Franz Jägerstätter.
Ein Kriegsdienstverweigerer wird selig gesprochen. Frau und Kinder sind mit dabei.
Wer war dieser Mann? Ist ein Seliger, wer Frau und Kinder verlassen hat? Sind nicht
alle Kriegsgefallene Heilige? Fragen und Antworten in einer Sondersendung von Birgit
Pottler. (rv)
Franz Jägerstätter. Kriegsdienstverweigerer unter den Nationalsozialisten
und Märtyrer, Märtyrer des Gewissens nennt ihn der Vatikan. Am 26. Oktober, dem österreichischen
Nationalfeiertag, wird er selig gesprochen. Der Präfekt der Selig- und Heiligsprechungskongregation,
Kardinal Jose Saraiva Martins wird den Oberösterreicher im Linzer Dom zur Ehre der
Altäre erheben. Die Reaktionen sind vielstimmig. „Ich denke schon, dass Jägerstätter
aufgrund seiner klaren Entscheidung im Geist des Evangeliums ein Seliger ist, der
über die Grenzen unseres Landes hinaus Bedeutung besitzt. (Der Linzer Bischof Schwarz)
– Wie kann ein Mann, der seine Familie verlässt selig gesprochen werden. Was ist das
für ein Vorbild. (Frauen und Jugendliche) – Er ist ja nicht freiwillig in den Tod
gegangen. Er hat nur nach seiner Überzeugung gelebt. (Tochter Maria)“ Ja,
es wird kaum je einen Heiligen geben, der von allen Seiten Zustimmung erfährt, noch
weniger dürfen wir das bei Jägerstätter erwarten, weil damals die politische Sitation
und die Auswirkungen zu großen Zerreißproben in der gesamten Gesellschaft geführt
haben.“ Der Linzer Bischof Ludwig Schwarz zelebriert die Messfeier zur Seligsprechung.
„Da gibt es natürlich bis heute vereinzelt Meinungen, warum soll gerade Jägerstätter
selig oder später heilig gesprochen werden der ist eigentlich gar kein Märtyrer.“
Der Seligsprechungsprozess begann 1997, ist nicht ohne Widerstände, wirft Fragen
auf.
Wer war dieser Mann? Franz Jägerstätter, geboren am 20. Mai 1907 als
lediges Kind einer Bauernmagd im oberösterreichischen St. Radegund. Die Theologin
und Biographin Erna Putz: Er war sozialsensibel, er war ein sehr armes Kind, er
hat gehungert, er wurde benachteiligt in der Schule, weil er keine Geschenke für den
Lehrer mitbringen konnte, er hat aber dann festgestellt, man kann lesen. Er ging als
20-Jähriger von zu Hause weg nach Eisenerz und hat dort im Bergbau gearbeitet. Das
war 1927, also innenpolitisch eine äußerst schwierige Situation. Er ist in einem sozialdemokratischen
Milieu, einem kirchenfeindlichen Milieu. Er hört auf mit dem Kirchenbesuch, erlebt
so etwas wie eine Lebens- und Sinnkrise, und als er zurückkommt, 1930, kommt er bereits
wieder als Glaubender, aber auch kritisch gegenüber der Dorfmeinung und den Werten.
Er ist politisch sehr wach geworden…“ Jägerstätter war der erste im 500-Seelen-Ort
St. Radegund, der sich ein Motorrad leisten konnte. Ein Foto davon existiert bis heute.
Bischof Schwarz: „Ich denke, er war ein Mensch wie viele andere, fast alle seiner
Zeit.“ Franz Jägerstätter war ein einfacher Bauer und Mesner… Und dann hat er geheiratet.
Franziska, 1936, mit 29 Jahren. „Ich habe mir nie vorstellen können, dass Verheiratetsein
so schön sein kann“, sagt Franz später. „Die Nachbarn bezeugen, dass Franz nach
seiner Hochzeit ein anderer geworden sei. Und die Frau Jägerstätter sagt selber, wir
haben einer dem anderen weitergeholfen im Glauben.“ Jägerstätter, der einfache
Bauer und Mesner, reift geistlich wie geistig. Erna Putz: „Er sagt dann, wir werden
in der Ewigkeit zur Verantwortung gezogen, ob wir das Talent des Lesens genützt haben.
Diese strenge Formulierung verwendet er für sonst nichts. Wir können uns informieren.
