Vatikan: Erstmals Aussage zum Primat mit Orthodoxen
Der Vatikan hat an diesem Donnerstag ein Dokument über die Ökumene mit der Orthodoxie
veröffentlicht. Die Orthodoxie stimme darin zum Mal zu, dass es die „universale Ebene
der Kirche gibt, und dass auch auf dieser universalen Ebene beides notwendig ist:
Primas und Kollegialität“, sagte Kardinal Walter Kasper in einem Interview mit Radio
Vatikan. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrats wertet diese Anerkennung des Primats
als „allerersten Schritt“ und „gemeinsame Basis für einen künftigen Dialog“. Was der
Primat bedeute, „wird jetzt noch ein schwieriger und langer Weg sein“. Kasper stand
im Oktober an der Spitze der vatikanischen Delegation bei dem Treffen der Gemischten
Kommission in Ravenna. Das jetzt veröffentlichte Dokument wurde vom 8. bis 14. Oktober
in der Brückenstadt „zwischen Ost und West“ erarbeitet und beschlossen. Der Titel:
„Die ekklesiologischen und kanonischen Konsequenzen der sakramentalen Natur der Kirche.
Kirchliche Gemeinschaft, Konziliarität und Autorität.“ (rv 15.11.2007 bp)
Wir
veröffentlichen im Folgenden die deutsche Übersetzung des Dokuments von Ravenna, das
die Gemeinsamen Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der Römisch-Katholischen
Kirche und der Orthodoxen Kirche bei ihrer Sitzung vom 8.-14. Oktober 2007 in Ravenna
diskutiert und dem sie einmütig zugestimmt hat. Es handelt sich um das Dokument einer
Kommission, nicht um eine lehramtliche Erklärung. Die ursprüngliche und maßgebende
Fassung des Textes ist in englischer Sprache.
Die deutsche Übersetzung besorgte
als Mitglied der Kommission Theresia Hainthaler.
Kirchliche und kanonische
Konsequenzen der sakramentalen Natur der Kirche
Kirchliche Communio, Konziliarität
und Autorität
Ravenna, 13. Oktober 2007
Einleitung
1. Dass alle
eins seien, wie du Vater in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie eins sein
in uns, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast' (Joh 17,21). Wir danken
dem dreieinen Gott, der uns - Mitglieder der Gemeinsamen Kommission für den Theologischen
Dialog zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche - versammelt
hat, so dass wir zusammen auf dieses Gebet Jesu im Gehorsam antworten. Wir sind
uns bewusst, dass unser Dialog wieder beginnt in einer Welt, die sich in jüngster
Zeit grundlegend verändert hat. Die Prozesse der Globalisierung und Säkularisierung
und die Herausforderung durch die neuen Begegnungen zwischen Christen und Glaubenden
anderer Religionen erfordern, dass die Jünger Christi ihren Glauben, ihre Liebe
und Hoffnung mit neuer Dringlichkeit bezeugen. Der Geist des auferstandenen Herrn
möge unsere Herzen und unser Denken befähigen, in der Beziehung zwischen unseren
Kirchen die Früchte der Einheit zu bringen, so dass wir zusammen der Einheit und
dem Frieden der gesamten Menschheitsfamilie dienen. Derselbe Geist möge uns
zum vollen Ausdruck des Geheimnisses kirchlicher Communio führen, das wir dankbar
als ein wunderbares Geschenk Gottes an die Welt anerkennen, ein Geheimnis, dessen
Schönheit besonders in der Heiligkeit der Heiligen, zu der alle gerufen sind,
aufstrahlt.
2. Dem Plan folgend, der beim ersten Treffen in Rhodos 1980 angenommen
wurde, begann die Gemeinsame Kommission damit, das Geheimnis der kirchlichen koinonia
im Licht des Geheimnisses der Heiligen Trinität und der Eucharistie anzugehen.
Das ermöglichte ein tieferes Verständnis der kirchlichen Communio, sowohl auf der Ebene
der Ortsgemeinde um ihren Bischof wie auch auf der Ebene der Beziehungen zwischen
Bischöfen und zwischen den Ortskirchen, denen jeder in Communio mit der einen Kirche
Gottes, die sich über die ganze Welt erstreckt, vorsteht (München-Dokument 1982). Um
das Wesen von Communio zu verdeutlichen, unterstrich die Gemeinsame Kommission
die Beziehung, die zwischen dem Glauben, den Sakramenten - besonders den drei Sakramenten
der christlichen Initiation - und der Einheit der Kirche besteht (Bari-Dokument 1987).
Durch das Studium des Weihesakraments innerhalb der sakramentalen Struktur der
Kirche wies die Kommission klar die Rolle der apostolischen Sukzession als Garant
der koinonia der ganzen Kirche und ihrer Kontinuität mit den Aposteln zu jeder Zeit
und an jedem Ort auf (Valamo-Dokument 1988). Von 1990 bis 2000 war «Uniatismus»
das Hauptthema, das die Kommission diskutierte (Balamand-Dokument 1993; Baltimore
2000), ein Thema, das wir in naher Zukunft weiter bedenken werden. Jetzt greifen wir
das Thema auf, das am Ende des Valamo-Dokuments angesprochen ist, und denken über
kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität nach.
3. Auf der Grundlage
dieser gemeinsamen Bekräftigungen unseres Glaubens müssen wir nun die ekklesiologischen
und kanonischen Konsequenzen ziehen, die sich aus der sakramentalen Natur der Kirche
ergeben. Wenn die Eucharistie im Licht des trinitarischen Geheimnisses das Kriterium
des kirchlichen Lebens insgesamt darstellt, wie geben dann institutionelle Strukturen
sichtbar das Geheimnis dieser koinonia wieder? Wenn die eine und heilige Kirche
sowohl in jeder Ortskirche verwirklicht ist, die die Eucharistie feiert, wie auch
zugleich in der koinonia aller Kirchen, wie macht dann das Leben der Kirchen diese
sakramentale Struktur deutlich?
