„Die Vorsehung
Gottes macht eigene Rechnungen.“ Dassagte der polnische Altbischof Ignacy
Jeż in seinem letzten Interview mit Radio Vatikan. Wie wahr: Heute wäre er Kardinal
geworden - gestern ist der Emeritus von Koszalin-Kolobrzeg (Köslin-Kolberg) im Alter
von 93 Jahren in Rom verstorben. Noch am Montag hatte er in der Basilika Santa Sabina
auf dem Aventin einen Pilgergottesdienst gefeiert. Jeż galt als Brückenbauer zwischen
Polen und Deutschland. Ein Nachruf von Birgit Pottler:
Er war ein Zeitzeuge
der seligen wie unseligen Geschichte zwischen Deutschland und Polen. 1942 wurde er
als junger Kaplan von der Gestapo verhaftet. Der Grund: Er wird beschuldigt, eine
Kundgebung organisiert zu haben – in Form eines Trauergottesdienstes für den in Dachau
ermordeten polnischen Pfarrer Józef Czempiel. Jeż wurde im Oktober 1942 selbst in
das Konzentrationslager Dachau eingeliefert und bleibt dort bis zur Befreiung durch
die Amerikaner - er überlebt. Ignacy Jeż war beteiligt am denkwürdigen Brief der
polnischen Bischöfe an die deutschen Amtsbrüder zum Ende des II. Vatikanischen Konzils.
Der Kernsatz: „Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung“. Die Polen luden ihre
Amtsbrüder damit zur 1000-Jahr-Feier der Christianisierung Polens ein. Jeż erinnert
sich: „Damals wussten wir gar nicht, wie das weiter gehen wird. Die waren doch
böse, dass wir uns einmischen in die Außenpolitik der Regierung, der kommunistischen
Regierung. Die Jugend vor allem hat man gehetzt gegen die Bischöfe und das dauerte
doch lange. Gegen den Kardinal Wojtyla haben die Arbeiter auch geschimpft. Und heute?
Ich sage immer, nicht so sehr die Verträge werden hier Einfluss haben, wie die persönlichen
Kontakte.“ Dafür stand er selbst ganz besonders. Als Jeż im Herbst 2005 in
Fulda beim Festakt zum 40. Jahrestag des Briefwechsel seine Unterschrift unter eine
neue gemeinsame Erklärung setzt, applaudiert der ganze Saal, alle erheben sich von
ihren Plätzen. Der damals 91-jährige Jez hat als Häftling im Konzentrationslager gelernt,
„dass dort auch die Deutschen sind, deutsche Priester zum Beispiel. Da waren viele
da. Da habe ich gesehen, dass nicht alle Deutsche so denken, wie die Propaganda vorgibt,
manche denken auch so wie wir, sind also auch Feinde von Hitler. Man kann also nicht
sagen, dass alle Deutschen gleich sind. Das hat uns geholfen mit anderen Augen auf
Deutschland zu schauen.“ Missverständnisse, zum Teil auch Vorurteile belasten
das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen bis heute. Jez hatte gute Kontakte in
deutsche Diözesen, war Ehrendomherr in Würzburg und hat beobachtet: „Wenn man von
Osten nach Westen geht, sehen wir, hier wird alles intellektuell gedacht. Doch bei
uns im Osten da sind die Gefühle, die Emotionen wichtig. Und gegen Emotionen sind
keine Argumente wichtig. Da kann man das nicht mehr ändern, nur die Argumente immer
wieder wiederholen und warten, ob sie Früchte bringen.“ Dass auf den Papst
aus Polen ein Deutscher folgte, war für Bischof Jeż ein besonderes Zeichen der Versöhnung,
das so niemand geplant habe, denn: „Die Vorsehung Gottes macht eigene Rechnungen.“ (rv
17.10.2007 bp)