Und er schreibt auch, die Kirche hat schon gewusst, warum sie uns die Bibel in die
Hand gegeben hat, Zeitschriften, damit in einer Zeit, in der die Seelenführer nicht
mehr sprechen dürfen und die Wegzeichen verkehrt herum aufgestellt sind, dass wir
uns dann noch orientieren können.“ Den Nationalsozialisten, die in Österreich
1938 die Macht übernehmen, verweigert Jägerstätter von Anfang an jede Zusammenarbeit
oder Unterstützung, denn Christentum und Nationalsozialismus sind für ihn völlig unvereinbar.
Durch einen Traum fühlt sich Franz Jägerstätter vor dem Nationalsozialismus gewarnt:
Ein Zug, der unzählige Menschen ins Verderben führt, „entschleiert“ sich ihm als die
NSDAP mit all ihren Gliederungen. 1940 wird Jägerstätter zum Militärdienst einberufen,
auf Betreiben der Heimatgemeinde aber zweimal unabkömmlich gestellt. Einer weiteren
Einberufung will er nicht mehr Folge leisten, denn mitzukämpfen und zu töten, dass
Hitler die ganze Welt beherrschen könne, sieht er als Sünde an. Die Mutter, Verwandte
und auch befreundete Priester versuchen ihn umzustimmen. Seine Frau Franziska hofft
zwar auch auf einen Ausweg, steht aber zu ihm in seiner Entscheidung: „Wenn ich nicht
zu ihm gehalten hätte, hätte er gar niemanden gehabt.“ Heute 94 Jahre alt, erinnert
sie sich: „Er hat die Ausbildung gemacht, und da haben sie ihn recht segiert, als
sie gemerkt haben, dass er gläubiger ist als andere. Als er heimgekommen ist, hat
er gesagt, in dem Verein, da wird er nicht mehr mitmachen. Im Viertel haben sie so
viele Pfarrer eingesperrt, auch unseren Pfarrer. Für solche soll man andere nicht
erschießen, hat er gesagt. Zwei Jahre ist er dann zu Hause geblieben.“ Der Linzer
Bischof: „Er hat viel mehr als andere begriffen, wie verkehrt der Wagen läuft,
wenn ich es so mit einem Bild sagen darf, wie viel Ungerechtigkeit und Mord und Totschlag
hier passiert. Darum hat er dieses Zeichen gesetzt, da will er nicht mitmachen. Er
war ja von Anfang an dem Nationalsozialismus gegenüber sehr ablehnend eingestellt
und wollte auch kein Kindergeld für diesen Staat für seine drei eigenen Kinder annehmen.
Er hat darauf verzichtet; er hat nichts gutes in ihm gesehen.“ Franz Jägerstätter
war ein Charakterkopf, ein Querdenker, auch in alltäglichen Dingen. Welche Erinnerungen
bleiben seiner Witwe? „Die freudigen, lustigen…Motorrad fahren, mit den Kindern
umher fahren, mit dem Kinderwagen zum Einkaufen fahren. Das war früher nicht so brauch
bei den Bauern, aber er hat’s geschafft.“ Tochter Maria: „Er hat immer das
gemacht, was er gewollt hat, was er für gut befunden hat und hat sich nie nach nach
dem gehalten, was Brauch ist.“ Jägerstätter wird erneut einberufen. Am 1. März
1943 erklärt er bei seiner Stammkompanie in Enns, „dass er auf Grund seiner religiösen
Einstellung den Wehrdienst mit der Waffe ablehne, dass er gegen sein religiöses Gewissen
handeln würde, wenn er für den nationalsozialistischen Staat kämpfen würde. Schwarz:
„Wenige haben begriffen, welch negative Konsequenzen dieses Regime dem Volk beschert.
Er hat in prophetischer Sicht das durchschaut und hatte darum den Mut, Nein zu sagen;
hier kann er nicht mit der Waffe mitkämpfen.“ Er sei bereit, als Sanitätssoldat
Dienst zu leisten, doch das wird abgelehnt. Zwei Monate Haft im Linzer Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis
mit Folter und Schikanen bewirken eine große Krise. Der junge Bauer ist in Gefahr
den Glauben zu verlieren. Was ihm hilft? Das erfahrene Glück mit Franziska ist ihm
bleibender Hinweis auf die Gegenwart Gottes. Oder war der Bauer vom Land schlicht
stur? „Es stimmt sicher, dass Jägerstätter in diesen Monaten vor seiner Hinrichtung
auch solche Augenblicke des Zweifelns hatte. Ich glaube das überkommt jeden Menschen.