4. Einheit und Vielheit, die Beziehung zwischen
der einen Kirche und den vielen Ortskirchen, jene für die Kirche konstitutive Beziehung,
lässt auch nach der Beziehung zwischen der jeder kirchlichen Institution innewohnenden
Autorität und der Konziliarität, die aus dem Geheimnis der Kirche als Communio herrührt,
fragen. Da die Termini Autorität und Konziliarität sehr vieles bedeuten können,
werden wir zunächst definieren, wie wir sie verstehen (1).
I. Die Grundlagen
von Konziliarität und Autorität
1. Konziliarität
5. Der Terminus Konziliarität
oder Synodalität kommt vom Wort Konzil' (synodos im Griechischen, concilium in
Latein), das in erster Linie eine Versammlung von Bischöfen bezeichnet, die eine besondere
Verantwortung ausüben. Es ist jedoch auch möglich, den Terminus in einem umfassenderen
Sinn zu nehmen und auf alle Glieder der Kirche zu beziehen (vgl. den russischen
Terminus sobornost). Dementsprechend sprechen wir zuerst von Konziliarität in
der Bedeutung, dass jedes Glied des Leibes Christi kraft der Taufe seinen Ort und
eine eigene Verantwortung in der eucharistischen koinonia (communio in Latein)
hat. Konziliarität spiegelt das Bild des trinitarischen Geheimnisses wieder und findet
darin ihre letzte Grundlage. Die drei Personen der Heiligen Trinität werden gezählt',
wie Basilius der Große sagt (Über den Heiligen Geist, 45), ohne dass die Bezeichnung
als zweiter oder dritter Person der Trinität irgendeine Verminderung oder Unterordnung
beinhaltet. Ähnlich gibt es auch eine Ordnung (taxis) unter Ortskirchen, die jedoch
keine Ungleichheit in ihrem kirchlichen Wesen nach sich zieht.
6. Die Eucharistie
macht die trinitarische koinonia deutlich, die in den Gläubigen als einer organischen
Einheit von einzelnen Gliedern aktualisiert ist, von denen jedes ein Charisma hat, einen
Dienst oder ein eigenes Amt, die in ihrer Vielfalt und Verschiedenheit für den
Aufbau aller zum einen kirchlichen Leib Christi notwendig sind (vgl. 1 Kor 12,4-30).
Alle sind gerufen, eingeladen und verantwortlich - jeder auf verschiedene, doch nicht
weniger reale Weise - für die gemeinsame Ausführung der Handlungen, die durch den
Heiligen Geist den Dienst Christi, der der Weg, die Wahrheit und das Leben' (Joh
14,6) ist, in der Kirche gegenwärtig machen. Auf diese Weise wird das Geheimnis
der heilsamen koinonia mit der Heiligen Dreifaltigkeit in der Menschheit verwirklicht.
7.
Die ganze Gemeinde und jeder Einzelne in ihr ist Träger des Gewissens der Kirche'
(ekklesiastike syneidesis, wie es die griechische Theologie nennt, des sensus fidelium
in lateinischer Terminologie). Kraft Taufe und Firmung (Salbung mit dem Chrisam) übt
jedes Glied der Kirche eine Form von Autorität im Leib Christi aus. In diesem Sinn
sind alle Gläubigen - und nicht nur die Bischöfe - für den Glauben verantwortlich,
den sie bei ihrer Taufe bekannt haben. Unsere gemeinsame Lehre ist es, dass das Volk
Gottes als Ganzes, da es die Salbung, die von dem Heiligen kommt (1 Joh 2,20 und
27), empfangen hat, in Dingen des Glaubens nicht irren kann (vgl. Joh 16,13).
8.
Im Verkündigen des Glaubens der Kirche und im Klären der Normen christlicher Lebensführung
haben die Bischöfe aufgrund göttlicher Einsetzung eine besondere Aufgabe. Als
Nachfolger der Apostel sind die Bischöfe für die Gemeinschaft (Communio) im apostolischen
Glauben und für die Treue zu den Forderungen eines Lebens nach dem Evangelium verantwortlich
(Valamo-Dokument, n. 40).
9. Konzile sind der hauptsächliche Weg, auf welchem
Communio unter Bischöfen ausgeübt wird (vgl. Valamo-Dokument nr. 52). Denn:
Die Verbindung mit der apostolischen Gemeinschaft verknüpft die Gesamtheit der
Bischöfe, welche die episkope in den Ortskirchen wahrnehmen, mit dem Kollegium
der Apostel. Auch sie bilden ein Kollegium, welches durch den Geist eingewurzelt
ist in jenes Ein-für-allemal der Apostel, welche die einzigen Zeugen des Glaubens
sind. Dies bedeutet nicht nur, dass sie untereinander durch den Glauben, die Liebe,
die Mission, die Versöhnung verbunden sein müssen, sondern auch, dass sie teilhaben
an derselben Verantwortung und an demselben Dienst für die Kirche (München-Dokument
III, 4).
