Der Ratsvorsitzende
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, fordert in
der Ökumene eine "Kultur wechselseitigen Respekts angesichts fortbestehender Unterschiede".
Beim Auftakt der EKD-Synode gestern in Dresden kritisierte er erneut das jüngste Vatikan-Papier
zum Kirchenverständnis. Nein, das Dokument der Glaubenskongregation vom Juli habe
"dem ökumenischen Klima" "keinen guten Dienst erwiesen", beklagte Deutschlands Chef-Protestant.
Erklärungsversuche etwa durch Vatikan-Kardinal Walter Kasper seien zwar honorig, vertrügen
sich aber "nicht leicht" "mit dem Wortlaut der vatikanischen Äußerung". "Gleichwohl
rufen die vatikanischen Äußerungen Fragen im Blick auf die leitende ökumenische Zielsetzung
wach. Statt einer Kultur des wechselseitigen Respekts auf der Grundlage des gemeinsam
Christlichen begegnet immer wieder eine Tendenz dazu, dass allein die römisch-katholische
Gestalt des christlichen Glaubens als ökumenisch normativ angesehen und die evangelische
Gestalt im Vergleich dazu als defizitär behandelt wird." Das sei, so Huber entschieden,
nicht der richtige Weg zur auch vom Papst immer wieder beschworenen "Einheit in der
Vielfalt". "Sehr wohl aber lässt sich eine solche Perspektive entwickeln, wenn
wir als evangelische Kirche unsere Erfahrung mit gestalteter und verantworteter Pluralität
als ein "Pfund" verstehen, das wir ökumenisch einbringen wollen." Auf katholischer
Seite gebe es dazu Ansätze auch in den Konzilstexten. Huber erinnerte daran, "dass
das Ökumenismus-Dekret des II. Vatikanischen Konzils ausdrücklich von den "getrennten
Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Westen" spricht und damit die Möglichkeit
eröffnet, die Kirchen der Reformation auch aus einer römisch-katholischen Perspektive
als Kirchen zu bezeichnen." In diese Richtung gingen auch Ausführungen von Kardinal
Karl Lehmann vor den katholischen deutschen Bischöfen. "Er deutet die Weichenstellungen
des Zweiten Vatikanischen Konzils in dem Sinn, dass das Konzil Bedeutung und Gewicht
der nicht-römisch-katholischen Kirchen – "trotz einiger Mängel" – im Geheimnis des
Heils anerkannt und ihnen damit eine "wirkliche Anteilnahme am Kirchesein" zuerkannt
hat." Außerdem - und auch bei dieser Analyse gebe er Lehmann recht - könne man heutzutage
nicht mehr hinter das ökumenisch Erreichte zurück. Bischof Huber macht für den
künftigen ökumenischen Dialog drei Vorschläge: "Als erste Perspektive nenne ich das
gemeinsame Bekennen und die gemeinsame Spiritualität. Denn darin liegt ein elementarer
Zugang zum gemeinsamen christlichen Glaubensschatz." Warum könne man denn nicht, so
Hubers Idee, gemeinsam "einen Kanon von Schlüsseltexten der gemeinsamen christlichen
Tradition" zusammenstellen? In diesen Zusammenhang gehöre auch das Drängen auf baldige
eucharistische Mahl-Gemeinschaft. "Gewiss ist die Hoffnung zu kühn, dass schon für
den Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München 2010 eine einvernehmliche Antwort auf
diese Frage gegeben wird. Umso wichtiger ist es, für diesen Kirchentag überzeugende
Formen ökumenischer Spiritualität wie gemeinsamer Weltverantwortung zu finden." Zweiter
Vorschlag: Die "Kultur wechselseitigen Respekts angesichts fortbestehender Unterschiede"
wieder entdecken und neu ernstnehmen. "Auch in einer Phase, in der die unterschiedlichen
Profile der christlichen Kirchen deutlich hervortreten, darf dies nicht zu einer gegeneinander
gerichteten Rekonfessionalisierung oder gar zu einer Abwertung der ökumenischen Partner
führen. Jede konkrete christliche Kirche ist nur eine der Kirchen, in denen die eine
Kirche Jesu Christi gegenwärtig ist. Eine Kirche, die sich durch einen Ausschließlichkeitsanspruch
von den anderen Kirchen separiert, könnte nicht mehr ökumenisch genannt werden." Das
ist eine deutliche Mahnung in Richtung der katholischen Kirche. Bischof Huber hat
auch hier eine konkrete Idee: "Im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017 erscheint
es mir sogar als unerlässlich zu erkunden, ob evangelische und katholische Theologie
vom reformatorischen Aufbruch und der römisch-katholischen Reaktion auf ihn ein gemeinsames
Bild entwerfen können." Und schließlich, Punkt drei, die "gemeinsame Verantwortung
im Zeugnis und im Dienst in der Gesellschaft". Angesichts eines "kämpferischen Atheismus"
und der Debatte um den Klimawandel sei es im Moment zum Beispiel dringend, dass sich
die Christen gemeinsam ihres Schöpfungsglaubens neu vergewissern, so Bischof Huber.
(rv/ekd-homepage 05.11.2007 sk)