Aber wenn es unter diesem Gesichtspunkt in seinem Inneren dunkel wurde, da hat er
immer wieder neu dieses Licht des Glaubens angezündet, indem er betete.“ Jägerstätter
kommt nach Berlin, wird wegen „Zersetzung der Wehrmacht“ verurteilt und am 9. August
1943 in Brandenburg an der Havel erschossen. Der Linzer Bischof: „Die Kirche hat
in allen Instanzen diesen Weg des Christen Franz Jägerstätter geprüft und dann in
einer offiziellen Erklärung zum Ausdruck gebracht, dass er in vorbildlicher Weise
im Geist des Evangeliums lebte, dass er als Märtyrer gestorben ist, und dass er als
Modell für die Menschen von heute dienen kann.“
Dennoch bleiben Fragen:
Ist ein Seliger, wer Frau und Kinder verlassen hat? Tochter Maria: Am meisten kann
ich mich erinnern…Ich weiß genau, wie der Brief gekommen ist, dass der Vater hingerichtet
worden ist, da habe wir hier beieinander gesessen in der Stub’n. Das war arg, aber
verlassen haben wir uns nicht gefühlt, nein. … So viele Leute werfen dem Vater vor,
er hat Frau und Kinder im Stich gelassen. Ich denke mir, er ist nicht freiwillig in
den Tod gegangen, er hat nur nach seiner Überzeugung gelebt. Und dass er hingerichtet
worden ist, war nicht seine Schuld, sondern die Schuld der anderen. Wenn jemand Selbstmord
macht oder seine Frau und Kinder so verlässt, ich denk’ das ist etwas anderes.“ Manfred
Scheuer, Bischof von Innsbruck und Postulator des diözesanen Seligsprechungsverfahrens
in Linz: „Insofern war er nicht einer, der Ausschau nach dem Martyrium gehalten
hat, oder süchtig danach war. Das würde das Ganze verkehren. Man muss bei der Frage
nach der Sinnhaftigkeit zunächst schauen, wofür hat er gelebt und wofür hat er sich
Entschieden. Die Konsequenz war dann sein Sterben. Was ist der Sinn des Todes, das
wäre letztlich die Frage, was ist der Sinn seines Lebens gewesen. Und der Sinn seines
Lebens war die Freude an Gott, der Glaube an Gott, auch die Liebe zu den Menschen,
gerade zu seiner Familie. Er hat im Grunde aus einer Liebe zum Leben und aus einer
Ehrfurcht zum Leben seine Entscheidung getroffen. Das ist dann auch der Sinn seines
Sterbens.) Jägerstätter hatte damals auch den Linzer Bischof Fließer um Rat
gefragt. Dieser hat ihm, dem einfachen Bauern erklärt, es sei nicht seine Sache, zu
entscheiden, ob der Krieg gerecht oder ungerecht sei. Er solle sich an seine „viel
höhere Verantwortung für seine Familie erinnern“. Der heutige Linzer Bischof Schwarz
„weiß nicht, ob der Bischof auch diesen begnadeten Weitblick hatte wie Franz Jägerstätter.
Darum appellliert der Bischof an andere wichtige Werte.“ In der Tat: Sind Ehe
und Familie nicht mit die höchsten Werte, für die die katholische Kirche sich einsetzt?
„Das ist sicherlich eine schwierige Frage, denn normalerweise wollen wir doch alles
tun, dass die Familien zusammenhalten und gemeinsam den Weg durchs Leben gehen. Aber
es gibt noch höhere Werte, als die Werte der Familie. Das sind zum Beispiel christliche
Werte aber genauso gut können das vaterländische Werte sein, denn wie viele Soldaten
mussten ihre Familie auch zurücklassen und in den Krieg ziehen und sind gefallen,
und die Frau stand als Witwe da, und die Kinder waren Halbwaisen. Genauso sagte Jägerstätter,
dass man Gott mehr gehorchen müsse, als den Menschen, und dass er auch nicht diese
Rücksicht hier nehmen kann, weil es um eine Grundentscheidung geht, und die hat er
eben nach seinem Gewissen hier klar getroffen.“
Erika Kirchweger, selbst
Mutter von vier Kindern und Vorsitzende der katholischen Frauenbewegung Oberösterreich,
fasst die kritischen Stimmen zusammen: „Wenn ich selbst mit meinen eigenen Kindern
darüber spreche, so kommt als erstes Argument: Wie kann ein Mann, der seine Familie
verlässt und in den Tod geht, einfach selig gesprochen werden. Was ist das für ein
Vorbild. Ich denke, das ist eine dieser Stimmen, die auch bei jungen Leuten immer
wieder kommt, die auch von Frauen immer wieder kommt.“ Hat sie Verständnis für
die Entscheidung Jägerstätters? „Mir war Jägerstätter früher nicht sehr nahe, doch
mit der Beschäftigung mit ihm und mit der Auseinandersetzung kann ich das schon verstehen.
