"Stoppt das Sterben an den Grenzen!" Das ist das Motto einer Konferenz zum Thema Asyl,
die an diesem Donnerstag in Berlin startet. Veranstalter sind kirchliche und humanitäre
Gruppen, darunter die ökumenische Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche". In einer
Erklärung fordern die Verbände, das Leben von Bootsflüchtlingen zu retten. Angesichts
der humanitären Katastrophe in vielen Krisenregionen und an Europas Außengrenzen
seien die Staaten der EU "verpflichtet, eine großzügige Aufnahme von Menschen in Not
zu gewährleisten und Schutzsuchenden legale Einreisemöglichkeiten zu verschaffen".
Die Erklärung erinnert daran, "dass die Sicherung unseres Lebensstils und unseres
Wohlstands, wie wir sie derzeit betreiben, eine wichtige Ursache für die weltweiten
Fluchtbewegungen ist. Wir profitieren von ungerechten Welthandelsbedingungen,
die weltweit Menschen die Lebensgrundlage in ihren Herkunftsländern entziehen."
Wir
dokumentieren hier in voller Länge die Erklärung der Veranstalter der Konferenz "SOS
-- Flüchtlinge in Not. Das Sterben an den Grenzen stoppen!" in Berlin.
"Wie
ist die Situation?
Viele Menschen versuchen jährlich Europa zu erreichen, allein
über das Mittelmeer sind es 100.000 bis 120.000 Personen pro Jahr laut Schätzungen
des International Center on Migration Policy Development. Bei diesen Versuchen
kamen in den letzten 10 Jahren geschätzt 10.000 Menschen im Mittelmeer ums Leben.
Aber auch vor den Kanarischen Inseln und an den Landgrenzen der EU finden viele
Menschen den Tod.
Der Großteil dieser Menschen flieht vor Armut, Krankheit,
Verfolgung, Not und Perspektivlosigkeit. Sie sind auf der Suche nach einem menschenwürdigen
Leben und sehnen sich nach Sicherheit, demokratischen Verhältnissen, nach Bildung,
Arbeit und Unterstützung einer Zukunft ihrer Familien. Die Politik der reichen
Länder ist mit verantwortlich dafür, dass all dies in den Herkunftsländern nicht
gewährleistet ist. Wirtschaftliche Missverhältnisse, von denen die Industrieländer
profitieren, politischer Machtmissbrauch, den die Regierungen der reichen
Länder unterstützen, und die Folgen des von den Industrieländern verursachten
Klimawandels treiben Tausende von Menschen in die Flucht.
Die Europäische Union
reagiert auf die Flüchtlinge und MigrantInnen, die Europa zu erreichen versuchen,
in erster Linie mit Abschottung, Visarestriktionen und einer Einschränkung des
Flüchtlingsschutzes. Der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten liegt nach eigenen Aussagen
bei der Bekämpfung der sog. "illegalen Migration", dem Abschluss von Rückübernahmeabkommen
mit den Herkunfts- und Transitländern und in koordinierten Rückführungsmaßnahmen.
Auf den Meeren sorgt die Grenzschutzagentur FRONTEX dafür, dass möglichst wenige
Menschen die 12-Meilen-Zone im Umkreis des europäischen Territoriums erreichen.
Die Kontroll- und Abwehrmaßnahmen drängen die Flüchtlinge und MigrantInnen in
immer kleinere Boote und auf gefährlichere Wege. In der Folge dieser Politik sind
die Antragszahlen der Schutzsuchenden in Europa in den letzten Jahren dramatisch
gesunken. Und das trotz unverändert hoher Flüchtlingszahlen weltweit, die im Jahr
2006 erstmals sogar wieder gestiegen sind.
Was ist zu tun?
1.
Das Gebot der Stunde ist, Menschenleben zu retten und Flüchtlinge zu schützen.
Die Rettung Schiffbrüchiger entsprechend den Vorschriften des humanitären Seerechts
hat dabei Vorrang. Deshalb müssen alle Verantwortlichen, insbesondere die Regierungen
der betroffenen Anrainerstaaten, internationale Organisationen und Reedereien
das ihnen Mögliche tun, um Menschenleben vor dem Tod auf dem Meer zu bewahren.
