Ist ein friedliches
Miteinander von Israelis und Palästinensern möglich? Ja, es ist möglich, auch wenn
die Nachrichten aus dem Nahen Osten nicht glauben lassen wollen. Auf dem Jerusalemer
Zionsberg wurde am vergangenen Sonntag der kirchliche Friedenspreis „Mount Zion Award“
an die Leiterin des Hospizes Saint Louis, Sr. Monika Düllmann überreicht. In ihrem
Haus setzen sich Israelis und Palästinenser gemeinsam für einen würdevollen Tod von
Menschen unterschiedlichster Religionen ein. Der Mount Zion Award geht alle zwei Jahre
an Personen oder Einrichtungen, die sich in herausragender Weise für das Miteinander
der Kulturen im Heiligen Land einsetzen. Der Vorsitzende des Preiskommitees, Abt Benedikt
Lindemann, bezeichnete das Hospiz und seine Leiterin als „Leuchtendes Beispiel der
Menschlichkeit”. Gabi Fröhlich hat Schwester Monika Düllmann besucht: Das 1881
von den Schwestern des Heiligen Josef von der Erscheinung gegründete „French Hospital“
liegt direkt vor den Toren der Jerusalemer Altstadt, an der Grenze zwischen jüdischer
Neustadt und arabischem Viertel. Vor dem Sechstagekrieg begann neben der Krankenhaustür
das Niemandsland. 1952 wurde es in ein Hospiz umgewandelt – lange bevor die Hospizbewegung
entstand. An die 100 Menschen sterben jedes Jahr im French Hospital: Juden, Christen
und Muslime - Krebskranke und Aidspatienten. Ohne Unterschied zu Volks- oder Religionszugehörigkeit
werden sie hier in den letzten Jahren und Stunden ihres Lebens gepflegt. Wenn diese
Menschen auch nicht mehr geheilt werden, so Schwester Monika, gibt es für sie doch
noch sehr viel zu tun – Schmerzbehandlung etwa, Familienzusammenführung oder das Erfüllen
eines letzten Wunsches:
„Da war eine Frau, die wollte gerne noch die Hochzeit
ihres Sohnes miterleben. Wir haben es geschafft, sie mit Bluttransfusionen bis zu
diesem Tag am Leben zu erhalten. Wir haben sie dann schön angezogen, geschminkt und
in einen Rollstuhl gesetzt. Zwei Mitarbeiter haben sie zu der Hochzeit begleitet.
Nachdem sie zurückkam, haben wir die Bluttransfusionen eingestellt, und sie ist ganz
friedlich verstorben.“ „Pflegen mit dem Herzen“ nennt Schwester
Monika diese ganz persönliche Zuwendung. Die 43-jährige Düsseldorferin ist Direktorin,
Verwaltungschefin und Pflegedienstleiterin in Personalunion. Sie hat das Hospiz schon
als Theologiestudentin kennengelernt, als sie während ihrer Semesterferien als Volontärin
in der Pflege aushalf:
„Was mich damals am meisten beeindruckt hat, war,
wie die Schwestern die Patienten gepflegt haben ohne irgendeinen Unterschied zu machen
zwischen Religion oder sozialer Stellung. Ich denke da immer an das Beispiel von einem
Patienten, der Archäologieprofessor gewesen war. Gleichzeitig war dort ein Beduine,
der noch nicht genau wusste, was eine Toilette war. Und beide sind mit derselben Liebe
gepflegt worden. Das hat mich damals ungemein beeindruckt.“
So sehr, dass
die junge Frau entschied, sich der Gemeinschaft der Schwestern des Heiligen Josef
von der Erscheinung anzuschließen.)) Dass sie nun mit dem Mount-Zion-Friedenspreis
ausgezeichnet wurde, nimmt sie gelassen: die Ehre gebühre dem Haus und seiner ganzen
Mannschaft – den Mitschwestern, Ärzten und Pflegern, den zahlreichen Volontären aus
aller Welt und vor allem den Patienten:
„Wir machen eigentlich keine Friedensarbeit.