10. Diese konziliare Dimension des Lebens der Kirche gehört zu ihrem
tiefsten Wesen. D.h. sie ist im Willen Christi für sein Volk begründet (vgl. Mt
18,15-20), selbst wenn ihre kanonische Verwirklichung notgedrungen auch durch Geschichte
und den sozialen, politischen und kulturellen Kontext bestimmt wird. So definiert
muss die konziliare Dimension der Kirche auf den drei Ebenen kirchlicher Communio,
der lokalen, regionalen und universalen Ebene, zu finden sein: auf der lokalen
Ebene der dem Bischof anvertrauten Diözese, auf der regionalen Ebene einer Gruppe
von Ortskirchen mit ihren Bischöfen, die erkennen, wer der erste unter ihnen ist'
(Apostolischer Canon 34), und auf der universalen Ebene, wo diejenigen, die erste
(protoi) in den verschiedenen Regionen sind, zusammen mit allen Bischöfen darin in
dem zusammenarbeiten, was das Ganze der Kirche angeht. Auch auf dieser Ebene müssen
die protoi den anerkennen, der der erste unter ihnen ist.
11. Die Kirche
existiert an vielen und verschiedenen Orten, was ihre Katholizität erweist. Sie
ist katholisch und ist ein lebendiger Organismus, der Leib Christi. Jede Ortskirche
stellt, wenn sie in Communio mit den anderen Ortskirchen steht, eine Manifestation
der einen und ungeteilten Kirche Gottes dar. Katholisch zu sein bedeutet deshalb,
in Communio mit der einen Kirche aller Zeiten und aller Orte zu sein. Deshalb bedeutet
das Zerbrechen der eucharistischen Communio, dass eines der wesentlichen Charakteristika
der Kirche, ihre Katholizität, verwundet wird.
2. Autorität
12.
Wenn wir von Autorität sprechen, beziehen wir uns auf exousia, wie sie im NT beschrieben
ist. Die Autorität der Kirche kommt von ihrem Herrn und Haupt, Jesus Christus.
Christus, der seine Autorität von Gott dem Vater erhalten hat, teilte sie nach seiner
Auferstehung durch den Heiligen Geist den Aposteln mit (vgl. Joh 20,22). Durch
die Apostel wurde sie den Bischöfen, ihren Nachfolgern, übermittelt und durch sie
der gesamten Kirche. Jesus Christus unser Herr übte diese Autorität auf verschiedene Weisen
aus, wodurch sich das Reich Gottes bis zu seiner eschatologischen Vollendung (vgl.
1 Kor 15,24-28) in der Welt kundtut: durch Lehren (vgl. Mt 5,2; Lk 5,3), durch
Wunderwirken (vgl. Mk 1,30-34; Mt 14,35-36), durch Austreiben von unreinen Geistern
(vgl. Mk 1,27; Lk 4,35-36), in der Vergebung von Sünden (vgl. Mk 2,10; Lk 5,24)
und dadurch, dass er seine Jünger auf den Wegen der Erlösung führt (vgl. Mt 16,24).
In Übereinstimmung mit dem von Christus erhaltenen Auftrag (vgl. Mt 28,18-20) schließt die
Ausübung der Autorität, die den Aposteln und später den Bischöfen eigen ist, die
Verkündigung und Lehre des Evangeliums, Heiligung durch die Sakramente, die im
Namen der Dreifaltigkeit gespendet werden, und die pastorale Leitung derjenigen,
die glauben, ein (vgl. Lk 10,16).
13. Autorität in der Kirche gehört Jesus
Christus selbst, dem einen Haupt der Kirche (Eph 1,22; 5,23). Durch seinen Heiligen Geist
hat die Kirche als sein Leib Anteil an seiner Autorität (vgl. Joh 20,22-23). Autorität
in der Kirche hat zum Ziel, die ganze Menschheit in Jesus Christus zu sammeln (vgl.
Eph 1,10; Joh 11,52). Die mit der in der Weihe empfangenen Gnade verbundenen Autorität
ist kein privater Besitz derjenigen, die sie empfangen, noch etwas von der Gemeinde
Delegiertes; vielmehr ist sie ein Geschenk des Heiligen Geistes, das zum Dienst
(diakonia) in der Gemeinde bestimmt ist und nie außerhalb von ihr ausgeübt wird. Ihre
Ausübung schließt die Teilhabe der gesamten Gemeinde ein, da der Bischof in der
Kirche und die Kirche im Bischof ist (vgl. Cyprian, Ep. 66,8).
14. Die in
der Kirche vollzogene Ausübung von Autorität im Namen Christi und in der Kraft
des Heiligen Geistes muss in all ihren Formen und auf allen Ebenen ein Dienst (diakonia)
der Liebe sein, wie es die von Christus war (vgl. Mk 10,45; Joh 13,1-16). Die Autorität,
von der wir sprechen, kann, da sie göttliche Autorität zum Ausdruck bringt, in
der Kirche nur in der Liebe zwischen dem, der sie ausübt, und denen, die ihr unterworfen
sind, existieren. Sie ist daher eine Autorität ohne zu herrschen, ohne physischen oder
moralischen Zwang. Da sie eine Teilhabe an der exousia des gekreuzigten und erhöhten
Herrn ist, dem alle Autorität im Himmel und auf der Erde gegeben ist (vgl. Mt 28,18),
kann und muss sie zum Gehorsam rufen. Gleichzeitig ist sie, wegen der Menschwerdung und
des Kreuzes, radikal verschieden von der der Führer von Nationen und der Großen
dieser Welt (vgl. Lk 22,25-27). Während diese Autorität gewiss Menschen anvertraut
ist, die aus Schwäche und Sünde oft versucht sind, sie zu missbrauchen, so bildet
doch die evangeliumsgemäße Identifizierung von Autorität und Dienst durch ihr
Wesen selbst eine fundamentale Norm für die Kirche. Für Christen heißt zu herrschen
dienen. Die Ausübung und geistliche Wirksamkeit kirchlicher Autorität sind damit
durch freie Zustimmung und freiwillige Mitwirkung gesichert. Auf einer persönlichen
Ebene übersetzt sich dies in Gehorsam gegenüber der Autorität der Kirche, um Christus
zu folgen, der liebend dem Vater gehorsam war, sogar bis zum Tod, bis zum Tod am
Kreuz (vgl. Phil 2,8).
