieder deutlich werden, dass man nicht auf der einen Seite Geistliches Leben als etwas Erbauliches versteht, sozusagen wie Balthasar das einmal formulierte hat als „Fleisch ohne Knochen“ und auf der anderen Seite eine etwas nüchterne Wissenschaft, die sich mit der Frömmigkeit schwer tut – etwas salopp formuliert „die Knochen ohne Fleisch“ – sondern es müsste beides wieder zusammen kommen. Er ist der große Denker, der zu gleich der ganz Fromme ist.“

Rosmini lebte eine Spiritualität, die von der Armut her denkt

„Er hat als Grafensohn und Erbe eines reichen Vermögens vollkommen bedürfnislos gelebt und alles hergegeben. Er hat auf alles verzichtet, was er im gesellschaftlichen Leben hätte erreichen können. Er hat ganz und gar dem Schreiben seiner Bücher gelebt. Und er hat täglich vier Stunden Anbetung gehalten, um – wie er schrieb – bei dem zu sein, der der Grund alles Erkennens und Liebens ist. ‚Sonst kann ich nicht richtig denken’, hat er gesagt! Das alles zeigt, dass er versucht hat das, was er schrieb, auch zu leben.“

Beindruckend ist auch die Breite seines literarischen Schaffens:

„…achtzig Bände, in denen er praktisch das ganze Wissen seiner Zeit systematisiert hat. Er war also nicht nur ein großer Philosoph und Theologe, sondern auch ein großer Literaturwissenschaftler, Mathematiker und mehr. Das ist einzigartig, so dass Balthasar ihn den letzten Universalgelehrten genannt hat. Das ist viel zu wenig im Blick, und vor allen Dingen die Deutschen, die ja ständig fixiert sind auf ihre eigenen Geistesgröße, vor allem was die Philosophie betrifft, haben ihn viel zu wenig zur Kenntnis genommen. Das sollte sich ändern, das hat er nicht verdient.“

Doch wie kam es zur Verurteilung?
 
„Rosmini war damals dreißig Jahre tot. Aber die Jesuiten, die damals alle wichtigen Lehrstühle in Italien besetzen, verstanden die Rosminianer, die Ordensgründung Rosminis, als Konkurrenz. Die Jesuiten waren außerdem Neuthomisten, während Rosmini versucht hatte, Kant und Hegel positiv zu rezipieren, was den Neuthomisten ein Dorn im Auge war. Sie hatten es unter Pius IX. nicht geschafft, Rosmini lehramtlich zu verurteilen, was sie immer erstrebt hatten. Pius IX. war nämlich mit Rosmini befreundet und blieb es auch. Also haben sie nach der Erhebung Pecis zu Papst Leo XIII. erneut einen Versuch unternommen. Der Bruder des Papstes wurde Chef der Indexbehörde und war lange Zeit in Perugia das Haupt der Neuthomisten: Er war ein erklärter Antirosminianer. Auf diese Weise ist dann die relativ späte Verurteilung Rosminis erfolgt; im übrigen eine Zitatensammlung aus einem Werk des Neuthomisten Cornoldi, auch eines Jesuiten, der ein Buch geschrieben hatte „Das System Rosminis als Synthese von Pantheismus und Ontologismus. Diese Zitate sind zum Teil zusammengestückelt, zum Teil nicht wörtlich aus seinen Werken. Auch nur die posthum erschienen Werke konnten in Frage kommen, da Papst Pius IX. zu Lebzeiten gesagt hatte, die bis dahin erschienenen Werke seien irrtumsfrei.“

(rv 18.11.2007 mc)







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