Er hat sich sehr mit seinem Glauben auseinanergesetzt, und ich denke, eine Schlüsselposition
in dieser Auseinandersetzung hat seine Frau Franziska Jägerstätter gespielt. Ich denke,
wenn er diese Auseinandersetzung auch mit ihr in dieser Weise nicht gehabt hätte,
wäre die ganze Geschichte vielleicht anders ausgegangen.“ Franziska und Maria
Jägerstätter wirken nicht bitter. Dass sie die Seligsprechung von Mann und Vater miterleben
dürfen, empfinden sie als Gnade. Franziska hat zu ihrem Mann gehalten. Ist sie nicht
auch eine Selige? „Mir tut es eigentlich fast leid, dass nicht beide gemeinsam
selig gesprochen werden können. Mit der Ächtung, die ihr dann nach dem Tod Jägerstätters
entgegengebracht wurde, auch in ihrer unmittelbaren Umgebung…; mit dieser harten Behandlung
des Staates in der Nachkriegszeit noch, sie hat keine Bezugskarten für Lebensmittel
bekommen, und sie ist nicht als Kriegswitwe behandelt worden, wie Witwen, deren Männer
im Krieg gefallen sind. Ich glaube, da hat sie sehr viel auch nachher noch zu erleiden
gehabt.“
Am 7. Mai 1997, 54 Jahre nach seiner Hinrichtung, hebt das
Landgericht Berlin das Todesurteil gegen Jägerstätter auf. Das kommt einem Freispruch
gleich und bedeutet moralische wie juristische Rechtfertigung seiner Handlung. Was
sagen die Menschen in Jägerstätters Heimatort. Der Pfarrer von St. Radegund, Josef
Steinkellner: „Wenn einer so etwas extrem anderes tut? Man schützt auch seine eigenen
Verwandten, die im Krieg waren. Deshalb glaube ich, tun sich manche noch scher. Aber
sie akzeptieren ihn. Ich kenne noch zwei, drei, die im Krieg waren, einer in Stalingrad,
oder andere Soldaten, die inzwischen gestorben sind, die haben gesagt: Ich hätte mich
das nicht getraut, aber Recht hat er schon gehabt.“ Dennoch: Die große große
Mehrheit gläubiger Soldaten sind aus reiner Pflichterfüllung bei der Wehrmacht geblieben.
Was bedeutet für jene diese Seligsprechung? „Es gibt einfach für Soldaten, vor
allem in einer solchen Zeit, ganz unterschiedliche Gründe, zu ihren Entscheidungen
zu kommen“, sagt Bischofsvikar Werner Freistetter. Er leitet das Institut für
Religion und Frieden bei der Militärdiözese Österreichs. „Wir müssen damit rechnen,
dass diese Generation und die Männer, die da gedient haben, eine ganz unterschiedliche
Motivation gehabt haben. Und im Grunde genommen, muss das jeder Mensch im seinem Gewissen,
vor Gott ganz persönlich verantworten.“ Hunderttausende sind im Krieg gefallen.