15. Autorität in der Kirche ist gegründet auf das
Wort Gottes, das in der Gemeinschaft der Jünger gegenwärtig und lebendig ist. Die
Schrift ist das offenbarte Wort Gottes, wie die Kirche es durch den in ihr gegenwärtigen
und aktiven Heiligen Geist in der lebendigen, von den Aposteln empfangenen Tradition
erkannt hat. Im Herzen dieser Tradition ist, vielleicht besser: steht die Eucharistie
(vgl. 1 Kor 10,16-17; 11,23-26). Die Autorität der Schrift leitet sich von der
Tatsache her, dass sie Gottes Wort ist, das in der Kirche und durch die Kirche
gelesen das Evangelium des Heils übermittelt. Durch die Schrift richtet sich Christus
an die versammelte Gemeinde und an das Herz jedes Glaubenden. Die Kirche legt durch
den in ihr gegenwärtigen Heiligen Geist authentisch die Schrift aus als Antwort
auf die Nöte von Zeit und Ort. Die beständige Gewohnheit der Konzile, das Evangelium
inmitten der Versammlung zu inthronisieren, bezeugt die Gegenwart Christi in seinem
Wort, das der notwendige Bezugspunkt all ihrer Diskussionen und Entscheidungen
ist, und bekräftigt zugleich die Autorität der Kirche, dieses Wort Gottes auszulegen.
16.
In seinem göttlichen Heilsplan will Gott, dass seine Kirche eine heilsorientierte
Struktur haben soll. Zu dieser wesentlichen Struktur gehören das Bekenntnis des
Glaubens und die Feier der Sakramente in der apostolischen Sukzession. Autorität
in der kirchlichen Communio ist mit dieser wesentlichen Struktur verbunden;
ihre Ausübung wird durch die Canones und Statuten der Kirche geregelt. Einige dieser
Regelungen mögen entsprechend den Nöten der kirchlichen Communio zu verschiedenen
Zeiten und Orten verschieden angewendet werden, vorausgesetzt dass die wesentliche Struktur
der Kirche immer respektiert wird. Ebenso wie Communio in den Sakramenten die Communio
im selben Glauben voraussetzt (vgl. Bari-Dokument, 29-33), muss es daher, damit
es volle kirchliche Communio geben kann, zwischen unseren Kirchen wechselseitige
Anerkennung der kanonischen Gesetzgebungen in ihrer legitimen Verschiedenheit geben.
II.
Die dreifache Aktualisierung von Konziliarität und Autorität
17. Nachdem wir
die Grundlage von Konziliarität und Autorität in der Kirche aufgezeigt und die
Komplexität des Inhalts dieser Begriffe vermerkt haben, müssen wir nun die folgenden
Fragen beantworten: Wie bringen institutionelle Elemente der Kirche das Geheimnis
der koinonia sichtbar zum Ausdruck und dienen ihm? Wie drücken die kanonischen
Strukturen der Kirchen ihr sakramentales Leben aus? Dazu haben wir zwischen drei
Ebenen kirchlicher Institutionen unterschieden: derjenigen der Ortskirche um ihren Bischof,
derjenigen einer Region, die mehrere benachbarte Ortskirchen einschließt, und derjenigen
der gesamten bewohnten Erde (oikoumene), die alle Ortskirchen umfasst.
1.
Die lokale Ebene
18. Die Kirche Gottes existiert dort, wo es eine Gemeinde
gibt, die in der Eucharistie versammelt wird unter dem Vorsitz - direkt oder
durch seine Priester - eines legitim in die apostolische Sukzession geweihten Bischofs,
der den von den Aposteln empfangenen Glauben in Communio mit den anderen Bischöfen
und ihren Kirchen lehrt. Die Frucht dieser Eucharistie und dieses Dienstes ist
es, alle, die den Geist Christi in der Taufe empfangen haben, in einer authentischen
Gemeinschaft (Communio) des Glaubens, des Gebets, der Sendung, der brüderlichen
Liebe und der gegenseitigen Hilfe zu versammeln. Diese Gemeinschaft (Communio)
ist der Rahmen, in dem jede kirchliche Autorität ausgeübt wird. Communio ist das
Kriterium für ihre Ausübung.
19. Jede Ortskirche hat die Sendung, durch die
Gnade Gottes ein Ort zu sein, wo Gott gedient und Gott geehrt wird, wo das Evangelium
verkündet wird, wo die Sakramente gefeiert werden, wo die Gläubigen sich mühen,
die Not der Welt zu lindern, und wo jeder Gläubige das Heil finden kann. Sie ist
das Licht der Welt (vgl. Mt 5,14-16), der Sauerteig (vgl. Mt 13,33), die priesterliche
Gemeinde Gottes (vgl. 1 Petr 2,5 und 9). Die kanonischen Normen, die sie leiten,
zielen darauf ab, diese Sendung sicherzustellen.
