Italien: Seliger Rosmini, "einer der letzten Universalgenies"
Am Sonntag ist in
Novara Graf Antonio Rosmini-Serbati (1797-1853) selig gesprochen worden. Hans Urs
von Balthasar hat ihn „eines der letzten Universalgenies der Menschheit“ genannt.
Und Ignaz von Döllinger meinte sogar, seit Thomas von Aquin sei in den Reihen des
katholischen Klerus kein größerer Denker aufgestanden als er. Ungewöhnlich ist allerdings,
dass erstmals ein verurteilter Theologe zur „Ehre der Altäre“ erhoben wird. Das Heilige
Uffizium, der Vorgänger der Glaubenskongregation, hatte 1887 mit dem Dekret „Post
obitum“, 40 Lehrsätze Rosmini verurteilt – 33 Jahre nach seinem Tod! Schon 1849 waren
zwei seiner Werke auf den Index gesetzt worden. 2001 ist die Verurteilung von der
Glaubenskongregation aufgehoben worden – unter Federführung des damaligen Kardinals
Ratzinger. Wir haben mit Karl-Heinz Menke gesprochen, er ist Dogmatikprofessor
in Bonn und Rosmini-Kenner.
„Ganz sicher war Rosmini eine der ganz
großen geistlichen Gestalten, die ein tiefes geistliches Leben mit einer umfassenden
Philosophie und Theologie verbanden. Das besondere war sicher seine Ordensgründung,
das „Istituto della Carità“ – nach ihm meist Rosminianer genannt. Er sah sie als eine
Bewegung an, die Welt mit der christlichen Botschaft so zu durchdringen, dass man
durch tieferes Erkennen die tiefere Liebe lebt. Diese Einheit von Wahrheit und Liebe
war das eigentliche Ziel. In den so genannten Leitsätzen seines geistlichen Lebens
sagt er, dass jeder Mensch, dadurch dass er tiefer die Wirklichkeit erkennt, auch
tiefer zu lieben versteht.“
Rosmini ist der erste große neuzeitliche Philosoph
und Theologe, der zur Ehre der Altäre erhoben wird. Das sei besonders bemerkenswert,
so Menke:
„Es müsste wieder deutlich werden, dass man nicht auf der einen
Seite Geistliches Leben als etwas Erbauliches versteht, sozusagen wie Balthasar das
einmal formulierte hat als „Fleisch ohne Knochen“ und auf der anderen Seite eine etwas
nüchterne Wissenschaft, die sich mit der Frömmigkeit schwer tut – etwas salopp formuliert
„die Knochen ohne Fleisch“ – sondern es müsste beides wieder zusammen kommen. Er ist
der große Denker, der zu gleich der ganz Fromme ist.“
Rosmini lebte eine
Spiritualität, die von der Armut her denkt
„Er hat als Grafensohn und Erbe
eines reichen Vermögens vollkommen bedürfnislos gelebt und alles hergegeben. Er hat
auf alles verzichtet, was er im gesellschaftlichen Leben hätte erreichen können. Er
hat ganz und gar dem Schreiben seiner Bücher gelebt. Und er hat täglich vier Stunden
Anbetung gehalten, um – wie er schrieb – bei dem zu sein, der der Grund alles Erkennens
und Liebens ist. ‚Sonst kann ich nicht richtig denken’, hat er gesagt! Das alles zeigt,
dass er versucht hat das, was er schrieb, auch zu leben.“
Beindruckend
ist auch die Breite seines literarischen Schaffens:
„…achtzig Bände, in
denen er praktisch das ganze Wissen seiner Zeit systematisiert hat. Er war also nicht
nur ein großer Philosoph und Theologe, sondern auch ein großer Literaturwissenschaftler,
Mathematiker und mehr. Das ist einzigartig, so dass Balthasar ihn den letzten Universalgelehrten
genannt hat. Das ist viel zu wenig im Blick, und vor allen Dingen die Deutschen, die
ja ständig fixiert sind auf ihre eigenen Geistesgröße, vor allem was die Philosophie
betrifft, haben ihn viel zu wenig zur Kenntnis genommen. Das sollte sich ändern, das
hat er nicht verdient.“
Doch wie kam es zur Verurteilung? „Rosmini
war damals dreißig Jahre tot. Aber die Jesuiten, die damals alle wichtigen Lehrstühle
in Italien besetzen, verstanden die Rosminianer, die Ordensgründung Rosminis, als
Konkurrenz. Die Jesuiten waren außerdem Neuthomisten, während Rosmini versucht hatte,
Kant und Hegel positiv zu rezipieren, was den Neuthomisten ein Dorn im Auge war. Sie
hatten es unter Pius IX. nicht geschafft, Rosmini lehramtlich zu verurteilen, was
sie immer erstrebt hatten. Pius IX. war nämlich mit Rosmini befreundet und blieb es
auch. Also haben sie nach der Erhebung Pecis zu Papst Leo XIII. erneut einen Versuch
unternommen. Der Bruder des Papstes wurde Chef der Indexbehörde und war lange Zeit
in Perugia das Haupt der Neuthomisten: Er war ein erklärter Antirosminianer. Auf diese
Weise ist dann die relativ späte Verurteilung Rosminis erfolgt; im übrigen eine Zitatensammlung
aus einem Werk des Neuthomisten Cornoldi, auch eines Jesuiten, der ein Buch geschrieben
hatte „Das System Rosminis als Synthese von Pantheismus und Ontologismus. Diese Zitate
sind zum Teil zusammengestückelt, zum Teil nicht wörtlich aus seinen Werken. Auch
nur die posthum erschienen Werke konnten in Frage kommen, da Papst Pius IX. zu Lebzeiten
gesagt hatte, die bis dahin erschienenen Werke seien irrtumsfrei.“