Vatikan: Gemeinsam für christliche Werte - der Papst und Bayern
Die Gesellschaft braucht
christliche Werte, und das Christentum hat eine Bedeutung für Europa. In diesen Punkten
sind Günther Beckstein und Benedikt XVI. einer Meinung. Der neue bayerische Ministerpräsident
war heute in Privataudienz beim bayerischen Papst. Der Besuch im Vatikan war die erste
Auslandsreise Becksteins, und vor wie nach dem Besuch betonte er, dass er als Protestant
aus Bayern ein Zeichen setzten wollte. 40 Minuten, gut doppelt so lang wie üblich,
dauerte das Vieraugengespräch mit Benedikt XVI. „Es war ein ausgezeichnetes, sehr
tiefes, sehr herzliches, sehr menschliches Gespräch“, erklärte Beckstein im Anschluss. Dass
ihm Wertebindung und Werteerziehung ein wichtiges Anliegen als Ministerpräsident seien,
habe der Papst „mit Freude gehört“. „Er sagte zu mir: ,Ja, ja, sie stehen ja für
Recht und Ordnung in ihrer bisherigen Amtsführung, wenn das nicht nur polizeilich
gesehen wird, sondern man auch versucht jungen Menschen mehr Orientierung zu geben…’“
Um Migration sei es im Gespräch gegangen, um Integration und Erziehung, auch um die
aktuelle Debatte um das Betreuungsgeld. Der Papst zeigte sich hier als abwägender
und realitätsnaher Gesprächspartner: „Ich bin auch jemand, der ganz klar für das
Betreuungsgeld sich einsetzt, um deutlich zu machen, dass Eltern, die ihre Kinder
erziehen und nicht das Kind schon im Alter von einem oder eineinhalb Jahren in eine
außerfamiliäre Betreuungseinrichtung schicken, dass die nicht Kritik, sondern Unterstützung
verdienen, das hat der Papst sehr sehr unterstützt. Er hat allerdings auch die Erwägung
sofort mit eingefügt, dass die rein gesellschaftliche Situation sehr unterschiedlich
ist und gesagt, dass man auch dafür Verständnis haben muss, wenn in bestimmten Situationen
Eltern, angesichts ihrer Berufstätigkeit, die sie wollen oder haben müssen, auch aus
materiellen Gründen, außerfamiliäre Betreuung brauchen, wobei auch hier Werteerziehung
von großer Bedeutung ist.“ Die Ökumene konnte bei diesen Gesprächspartnern
nicht außen vor bleiben: „Der Papst kennt mich noch aus seiner Zeit als er Kardinal
in München war und hat sofort gesagt, ,Es ist für die Bayern doch auch eine eindrucksvolle
Veränderung, wenn ein evangelischer Christ Ministerpräsident ist.’ Er hat davon gesprochen,
dass aber gerade aus seiner Sicht in dieser Frage des Politischen die konfessionelle
Ausprägung nicht im Vordergrund steht, sondern die Bindung an christliche Grundwerte
etwas ist, was er sehr begrüßt. Wir haben dann auch über die Fragen der
Ökumene gesprochen, ich habe die Grüße des Bayerischen Landesbischofs überbracht und
davon gesprochen, dass wir in der Ökumene auf einem nicht einfachen aber immerhin
auf einem guten Weg sind. Der Heilige Vater hat darauf hingewiesen, dass was über
Jahrhunderte in der Trennung ist, nicht in kurzen Schritten vereint werden kann.“ Der
Synodale Beckstein war von seiner ersten Privataudienz beim Papst, von der Messfeier
im Petersdom und dem Vatikanischen „Drumherum“ sichtlich beeindruckt. Ist er ein klein
bisserl neidisch? „Wir Evangelische haben in der Regel ja sehr nüchterne Gottesdienste,
allenfalls mit wunderbarer Kirchenmusik. Ich bin ein großer Liebhaber von bachscher
Musik, Bachkantaten oder Motetten, die ja oft in einer mathematischen Weise konstruiert
sind. Aber sonst ist es bei uns relativ nüchtern. Ich habe hier einen gewissen Neid
auf die Farbenfreude und auch insgesamt dass das Gemüt in einer katholischen Messe
stärker angesprochen wird, als das in evangelischen Gottesdiensten der Fall ist. Ich
verhehle nicht, dass ich es jedes Mal schmerzlich empfinde, dass die Teilnahme an
der Eucharistie für den evangelischen Christen nicht möglich ist. Ich habe das Thema
beim Papst allerdings nicht angesprochen, zumal ich die Diskussionslage kenne.“ Becksteins
Eindrücke? Er wolle sich nicht von den Äußerlichkeiten, die der Vatikan bietet, ablenken
lassen. Zum Beispiel habe ihn überrascht, wie detailgenau der Papst etwa in der Europapolitik
Nachfragen stellte. „DiePersönlichkeit des Papstes, den ich schon in seiner
Zeit als Kardinal in München kennen gelernt und schätzen gelernt habe als einen äußerst
gescheiten, klugen Mann, der feste Wertmaßstäbe hat und auch vertritt und verkörpert.
Diese Würde und dieser Respekt sind wirklich für mich auch körperlich spürbar gewesen.
Von daher sage ich, es ist eine wirklich – selbst für einen Protestanten - eine ganz
eindeutige ,große geistige und geistliche Autorität und dass es deswegen für unseren
Globus auch wichtig ist, solche Persönlichkeiten zu haben. Wir dürfen bei aller Globalisierung
die Welt nicht nur als Weltwirtschaft verstehen, sondern wir müssen das auch als eine
geistige Dimension verstehen. Das wird einem, glaube ich, im Vatikan im Minutenbereich
deutlich. Mir ist es wenigstens im Sekundenbereich spürbar gewesen.“ Und das
Gastgeschenk Becksteins? Zunächst etwas Persönliches: den Füllfederhalter des Jahres
eines Nürnberger Traditionshauses, Editionsnummer 16, eingraviert die verschiedenen
Stationen der Reise Benedikts in die Heimat. Wie schon bei der Bayernreise des Papstes
unterstützt Bayern außerdem das Engagement Benedikts für den Nahen Osten: Einen Scheck
über 2.500 Euro gab es „für ein humanitäres Projekt“, das Caritas-Baby-Hospital in
Bethlehem. Kinder könnten nichts für alle Konflikte, so Beckstein. Um 18 Uhr besuchen
Beckstein und Benedikt XVI. in der Audienzhalle das Konzert des Sinfonieorchesters
und des Chors des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Mariss Jansons. Auf dem
Programm steht Beethovens 9. Symphonie mit dem Chorfinale über Schillers „Ode an die
Freude“. Auf besonderen Wunsch des Papstes wird der Chor des BR Palestrinas Motette
„Tu es Petrus“ aufführen. Das sei der Vorteil als Ministerpräsident, erklärte Beckstein,
früher sei er in der Regel zu Sicherheitsdebatten gereist, jetzt dürfe er auch die
Kunst genießen. (rv 27.10.2007 bp)