Aber dadurch, dass wir Menschen pflegen, die so krank sind, ist es eigentlich das
Geschenk der Patienten an uns, dass sie uns diesen Frieden schenken. Nämlich die Einsicht,
dass die Unterschiede, die die Menschen machen, und die Unterschiede, aus denen Menschen
Gründe für Kriege machen, letztlich nicht das Entscheidende sind. Sondern dass der
Mensch letztlich ein Mensch ist, egal zu welcher Gruppe er gehört.“
Saint
Louis ist das einzige Kloster weltweit mit einem rabbinischen Koscher-Zertifikat.
Genauso werden die muslimischen Speisegesetze eingehalten. Auch über die religiösen
Zeichen, die ihn auf seinem letzten Weg begleiten, entscheidet jeder Patient selbst.
So kommt es vor, dass man in einem einzigen Zimmer auf einem Bett eine Kippa sieht,
auf dem anderen den Koran und beim dritten eine leuchtende Fatima-Madonna. Die
Warteliste der Patienten ist lang. Die Frau eines verstorbenen jüdischen Patienten
hat den Schwestern einmal eines der schönsten Komplimente für ihre Arbeit gemacht:
„Und
sie sagt: „Für meinen Mann war es wichtig, dass er bei euch gestorben ist und die
letzte Zeit seines Lebens bei euch gelebt hat, denn er hat immer darauf gewartet,
dass der Messias kommt.“ Und das stimmt, das hat er immer gesagt: „Ich sage euch,
der Messias kommt, ganz bestimmt, dieses Jahr kommt er, ihr werdet es sehen..“. Und
die Frau sagte: „Ist es im Grunde nicht das die Zeit des Messias, wenn Juden, Christen
und Muslime im Frieden zusammen leben, Israelis und Palästinenser. Und dadurch, dass
mein Mann bei euch gestorben ist, hat sich für ihn in gewisser Weise diese Hoffnung
erfüllt.“
Politische Differenzen bleiben vor den Türen des Hauses. Während
in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends auf den Straßen rundherum Bomben, Selbstmordattentäter
und schwer bewaffnete Soldaten eine Atmosphäre der Angst verbreiteten, arbeiteten
im French Hospital Palästinenser und Israelis Hand in Hand zum Wohl der Sterbenden.
Schwester Monika weiß von zahllosen Beispielen zu berichten: „Es
gibt die Mutter des Soldaten, die als Patientin hier ist. Der Soldat kommt die Mutter
besuchen, in voller Uniform mit Gewehr über der Schulter. Der Soldat kommt die Mutter
besuchen und trifft als erstes im Flur den palästinensischen Krankenpfleger. Was ist
die Frage: „Wie geht es meiner Mutter?“ Was ist die Antwort: „Sie hat schon gefrühstückt,
da sitzt sie.“ Und keiner von beiden denkt darüber nach, dass sie sich normalerweise
am Checkpoint begrüßen würden. Der eine, weil er den Checkpoint kontrolliert, und
der andere, weil er rüber will.“
Trotz der schier auswegslosen
politischen Situation gibt die Ordensfrau deshalb die Hoffnung auf Frieden nicht auf.
Im Hospiz erlebt sie ja jeden Tag, dass ein Miteinander der verfeindeten Gruppierungen
gelingen kann. Voraussetzung ist für sie: „..dass Menschen, die
verschiedenen Gruppen angehören, lernen, Dinge gemeinsam zu tun. (und da gibt es hier
in Jerusalem einige, meist sehr kleine Initiativen, aber) Leute, die sagen: wir haben
ein gemeinsames Ziel. Und wir verfolgen dieses Ziel zusammen. Und dieses Ziel vereint
uns viel stärker, als andere Dinge uns trennen können.“