Im Laufe des Seligsprechungsverfahrens gingen gerade beim Linzer Bischof Schwarz Briefe
ein, „was ist mit meinem Vater los, der war im Krieg, ist in Stalingrad gefallen,
ist das nicht auch ein Heiliger? Man kann hier keine Vergleiche ziehen. Jeder Heilige
geht seinen Weg. Und ich glaube, er nimmt keinem anderen irgendetwas weg.“ Freistetter
kennt - wie viele - diese Fragen aus der eigenen Familie: „Ein Urteil über das,
was damals für Menschen möglich war, was sie geleitet hat, was sie möglicherweise
auch gemeint haben, damit Gutes zu verwirklichen, ist wirklich nur dann möglich, wenn
überhaupt, wenn wir uns jede Person anschauen, ihren Lebensweg, ihre Motivation und
es ist eben auch möglich, das ist immer wieder vorgekommen, dass Menschen sich auch
für eine Sache engagiert und ihr Leben hingegeben haben, und es stellt sich dann heraus,
dass diese eine Sache war, die sie ausgebeutet hat und die sie benutzt hat, die ihr
Leben sinnlos geopfert hat. Das ist sehr schwierig und sehr tragisch. Wenn wir aber,
ich habe das bei meinem Vater erlebt, über diese Fragen mit den Menschen dieser Generation
offen sprechen können, ohne von oben herab zu urteilen, sondern wirklich aus einem
Verständnis der Situation heraus, können wir viel lernen über die Herausforderungen,
vor denen Soldaten heute stehen.“ Was sagt Jägerstätter den Soldaten heute?
Werner Freistetter von der Militärdiözese: „Auch Soldaten, das haben uns gerade
die Ereignisse des 2. Weltkrieges gezeigt, sind nicht automatische Befehlsempfänger,
die einfach mechanisch Befehle umsetzen, sondern es liegt an jedem, je nach seinem
Verantwortungsbereich, sich ein moralisch sicheres Urteil zu erarbeiten, über die
geplanten Operationen, über das Ziel einer bewaffneten Intervention zum Beispiel.
Die Frage der Gewissensbildung und der Schärfung des Gewissens, das ist etwas, was
wir von Jägerstätter ganz sicher lernen können. Und in dieser Frage ist er für Soldaten
ganz außerordentlich bedeutend.“
Jägerstätter war ein „besonderer Fall“.
Noch bis zum II. Vatikanischen Konzil hätte die Kirche ihm als Wehrdienstverweigerer,
als einer, der seine Staatsbürgerpflichten vernachlässigt, den Ehrentitel Märtyrer
verweigert. Die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes spielte für die Beurteilung der
Biographie des Dissidenten eine große Rolle. Biographin Erna Putz: „Das stand ganz
am Ende noch in Gaudium et Spes, ,es ist Sache der Obrigkeit’. Und mit dem Hinweis
auf Jägerstätter wurde dargestellt, man hätte in Deutschland erst 1947 nach den Nürnberger
Urteilen wissen können, ob der Krieg gerecht sei oder nicht, und solche Menschen wie
Jägerstätter sollen sich nie allein gelassen fühlen. Dann kam eine Passage in den
Konzilstext, wo das Gewissen des Einzelnen als maßgebliche Instanz bezeichnet wird. Bischof
Schwarz betont heute: „Das ist uns allen klar, dass nicht jeder so entscheiden
konnte wie er. Gott wollte, dass wenigstens einer ein Zeichen setzt in prophetischer
Vorausschau. Und dazu war Jägerstätter erwählt.“
Bequem hatte und hat
die katholische Kirche es nicht mit ihm nicht. Doch für wen kann der neue Selige denn
dann Patron sein? Bischof Schwarz: „Letztlich für alle, die auch nach ihrem Gewissen
Entscheidungen treffen, besonders für jene, die anstelle des Wehrdienstes den Zivildienst
bevorzugen. Auch für die Jugend. Sie führten eine christliche Ehe, das ist ein Vorbild
für viele Jugendliche heute. Außerdem ist er ein Vorbild für wichtige Entscheidungen.
Immer wieder müssen wir darauf achten, dass die Menschenrechte eingehalten werden,
dass die Religionsfreiheit geachtet wird. Dass man die großen Werte verteidigt, zum
Beispiel den Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Da glaube
ich, ist Jägerstätter auch für unsere Gesellschaft noch beispielgebend.“ Mehrere
Menschen sagten im Verlauf des Seligsprechungsverfahrens gar aus, Jägerstätter sei
als Heiliger gestorben, Menschen, die ihn bis zur letzten Sekunde begleitet haben:
Als er dann in Brandenburg hingerichtet wurde, war dort auch noch vor der Hinrichtung
ein Gefangenenseelsorger bei ihm und gab ihm zum letzten Mal den Segen. Und der hat
nach der Hinrichtung von Franz Jägerstätter gesagt, heute bin ich zum ersten Mal einem
Heiligen begegnet.“ (rv/radio stephansdom/bistumsradio linz 18.10.2007 bp)