20. Kraft genau dieser
Taufe, die sie oder ihn zu einem Glied Christi macht, ist jede(r) Getaufte gerufen
entsprechend den Gaben des einen Heiligen Geistes in der Gemeinde zu dienen (vgl. 1
Kor 12,4-27). So erweist sich die Ortskirche durch Communio, wodurch alle Glieder
einander zu Diensten sind, bereits in ihrer Struktur als synodal (konziliar). Diese
Synodalität zeigt sich nicht nur in den Beziehungen der Solidarität, des gegenseitigen
Beistands und der Komplementarität, die die verschiedenen ordinierten Ämter untereinander
haben. Gewiss ist das Presbyterium der Rat des Bischofs (vgl. Ignatius von Antiochien,
An die Trallier 3) und der Diakon ist seine rechte Hand (Didascalia Apostolorum
2, 28, 6), so dass nach der Empfehlung des hl. Ignatius von Antiochien alles in Übereinstimmung
getan werde (vgl. An die Epheser 6). Synodalität bezieht jedoch auch alle Glieder
der Gemeinde im Gehorsam gegenüber dem Bischof ein, der der protos und das Haupt
(kephale) der Ortskirche ist, wie es die kirchliche Communio erfordert. Entsprechend
der östlichen und westlichen Tradition erfolgt die aktive Teilnahme der Laien,
von Männer und Frauen, Personen des Mönchtums und des geweihten Lebens, in der
Diözese und in der Pfarrei durch viele Formen des Dienstes und der Sendung.
21.
Die Charismen der Glieder der Gemeinde haben ihren Ursprung im einen Heiligen Geist
und sind auf das Wohl aller gerichtet. Diese Tatsache wirft ein Licht auf die Anforderungen
und die Grenzen der Autorität jedes einzelnen in der Kirche. Es sollte weder
Passivität noch Ersetzung von Funktionen geben, weder Vernachlässigung noch Beherrschung
irgend eines durch irgend einen anderen. Alle Charismen und Dienste in der Kirche konvergieren
in Einheit unter dem Amt des Bischofs, der der Communio der Ortskirche dient. Alle
sind dazu gerufen, vom Heiligen Geist in den Sakramenten erneuert zu werden und
darauf in beständiger Umkehr (metanoia) zu antworten, so dass ihre Communio
in Wahrheit und Liebe gesichert ist.
2. Die regionale Ebene
22. Da die
Kirche sich selbst als katholisch in der synaxis der Ortskirche offenbart, muss
sich diese Katholizität wahrhaft in der Communio mit den anderen Kirchen kundtun,
die denselben apostolischen Glauben bekennen und dieselbe grundlegende kirchliche
Struktur teilen, angefangen bei denen, die einander nahe sind vermöge ihrer gemeinsamen
Verantwortung für die Sendung in jener Region, die die ihrige ist (vgl. München-Dokument
III, 3, und Valamo-Dokument, nr. 52 und 53). Communio unter Kirchen findet ihren
Ausdruck in der Weihe von Bischöfen. Diese Weihe wird gemäß kanonischer Ordnung
durch drei oder mehr Bischöfe gespendet, oder wenigstens zwei (vgl. Nicaea I, can.
4), die im Namen des Bischofskollegiums und des Volkes Gottes handeln, nachdem
sie selbst ihr Amt vom Heiligen Geist durch Handauflegung in der apostolischen
Sukzession empfangen haben. Wenn dies in Übereinstimmung mit den Canones vollzogen
wird, ist sowohl die Communio unter Kirchen im wahren Glauben, in den Sakramenten
und im kirchlichen Leben gesichert als auch lebendige Communio mit den vorangegangenen
Generationen.
23. Solche wirksame Communio unter mehreren Ortskirchen, von denen
jede die katholische Kirche an einem bestimmten Ort ist, hat ihren Ausdruck durch
gewisse Praktiken gefunden: die Teilnahme der Bischöfe benachbarter Sitze an der
Weihe des Bischofs für eine Ortskirche, die Einladung an einen Bischof einer
anderen Kirche, bei der synaxis der Ortskirche zu konzelebrieren, die Einladung
von Gläubigen aus diesen anderen Kirchen, am eucharistischen Tisch teilzuhaben,
der Austausch von Briefen anlässlich einer Weihe und die Bereitstellung materieller Unterstützung.
24.
Ein in Ost und West akzeptierter Canon drückt die Beziehung zwischen den Ortskirchen
einer Region aus: Die Bischöfe jeder Provinz (ethnos) müssen den anerkennen, der
unter ihnen der erste (protos) ist, und ihn als ihr Haupt (kephale) betrachten
und nichts Wichtiges ohne seine Zustimmung (gnome) tun; jeder Bischof soll nur
das tun, was seine eigene Diözese (paroikia) und die von ihr abhängigen Gebiete
betrifft. Aber der erste (protos) kann nichts tun ohne die Zustimmung aller. Denn
auf diese Weise wird Eintracht (homonoia) herrschen und Gott wird gepriesen werden durch
den Herrn im Heiligen Geist (Apostolischer Canon 34). 25. Diese Norm, die in verschiedenen
Formen in der kanonischen Tradition wieder auftaucht, lässt sich auf alle Beziehungen zwischen
den Bischöfen einer Region anwenden, sei es einer Provinz, einer Kirchenprovinz
oder eines Patriarchats. Ihre praktische Anwendung kann man in den Synoden oder
Konzilen einer Provinz, Region oder eines Patriarchats finden. Die Tatsache, dass
die Zusammensetzung einer Regionalsynode immer wesentlich bischöflich/episkopal
ist, selbst wenn sie andere Glieder der Kirche einschließt, offenbart das Wesen
der synodalen Autorität. Nur Bischöfe haben eine beratende Stimme. Die Autorität
einer Synode stützt sich auf das Wesen des Bischofsamtes selbst und macht die
kollegiale Natur des Bischofsamtes zum Dienst an der Communio der Kirchen offenbar.
