2007-11-08 10:27:45

D: "Das Sterben an den Grenzen stoppen"


"Stoppt das Sterben an den Grenzen!" Das ist das Motto einer Konferenz zum Thema Asyl, die an diesem Donnerstag in Berlin startet. Veranstalter sind kirchliche und humanitäre Gruppen, darunter die ökumenische Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche". In einer Erklärung fordern die Verbände, das Leben von Bootsflüchtlingen zu retten. Angesichts der humanitären Katastrophe in vielen Krisenregionen und
an Europas Außengrenzen seien die Staaten der EU "verpflichtet, eine großzügige Aufnahme von Menschen in Not zu gewährleisten und Schutzsuchenden legale Einreisemöglichkeiten zu verschaffen". Die Erklärung erinnert daran, "dass die Sicherung unseres Lebensstils und unseres Wohlstands, wie wir sie derzeit betreiben, eine wichtige Ursache für die weltweiten Fluchtbewegungen ist. Wir profitieren von ungerechten
Welthandelsbedingungen, die weltweit Menschen die Lebensgrundlage in ihren Herkunftsländern entziehen."


Wir dokumentieren hier in voller Länge die Erklärung der Veranstalter der Konferenz "SOS -- Flüchtlinge in Not. Das Sterben an den Grenzen stoppen!" in Berlin.

"Wie ist die Situation?

Viele Menschen versuchen jährlich Europa zu erreichen, allein über das
Mittelmeer sind es 100.000 bis 120.000 Personen pro Jahr laut
Schätzungen des International Center on Migration Policy Development.
Bei diesen Versuchen kamen in den letzten 10 Jahren geschätzt 10.000
Menschen im Mittelmeer ums Leben. Aber auch vor den Kanarischen Inseln
und an den Landgrenzen der EU finden viele Menschen den Tod.

Der Großteil dieser Menschen flieht vor Armut, Krankheit, Verfolgung,
Not und Perspektivlosigkeit. Sie sind auf der Suche nach einem
menschenwürdigen Leben und sehnen sich nach Sicherheit, demokratischen
Verhältnissen, nach Bildung, Arbeit und Unterstützung einer Zukunft
ihrer Familien. Die Politik der reichen Länder ist mit verantwortlich
dafür, dass all dies in den Herkunftsländern nicht gewährleistet ist.
Wirtschaftliche Missverhältnisse, von denen die Industrieländer
profitieren, politischer Machtmissbrauch, den die Regierungen der
reichen Länder unterstützen, und die Folgen des von den Industrieländern
verursachten Klimawandels treiben Tausende von Menschen in die Flucht.

Die Europäische Union reagiert auf die Flüchtlinge und MigrantInnen, die
Europa zu erreichen versuchen, in erster Linie mit Abschottung,
Visarestriktionen und einer Einschränkung des Flüchtlingsschutzes. Der
Schwerpunkt ihrer Aktivitäten liegt nach eigenen Aussagen bei der
Bekämpfung der sog. "illegalen Migration", dem Abschluss von
Rückübernahmeabkommen mit den Herkunfts- und Transitländern und in
koordinierten Rückführungsmaßnahmen. Auf den Meeren sorgt die
Grenzschutzagentur FRONTEX dafür, dass möglichst wenige Menschen die
12-Meilen-Zone im Umkreis des europäischen Territoriums erreichen. Die
Kontroll- und Abwehrmaßnahmen drängen die Flüchtlinge und MigrantInnen
in immer kleinere Boote und auf gefährlichere Wege. In der Folge dieser
Politik sind die Antragszahlen der Schutzsuchenden in Europa in den
letzten Jahren dramatisch gesunken. Und das trotz unverändert hoher
Flüchtlingszahlen weltweit, die im Jahr 2006 erstmals sogar wieder
gestiegen sind.


Was ist zu tun?

1. Das Gebot der Stunde ist, Menschenleben zu retten und Flüchtlinge zu
schützen. Die Rettung Schiffbrüchiger entsprechend den Vorschriften des
humanitären Seerechts hat dabei Vorrang. Deshalb müssen alle
Verantwortlichen, insbesondere die Regierungen der betroffenen
Anrainerstaaten, internationale Organisationen und Reedereien das ihnen
Mögliche tun, um Menschenleben vor dem Tod auf dem Meer zu bewahren.