Dazu
gehört, - dass die Reedereien ihre Schiffsbesatzungen anweisen, Schiffbrüchige
aufzunehmen, - dass humanitäre Hilfe dieser Art von den Regierungen der EU
nicht kriminalisiert wird, - dass gerettete Bootsflüchtlinge ohne Behinderung
in Europa an Land gebracht werden können, - dass Schutzsuchende über ihre Rechte
als Flüchtlinge informiert werden und ihre Asylgesuche nach den Regeln der Genfer
Flüchtlingskonvention fair geprüft werden, denn die völkerrechtlichen Vorgaben
des Flüchtlingsschutzes gelten auch auf Hoher See. Während der Dauer der Prüfung
muss der Aufenthalt gestattet werden.
2. Angesichts der humanitären Katastrophe
in vielen Krisenregionen und an Europas Außengrenzen sind die Staaten der EU verpflichtet,
eine großzügige Aufnahme von Menschen in Not zu gewähr-leisten und Schutzsuchenden
legale Einreisemöglichkeiten zu verschaffen.
Dazu gehört, - dass die EU
die Genfer Flüchtlingskonvention in vollem Umfang in die Praxis umsetzt, -
dass das Recht auf Ehe und Familie bei der Aufnahme von Schutzsuchenden gewahrt
bleibt und dass Familienzusammenführung großzügig gestattet wird, - dass die
Rechte von Kindern im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention uneingeschränkt beachtet
werden, - dass die EU die Staaten an den Außengrenzen bei der Flüchtlingsaufnahme
entlastet, - dass die EU ein EU-Resettlement-Programm auflegt und ihre Mitgliedsstaaten
dazu anhält, auf nationaler Ebene von dieser Möglichkeit der Flüchtlingsaufnahme
verstärkt Gebrauch zu machen, - dass die EU die Kooperation mit Nachbarstaaten,
die die Menschenrechte gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen nicht einhalten,
einstellt.
3. Die EU muss ihre Anstrengungen zur Bekämpfung von Fluchtursachen
verstärken.
Dazu gehört, - dass die Entwicklungspolitik der EU faire,
ökologische und sozial gerechte Standards fördert und sich damit stärker als bisher
an den Grundbedürfnissen der Menschen in den Fluchtländern orientiert, - dass
die EU die Handelshemmnisse der Entwicklungsländer aufhebt und faire Preise für
die Importprodukte nach Europa bezahlt, - dass die EU aufhört, ihre subventionierten
Produkte zu Dumping-Preisen auf die afrikanischen Märkte zu bringen und damit
die einheimische Produktion zu schwächen, - dass die EU für Demokratie und
Menschenrechte in den Herkunftsländern der Flüchtlinge eintritt und ihre Außenpolitik
danach ausrichtet.
Was haben wir selber damit zu tun?
Wir müssen
eingestehen, dass die Sicherung unseres Lebensstils und unseres Wohlstands, wie
wir sie derzeit betreiben, eine wichtige Ursache für die weltweiten Fluchtbewegungen
ist. Wir profitieren von ungerechten Welthandelsbedingungen, die weltweit Menschen
die Lebensgrundlage in ihren Herkunftsländern entziehen. Wir sind hauptverantwortlich
für die Plünderung der natürlichen Ressourcen der Erde und die damit einhergehende
Zerstörung der Umwelt, insbesondere des Klimas.
Wir fordern von den politisch
Verantwortlichen und den Regierenden unserer Länder einen Politik-wechsel, der
den veränderten Anforderungen in der globalisierten Welt Rechnung trägt und mit
der Bevorzugung Weniger zulasten Vieler und nachkommender Generationen Schluss
macht. Regierungen sollten humanitäre Soforthilfe leisten und nachhaltige Hilfsprogramme
in den Herkunfts-ländern der Flüchtlinge starten.
Als Nichtregierungsorganisationen
sowie Vertreter und Vertreterinnen von Kirchen sind wir bereit, das uns Mögliche
zur Aufklärung und Verbesserung der Situation beizutragen. Wir werden zum Sterben
an den Grenzen der EU nicht länger schweigen, sondern alle unsere Kräfte darauf
richten, dass die Öffentlichkeit in unseren Ländern diese menschliche Katastrophe
bewusst wahr- und nicht länger hinnimmt.
Berlin, den 08.11.2007
Die
Konferenzveranstalter: Ökumenische BAG Asyl in der Kirche PRO ASYL borderline-europe
-- Menschenrechte ohne Grenzen Beauftragter für Migration und Integration der EKBO in
Verbindung mit dem Kirchenamt der EKD"