26.
Eine Synode (oder ein Konzil) als solche(s) beinhaltet die Teilnahme aller Bischöfe
einer Region. Sie wird geleitet vom Prinzip des Konsenses und der Eintracht (homonoia),
was durch die eucharistische Konzelebration angedeutet wird, wie in der Schlussdoxologie
des oben erwähnten Apostolischen Canon 34 mit einbegriffen ist. Es bleibt jedoch
die Tatsache, dass jeder Bischof in seiner pastoralen Sorge Richter ist und vor
Gott für die Angelegenheiten seiner eigenen Diözese verantwortlich ist (vgl.
Cyprian, Ep. 55, 21); so ist er Hüter der Katholizität seiner Ortskirche und muss
immer besorgt sein, die katholische Communio mit anderen Kirchen zu fördern.
27.
Daraus folgt, dass eine Regionalsynode oder ein Konzil keine Autorität über andere
kirchliche Regionen hat. Nichtsdestoweniger sind der Informationsaustausch und
Beratungen zwischen den Vertretern mehrerer Synoden eine Manifestation sowohl der Katholizität
wie auch jenes gegenseitigen brüderlichen Beistands und jener Liebe, die die Regel
zwischen allen Ortskirchen zum größeren gemeinsamen Nutzen sein sollte. Jeder Bischof
ist verantwortlich für die ganze Kirche zusammen mit all seinen Kollegen in
ein und derselben apostolischen Sendung.
28. Auf diese Weise kamen einige Kirchenprovinzen
dazu, ihre Bande gemeinsamer Verantwortlichkeit zu stärken. Das war einer der
Faktoren, die in der Geschichte unserer Kirchen zu Patriarchaten führte. Patriarchalsynoden
werden durch dieselben ekklesiologischen Prinzipien und dieselben kanonischen Normen
wie Provinzialsynoden geleitet.
29. In späteren Jahrhunderten haben sich
sowohl im Osten wie im Westen gewisse neue Ausformungen von Communio zwischen Ortskirchen
entwickelt. Neue Patriarchate und autokephale Kirchen sind im christlichen Osten
gegründet worden und in der Lateinischen Kirche hat sich unlängst eine besondere
Gestalt einer Bischofsversammlung herausgebildet, die Bischofskonferenzen. Diese
sind von einem ekklesiologischen Standpunkt aus betrachtet nicht bloße administrative Unterteilungen:
sie bringen den Geist der Communio in der Kirche zum Ausdruck und respektieren
gleichzeitig die Verschiedenheit menschlicher Kulturen.
30. Was immer ihre
Konturen und kanonische Regulierung sein mag, regionale Synodalität zeigt tatsächlich,
dass die Kirche Gottes nicht eine Communio von Personen oder Ortskirchen abgetrennt
von ihren menschlichen Wurzeln darstellt. Weil sie die Gemeinschaft des Heils
ist und weil dieses Heil die «Wiederherstellung der Schöpfung» (vgl. Irenaeus von
Lyon, Gegen die Häresien 1, 36, 1) ist, umfasst sie die menschliche Person mit
allem, was sie mit der menschlichen Wirklichkeit als von Gott geschaffen verbindet. Die
Kirche ist nicht bloß eine Ansammlung von Individuen; sie besteht aus Gemeinschaften
mit verschiedener Kultur, Geschichte und Sozialstruktur.
31. In der Gruppierung
von Ortskirchen auf der regionalen Ebene erscheint Katholizität in ihrem wahren
Licht. Sie ist der Ausdruck der Heilsgegenwart nicht in einem undifferenzierten Universum,
sondern in der Menschheit, wie Gott sie schuf, und kommt, um sie zu retten. Im
Geheimnis der Erlösung wird die menschliche Natur gleichzeitig sowohl in ihrer
Fülle angenommen als auch geheilt von dem, was Sünde ihr durch Selbstgenügsamkeit, Stolz,
Misstrauen gegen andere, Aggressivität, Eifersucht, Neid, Falschheit und Hass eingeflößt
hat. Kirchliche koinonia ist das Geschenk, durch das die ganze Menschheit im Geist
des auferstandenen Herrn miteinander verbunden wird. Diese vom Geist geschaffene
Einheit ist weit davon entfernt, in Uniformität zu verfallen, sondern ruft nach
Verschiedenheit und Besonderheit und bewahrt, ja begünstigt sie sogar in gewisser
Weise.
3. Die universale Ebene
32. Jede Ortskirche ist in Communio nicht
nur mit benachbarten Kirchen, sondern mit der Gesamtheit der Ortskirchen, mit den jetzt
in der Welt vorhandenen, denen, die es von Anfang an gab, und denen, die es in
Zukunft geben wird, und mit der Kirche, die schon in der Glorie ist. Gemäß dem
Willen Christi ist die Kirche eine und unteilbar, immer und überall dieselbe. Beide
Seiten bekennen im Nicaeno-Constantinopolitanischen Glaubensbekenntnis, dass
die Kirche eine ist und katholisch. Ihre Katholizität umfasst nicht nur die Verschiedenheit
der menschlichen Gemeinschaften, sondern auch ihre fundamentale Einheit.
33.