Dazu gehört,
- dass die Reedereien ihre Schiffsbesatzungen anweisen, Schiffbrüchige
aufzunehmen,
- dass humanitäre Hilfe dieser Art von den Regierungen der EU nicht
kriminalisiert wird,
- dass gerettete Bootsflüchtlinge ohne Behinderung in Europa an Land
gebracht werden können,
- dass Schutzsuchende über ihre Rechte als Flüchtlinge informiert werden
und ihre Asylgesuche nach den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention
fair geprüft werden, denn die völkerrechtlichen Vorgaben des
Flüchtlingsschutzes gelten auch auf Hoher See. Während der Dauer der
Prüfung muss der Aufenthalt gestattet werden.

2. Angesichts der humanitären Katastrophe in vielen Krisenregionen und
an Europas Außengrenzen sind die Staaten der EU verpflichtet, eine
großzügige Aufnahme von Menschen in Not zu gewähr-leisten und
Schutzsuchenden legale Einreisemöglichkeiten zu verschaffen.

Dazu gehört,
- dass die EU die Genfer Flüchtlingskonvention in vollem Umfang in die
Praxis umsetzt,
- dass das Recht auf Ehe und Familie bei der Aufnahme von
Schutzsuchenden gewahrt bleibt und dass Familienzusammenführung
großzügig gestattet wird,
- dass die Rechte von Kindern im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention
uneingeschränkt beachtet werden,
- dass die EU die Staaten an den Außengrenzen bei der
Flüchtlingsaufnahme entlastet,
- dass die EU ein EU-Resettlement-Programm auflegt und ihre
Mitgliedsstaaten dazu anhält, auf nationaler Ebene von dieser
Möglichkeit der Flüchtlingsaufnahme verstärkt Gebrauch zu machen,
- dass die EU die Kooperation mit Nachbarstaaten, die die Menschenrechte
gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen nicht einhalten, einstellt.

3. Die EU muss ihre Anstrengungen zur Bekämpfung von Fluchtursachen
verstärken.

Dazu gehört,
- dass die Entwicklungspolitik der EU faire, ökologische und sozial
gerechte Standards fördert und sich damit stärker als bisher an den
Grundbedürfnissen der Menschen in den Fluchtländern orientiert,
- dass die EU die Handelshemmnisse der Entwicklungsländer aufhebt und
faire Preise für die Importprodukte nach Europa bezahlt,
- dass die EU aufhört, ihre subventionierten Produkte zu Dumping-Preisen
auf die afrikanischen Märkte zu bringen und damit die einheimische
Produktion zu schwächen,
- dass die EU für Demokratie und Menschenrechte in den Herkunftsländern
der Flüchtlinge eintritt und ihre Außenpolitik danach ausrichtet.


Was haben wir selber damit zu tun?

Wir müssen eingestehen, dass die Sicherung unseres Lebensstils und
unseres Wohlstands, wie wir sie derzeit betreiben, eine wichtige Ursache
für die weltweiten Fluchtbewegungen ist. Wir profitieren von ungerechten
Welthandelsbedingungen, die weltweit Menschen die Lebensgrundlage in
ihren Herkunftsländern entziehen. Wir sind hauptverantwortlich für die
Plünderung der natürlichen Ressourcen der Erde und die damit
einhergehende Zerstörung der Umwelt, insbesondere des Klimas.

Wir fordern von den politisch Verantwortlichen und den Regierenden
unserer Länder einen Politik-wechsel, der den veränderten Anforderungen
in der globalisierten Welt Rechnung trägt und mit der Bevorzugung
Weniger zulasten Vieler und nachkommender Generationen Schluss macht.
Regierungen sollten humanitäre Soforthilfe leisten und nachhaltige
Hilfsprogramme in den Herkunfts-ländern der Flüchtlinge starten.

Als Nichtregierungsorganisationen sowie Vertreter und Vertreterinnen von
Kirchen sind wir bereit, das uns Mögliche zur Aufklärung und
Verbesserung der Situation beizutragen. Wir werden zum Sterben an den
Grenzen der EU nicht länger schweigen, sondern alle unsere Kräfte darauf
richten, dass die Öffentlichkeit in unseren Ländern diese menschliche
Katastrophe bewusst wahr- und nicht länger hinnimmt.

Berlin, den 08.11.2007

Die Konferenzveranstalter:
Ökumenische BAG Asyl in der Kirche
PRO ASYL
borderline-europe -- Menschenrechte ohne Grenzen
Beauftragter für Migration und Integration der EKBO
in Verbindung mit dem Kirchenamt der EKD"

(pm 08.11.2007 sk)








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