Es ist deshalb klar, dass ein und derselbe Glaube in all den Ortskirchen geglaubt
und gelebt werden, dieselbe eine Eucharistie überall gefeiert werden, und ein und
dasselbe apostolische Amt in all den Gemeinden tätig sein muss. Eine Ortskirche
kann nicht das Glaubensbekenntnis verändern, das von Ökumenischen Konzilen formuliert
wurde, obgleich die Kirche immer «auf neue Probleme angemessene Antworten geben»
muss, «die sich auf die Schrift gründen und in Übereinstimmung und in Zusammenhang
stehen mit den früheren dogmatischen Aussagen» (Bari-Dokument, Nr. 29). Gleicherweise
kann eine Ortskirche nicht einen grundlegenden Punkt bzgl. der Form des Amtes durch
eine einseitige Entscheidung ändern und keine Ortskirche kann die Eucharistie in
absichtlicher Trennung von anderen Ortskirchen feiern, ohne ernsthaft die kirchliche
Communio zu beeinträchtigen. In all diesen Dingen beeinträchtigt man das Band der
Communio selbst, also das Sein der Kirche selbst.
34. Wegen dieser Communio
regeln alle Kirchen durch Canones die Einzelheiten bzgl. der Eucharistie und der
Sakramente, des Amtes und der Weihe und der Übergabe (paradosis) und Lehre (didaskalia) des
Glaubens. Es ist klar, warum in diesem Bereich kanonische Regeln und disziplinäre
Normen benötigt werden.
35. Wenn im Verlauf der Geschichte ernste Probleme
entstanden, die die universale Communio und Übereinstimmung zwischen Kirchen betrafen
- entweder in Bezug auf die authentische Auslegung des Glaubens oder auf Ämter
und ihre Beziehung zur ganzen Kirche, oder auf die gemeinsame Disziplin, die die
Treue zum Evangelium erfordert - nahm man zu Ökumenischen Konzilen Zuflucht. Diese Konzile
waren ökumenisch, nicht bloß weil sie Bischöfe von allen Regionen und insbesondere
die der fünf größeren Sitze Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochien und Jerusalem
entsprechend der alten Ordnung (taxis) versammelten. Sie waren es auch, weil ihre
feierlichen dogmatischen Entscheidungen und ihre gemeinsamen Formulierungen des
Glaubens, besonders in kritischen Punkten, für alle Kirchen und alle Gläubigen
zu allen Zeiten und an allen Orten gelten. Deswegen bleiben die Entscheidungen
der Ökumenischen Konzile normativ.
36. Die Geschichte der Ökumenischen Konzile
zeigt, was man als ihre besonderen Charakteristika ansehen kann. Dieses Thema muss in
unserem künftigen Dialog weiter studiert werden, wobei die Entwicklung kirchlicher
Strukturen in den letzten Jahrhunderten in Ost und West in Betracht zu ziehen ist.
37.
Die Ökumenizität der Entscheidungen eines Konzils wird durch einen Rezeptionsprozess
von langer oder kurzer Dauer anerkannt, gemäß dem das Volk Gottes als ganzes -
durch Überlegung, Unterscheidung, Diskussion und Gebet - in diesen Entscheidungen den
einen apostolischen Glauben der Ortskirchen erkennt, der immer derselbe gewesen
ist und dessen Lehrer (didaskaloi) und Hüter die Bischöfe sind. Dieser Rezeptionsprozess
wird in Ost und West entsprechend ihrer kanonischen Tradition verschieden ausgelegt.
38.
Konziliarität oder Synodalität schließt daher viel mehr ein als die versammelten
Bischöfe. Sie schließt auch ihre Kirchen ein. Die ersteren sind Träger des Glaubens
und bringen den Glauben der letzteren zum Ausdruck. Die Entscheidungen der Bischöfe
müssen im Leben der Kirchen angenommen werden, besonders in ihrem liturgischen
Leben. Jedes so angenommene Ökumenische Konzil ist folglich im vollen und eigentlichen
Sinn eine Manifestation der Communio der ganzen Kirche und ein Dienst an ihr.
39.
Anders als diözesane und regionale Synoden ist ein Ökumenisches Konzil keine «Institution»,
deren Häufigkeit durch Canones geregelt werden kann; vielmehr ist es ein «Ereignis»,
ein kairos, inspiriert vom Heiligen Geist, der die Kirche leitet, um in ihr
die Institutionen hervorzubringen, die sie benötigt und die ihrem Wesen entsprechen.
Diese Harmonie zwischen der Kirche und den Konzilen ist so tief, dass selbst nach
dem Bruch zwischen Ost und West, der das Abhalten von Ökumenischen Konzilen im strengen
Sinn des Wortes unmöglich machte, beide Kirchen weiter Konzile abhielten, wann
immer ernste Krisen auftraten. Diese Konzile versammelten die Bischöfe von Ortskirchen
in Communio mit dem Sitz von Rom oder, wenn auch in anderer Weise verstanden, mit dem
Sitz von Konstantinopel. Diese Situation, die beide Seiten der Christenheit gezwungen
hat, eigene Konzile je für sich einzuberufen, hat Uneinigkeiten begünstigt, die
zur gegenseitigen Entfremdung beitrugen. Die Mittel, die die Wiederherstellung
des ökumenischen Konsensus erlauben, müssen ausfindig gemacht werden.
40.
Während des ersten Jahrtausends wurde die universelle Communio der Kirchen im Normalfall
durch brüderliche Beziehungen unter den Bischöfen aufrechterhalten. Diese Beziehungen
unter den Bischöfen selbst, zwischen den Bischöfen und ihren entsprechenden protoi
und auch unter den protoi selbst in der kanonischen Ordnung (taxis), bezeugt von
der alten Kirche, nährten und festigten die kirchliche Communio. Die Geschichte
verzeichnet die Konsultationen, Briefe und Appellationen an die Hauptsitze, besonders
an den von Rom, die auf lebendige Weise die Solidarität ausdrücken, welche koinonia
schafft. Kanonische Maßnahmen wie das Einschreiben der Namen der Bischöfe der Hauptsitze
in die Diptychen und die Übermittlung des Glaubensbekenntnisses an die anderen
Patriarchen anlässlich von Wahlen sind konkreter Ausdruck von koinonia.
41.
Beide Seiten stimmen überein, dass diese kanonische taxis von allen in der Zeit
der ungeteilten Kirche anerkannt wurde. Ferner stimmen sie überein, dass Rom als
die Kirche, die nach dem Satz des hl. Ignatius von Antiochien (An die Römer, Prolog)
in Liebe vorsteht', die erste Stelle in der taxis einnahm und dass der Bischof
von Rom deshalb der protos unter den Patriarchen war. Sie sind jedoch uneinig in
der Interpretation der historischen Belege aus dieser Zeit über die Vorrechte des
Bischofs von Rom als protos, worüber es bereits im ersten Jahrtausend unterschiedliche Interpretationen
gab.
42. Konziliarität auf der universalen Ebene, die in Ökumenischen Konzilen
ausgeübt wird, bringt eine aktive Rolle des Bischofs von Rom als protos der Bischöfe
der Hauptsitze, im Konsens der versammelten Bischöfe, mit sich. Obgleich der Bischof
von Rom die Ökumenischen Konzile der frühen Jahrhunderte nicht einberief und ihnen
nie persönlich vorstand, war er nichtsdestoweniger eng in den Prozess der Entscheidungsfindung
durch das Konzil einbezogen.
43. Primat und Konziliarität sind wechselseitig
voneinander abhängig. Deshalb muss der Primat auf den verschiedenen Ebenen des
Lebens der Kirche, lokal, regional und universal, immer im Kontext der Konziliarität
betrachtet werden und dementsprechend die Konziliarität im Kontext des Primats.
Hinsichtlich
des Primats auf den verschiedenen Ebenen möchten wir die folgenden Punkte bestätigen:
1.
Primat auf allen Ebenen ist eine Praxis, die fest in der kanonischen Tradition
der Kirche gründet.
2. Während die Tatsache des Primats auf der universalen
Ebene von beiden, Ost und West, akzeptiert wird, gibt es Unterschiede des Verständnisses
in Bezug auf die Weise, in der er ausgeübt werden soll und auch in Bezug auf seine
biblische und theologische Begründung.
44. In der Geschichte des Ostens
wie des Westens hat man, wenigstens bis zum 9. Jh., immer im Kontext der Konziliarität, entsprechend
den Bedingungen der Zeit, für den protos oder kephale auf jeder der festgesetzten
kirchlichen Ebenen eine Reihe von Vorrechten anerkannt: lokal für den Bischof als
protos seiner Diözese in Bezug auf seine Presbyter und sein Volk; regional für den
protos jeder Metropolie in Bezug auf die Bischöfe seiner Provinz, und für den protos
jeder der fünf Patriarchate in Bezug auf die Metropoliten jedes Bereichs; und universal
für den Bischof von Rom als protos unter den Patriarchen. Diese Unterscheidung
der Ebenen mindert nicht die sakramentale Gleichheit jedes Bischofs oder die Katholizität
jeder Ortskirche.
45. Es wird noch erforderlich sein, die Frage nach der Rolle
des Bischofs von Rom in der Communio aller Kirchen in größerer Tiefe zu studieren.
Was ist die besondere Funktion des Bischofs des «ersten Sitzes» in einer Ekklesiologie
der koinonia und im Hinblick darauf, was wir über Konziliarität und Autorität in diesem
Text gesagt haben? Wie sollte die Lehre des ersten und des zweiten Vatikanischen
Konzils über den universalen Primat verstanden und gelebt werden angesichts der
kirchlichen Praxis des ersten Jahrtausends? Das sind entscheidende Fragen für unseren
Dialog und für unsere Hoffnung, die volle Communio zwischen uns wiederherzustellen.
46.
Wir, die Mitglieder der Gemeinsamen Internationalen Kommission für den Theologischen
Dialog zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche, sind überzeugt,
dass die obige Darlegung über kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität
einen positiven und bedeutsamen Fortschritt in unserem Dialog darstellt und eine
feste Basis für künftige Diskussion über die Frage des Primats auf der universalen
Ebene der Kirche liefert. Wir sind uns bewusst, dass noch viele schwierige Fragen
zu klären sind, wir hoffen aber, dass wir gestützt durch das Gebet Jesu: Dass alle
eins seien ... damit die Welt glaube (Joh 17,21) und im Gehorsam gegenüber dem Heiligen
Geist auf der schon erreichten Übereinstimmung aufbauen können. Nochmals bekräftigen
und bekennen wir einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe' (Eph 4,5) und wir ehren
den, der uns zusammen versammelt hat, Gott, die Heilige Trinität, den Vater, Sohn
und Heiligen Geist.
Anmerkung:
1) Orthodoxe Teilnehmer hielten es für
wichtig zu betonen, dass der Gebrauch von Worten wie die Kirche', die Universalkirche', die
ungeteilte Kirche' und der Leib Christi' in diesem Dokument und in ähnlichen Dokumenten,
die die Gemeinsame Kommission erstellte, in keiner Weise das Selbstverständnis
der Orthodoxen Kirche als der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche,
von der das nizänische Credo spricht, untergräbt. In katholischer Sicht gilt das
gleiche Selbstverständnis: die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche
subsistiert in der katholischen Kirche' (Lumen gentium 8); das schließt nicht die Anerkennung
aus, dass Elemente der wahren Kirche außerhalb der katholischen Communio präsent
sind.